Juliregen (Iny Lorentz)



Verlag Droemer-Knaur
Taschenbuch
704 Seiten; 9,99 EUR
ISBN: 978-3-426-50415-4 

Genre: Historik


Klappentext

Üppig, sinnlich, voller Abenteuer!

Berlin 1887. Lore und ihr Mann Fridolin von Trettin genießen das Eheglück mit ihren beiden Kindern und scheinen endlich Ruhe und Frieden in ihrem Leben gefunden zu haben. Zudem soll sich für Lore ein langgehegter Traum erfüllen: Fridolin hat die Möglichkeit, in der Heimat ihrer jungen Freundin Nathalia ein Gut zu übernehmen. Doch in Ostpreußen werden üble Pläne geschmiedet, die das Glück des Paares zerstören sollen. Lore und Nathalia geraten in höchste Gefahr ...


Rezension

Iny Lorentz, das Autorenehepaar mit dem gemeinsamen Pseudonym, sind so ein Fall, der die Gemüter spaltet. Wer schon die „Wanderhure“ heiß und innig liebte, wird ihnen wahrscheinlich lebenslang die Treue halten; und das sind sicher nicht wenige, gemessen am großen Erfolg des Duos. Wer allerdings schon mit der „Hure“ oder der „Kastratin“ nichts anfangen konnte, wird wahrscheinlich auch später nicht mehr einsteigen, denn die historischen Romane der beiden ähneln sich in Aufbau und Stil sehr. Leider ist auch „Juliregen“, trotz des bezaubernden Titels, da keine Ausnahme. Iny Lorentz schreiben hier größtenteils, wie sie ihre historischen Romane immer geschrieben haben und vermutlich auch immer schreiben werden. Das wird man begrüßen, wenn man ihre Geschichten liebt; insgesamt ist es aber schade, dass so bekannte Autoren ihren Erfolg nicht nutzen, um gelegentlich einmal etwas Neues, Aufregendes, Interessantes zu versuchen. Darauf wartet man im „Juliregen“ jedenfalls vergebens.

Die Geschichte ist mit dem Klappentext eigentlich schon erzählt. Die Dinge, die darin angedeutet werden, entwickeln sich eher unaufgeregt und gemächlich, abgesehen von den bösen Machenschaften der alten Feinde von Lore und Fridolin, den „anderen“ Trettins, die natürlich mit ihren Verbündeten im Hintergrund daran arbeiten, die beiden endlich zu Fall zu bringen. Ganz ehrlich: Man kann ihre Abneigung gegen das Ehepaar von Trettin beinahe verstehen. Diese beiden sind praktisch unangreifbar. Alles Unangenehme, was ihnen widerfährt, wird gleichsam im Handumdrehen wieder in Ordnung gebracht, alle Gefahren lösen sich, meist eher früher als später, wieder in Wohlgefallen auf, strahlend und mit allen nur erdenklichen guten Gaben gesegnet gehen sie stets als Sieger aus allen Konflikten hervor. Sogar die bösartige Intrige, die gegen Ende des Buchs irgendwann Gestalt annimmt und die einige recht unerfreuliche Erlebnisse für Lore und ihre Freundinnen Dorothea und Nathalia bereit hält, erschüttert diese alle überragenden Gutmenschen kaum. Kennen möchte man solche Menschen nicht unbedingt, in der Wirklichkeit …

Neben der Hauptgeschichte spulen sich noch einige weitere Fäden ab, die vor allem Figuren aufgreifen, die schon in den Vorgängerbänden – es handelt sich bei „Juliregen“ um den Abschluss einer Trilogie – eine Rolle spielten. Manche sind sympathisch, andere weniger, besonders aufwühlend ist keines der geschilderten Schicksale. Mitgefühl erregt höchstens die bereits bekannte Hede Pefferkorn, verheiratete Laabs, die an ihrem scheußlichen Ehemann zu leiden hat und keinen ehrenhaften Ausweg sieht für sich und ihr Kind. Auf der anderen Seite wird der Mann derart unerfreulich dargestellt, dass man sich, ohne die Vorgängerbände zu kennen, schon fragen muss, wie um Himmels willen eine intelligente Frau auf diesne Tunichtgut verfallen konnte.

Apropos Hede Pefferkorn: Gerade sie ist ein gutes Beispiel für eine außerordentlich störende Unsitte des Buchs, nämlich die ständige Wiederholung. Schon nach einem Viertel des Buchs kann man nicht mehr zählen, wie oft es nun schon erwähnt wurde, dass sie früher Pfefferkorn hieß, heute aber wegen der Heirat Laabs, und dass sie doch die Chefin des Edelbordells „Le Plaisir“ ist. Ebenso oft, vielleicht noch öfter, wird eine Zeitlang wiederholt, dass eine gewisse Friderike Farbrarius die reiche, aber unfreundliche Verwandte der Klampts ist – üble Verbündete der „anderen“ Trettins Ottwald und Malwine – und sie bei ihr leben und auf sie angewiesen sind. In diesem Zusammenhang lassen die Autoren sogar noch die Figuren nachplaudern, was zwei Absätze vorher bereits festgestellt wurde. Ähnliche Beispiele gibt es leider viele. Man kann darüber schmunzeln, man kann sich aber auch darüber ärgern. Überflüssig ist so etwas auf jeden Fall.

Schlimmer aber als solche stilistischen Mängel wiegt die Tatsache, dass das Buch praktisch nichts von dem enthält, was im Klappentext so vollmundig angekündigt wird. Es ist weder „üppig“ noch „sinnlich“ noch „voller Abenteuer“. Bei einem „üppigen“ Buch erwartet man bunte, lebendige Schilderungen, von Menschen, von Häusern, von Geräuschen und Gerüchen, wie ein All-Sinnen-Gemälde, in das der Leser hineingehen kann und das ihn von allen Seiten umfängt. Davon ist im „Juliregen“ nichts zu finden. Als Beispiel mag jene Stelle dienen, in der festgestellt wird, dass ein bestimmtes Landgut sehr heruntergekommen wirkt. Was wird erwähnt, um diese Feststellung anschaulich zu machen? Nichts. Kein vergammeltes Korn auf den Feldern, keine herumliegenden Gerätschaften, keine ärmlich aussehenden Gestalten. Nicht einmal Klischees werden bemüht, um wenigstens irgendeinen sinnlichen Eindruck zu erzeugen.

Das „Sinnlich“, das der Klappentext anspricht, geht allerdings wohl in eine andere Richtung. Iny Lorentz sind ja besonders bekannt für ihre deftig-derben Sexschilderungen. Die fehlen im „Juliregen“ aber ebenfalls vollständig. Es gibt gelegentlich Liebesszenen, die aber in sanft-säuseligem Nebel belassen werden. Je nach persönlichem Geschmack mag man das Fehlen drastisch ausgemalter Vergewaltigungsszenen durchaus begrüßen, aber – alles einfach weglassen stellt nun auch keine „Sinnlichkeit“ her. Damit ist es also auch nichts.

Und die „Abenteuer“? Wie es eingangs schon anklang, ereignet sich eigentlich nicht umwerfend viel, auf den ganzen 700 Seiten nicht. Nur gegen Ende entwickelt sich so etwas wie eine gewisse Dramatik aufgrund der angesprochenen Intrige; aber sie ist so pubertär konstruiert, und alle Beteiligten werden so schnell und so umfassend gerettet, dass sie kaum einen Eindruck hinterlässt. Das grundsätzliche Problem des Buchs, was die Handlung angeht, besteht darin, dass man nach den ersten zwanzig Seiten schon weiß, dass keiner der „guten“ Hauptfiguren irgend etwas dauerhaft Schlimmes passieren wird – und darin, dass sie einem ohnehin nicht sonderlich sympathisch sind. Anteilnahme, heißohriges Mitfiebern lassen sich so nicht erzeugen.

Auch das Setting überzeugt nur ansatzweise. Die Geschichte spielt im ausgehenden 19. Jahrhundert. Zwar gibt es ab und an Referenzen an die Zeit, so wird zum Beispiel Nathalia von Lore ständig ermahnt, sich doch standesgemäß und damenhaft zu benehmen. Trotzdem hat man nicht den Eindruck, sich in einer anderen Zeit, einer anderen Welt zu bewegen. Der Hintergrund bleibt zu verschwommen, und die Figuren benehmen sich meistens ohnehin so, als spielten sie in einem Gegenwartsroman mit, müssten das aber schamhaft hinter einigen zeitgemäßen Floskeln verbergen.


Fazit

„Juliregen“ ist ein Buch mit wunderschönem Titel, aber praktisch ohne nennenswerten Inhalt. Die Geschichte plätschert oberflächlich und belanglos vor sich hin, Konflikte lösen sich auf, noch bevor sie wirklich entstanden sind, und die „Guten“, Lore und Fridolin von Trettin samt ihren Freunden, siegen immer und auf ganzer Linie. Von einem so erfahrenen Autorenduo wie Iny Lorentz war wirklich mehr zu erwarten. Als Abschluss der Trettin-Trilogie lesbar, ansonsten leider überflüssig.


Pro und Kontra

+ schöner Titel
+ ordentlich geschrieben
+ stellenweise amüsant
+ keine reißerischen Vergewaltigungsszenen

- flache Handlung, flache Figuren
- kaum Spannung
- kaum Entwicklungen
- farblose, oberflächliche Schilderungen

Wertung:

Handlung: 2/5
Charaktere: 2/5
Sprache: 3/5
Lesespaß: 2/5
Preis/Leistung: 3/5