Arkadien erwacht (Kai Meyer)

Carlsen (November 2009)
Gebunden mit Schutzumschlag
416 Seiten, 19,90 EUR, ab 14 Jahren
ISBN 978-3-551-58201-0

Genre: Phantastik


Klappentext

Schon bei ihrer Ankunft auf Sizilien fühlt sich Rosa, als wäre sie in einen alten Film geraten - der Chauffeur, der ihre zufällige Reisebekanntschaft Alessandro am Flughafen erwartet; der heruntergekommene Palazzo ihrer Tante; und dann die Gerüchte um zwei Mafiaclans, die seit Generationen erbittert gegeneinander kämpfen: die Alcantaras und die Carnevares, Rosas und Alessandros Familien. Trotzdem trifft sich Rosa weiterhin mit Alessandro. Seine kühle Anmut, seine animalische Eleganz faszinieren und verunsichern sie gleichermaßen. Doch in Alessandro ruht ein unheimliches Erbe, das nicht menschlich ist ...


Rezension

Rosa entpuppt sich bereits zu Beginn von „Arkadien erwacht“ als komplizierte Persönlichkeit mit einem gewissen Hang zu sinnlosen Risiken. Dieser äußert sich unter anderem darin, dass sie wertlose Gegenstände klaut, die sie meist schnell wieder loswird. Es geht ihr nicht darum, sich zu bereichern, sondern einzig und allein ums Stehlen. Mit ihrer kriminellen Energie würde sie eigentlich vortrefflich in den Mafia-Clan ihrer Tante Florinda passen, doch Rosa will mit der sizilianischen Cosa Nostra nicht viel zu tun haben. Sie möchte eigentlich nur zur Ruhe kommen, im schönen Italien wieder zu sich selbst finden. Die Begegnung mit Alessandro Carnevare, dem Erben eines kürzlich verstorbenen Mafia-Bosses, verwandelt die ersehnte Ruhe in ein emotionales Chaos. Dass der junge Mann zwar einerseits aufrichtiges Interesse an ihr zeigt, sie jedoch andererseits oft für seine Zwecke einspannt, macht es Rosa nicht gerade leicht, Vertrauen zu fassen. Und als sich vor ihr die Geheimnisse des legendären Arkadiens zu entfalten beginnen, verliert sie endgültig den erhofften Halt …

Kai Meyers Protagonisten sind beide recht schwierige Charaktere, die vieles tun, was den meisten Lesern fremd sein dürfte – und dennoch wachsen einem beide unglaublich schnell ans Herz und im Kontext ihrer Welt wirken sie vollkommen authentisch. Viele Andeutungen bezüglich Rosas Vergangenheit schüren kräftig Spannung und auch wenn man sich nach und nach viel zusammenreimen kann, muss man lange auf die herbeigesehnten Offenbarungen warten. Mit Rosas Schicksal hat es sich der Autor jedenfalls nicht einfach gemacht, denn ihre emotionale Verfassung erfordert viel Fingerspitzengefühl – und dennoch ist es gerade der problematische Charakter von Rosa, der den meisten Situationen eine besondere Dramatik verleiht. Auch Alessandro ist alles andere als einfach. Zwar erliegt man schnell seinem Charme, doch der junge Mann arbeitet den gesamten Roman daraufhin, diesen positiven Eindruck zunichte zu machen. Zwar bleibt er bis zur letzten Seite faszinierend, doch man beginnt sehr bald an seinen Motiven zu zweifeln. Die Liebesgeschichte zwischen Rosa und Alessandro bietet damit reichlich Konfliktpotential, das beinahe schon ausreicht, um den Leser an den Roman zu fesseln.

Die eigentümliche Atmosphäre Siziliens tut ihr Übrigens, um das Buch zu einem echten Pageturner zu machen. Als Fantasy kann man „Arkadien erwacht“ dabei kaum bezeichnen, denn es gibt zwar phantastische Elemente, doch brechen diese nur langsam in die Geschichte ein. Dabei greift Kai Meyer auf den Mythos Arkadien zurück und kreiert daraus sein ganz eigenes, phantastisches Szenario, das den Leser in seinen Bann schlägt. Dabei spielen Gestaltwandler eine gewisse Rolle, allerdings anders als in aktuellen Romantic Fantasy-Romanen. Die Verbindung von Gestaltwandlern und Mafia mutet zunächst seltsam an, wurde aber gelungen umgesetzt. Dabei geht es für ein Jugendbuch stellenweise etwas zu hart zu, oftmals sind Erklärungen aber auch etwas schwammig. Die Mafia ermöglicht Rosa einen Lebensstil, der viele Möglichkeiten zur Problemlösung bietet, die „normalen“ Menschen nicht zur Verfügung stehen. Auch als Rosa gezwungen ist, sich zu bewaffnen, hat man den Eindruck, dass es ihr beinahe zu leicht fällt. Letztlich handelt es sich aber um einen phantastischen Jugendroman mit Mafia-Flair, bei dem die actionreiche Story im Vordergrund steht und nicht glaubhafte Erklärungen.

Die Mafia-Clans erscheinen meist genauso, wie man sie sich vorstellt. Düstere Anzugträger, die zu allem bereit sind, Leichen einbetonieren oder in Säure auflösen oder auch ein ganzes Dorf in einem Stausee versenken. Kai Meyer trägt dabei reichlich Klischees auf, doch durch die Verwendung der italienischen Begriffe wirkt vieles auch authentisch. Und gerade die Klischees sind es, die „Arkadien erwacht“ einen Hauch von James Bond verleihen. Als erwachsener Leser wird man über viele Kleinigkeiten schmunzeln, doch man muss auch zugeben, dass das Gesamtkonzept sehr stimmig ist. Die Geschichte packt den Leser von der ersten Seite an und lässt ihn bis zur letzten Seite mitfiebern. Das Hardcover von Carlsen wartet zudem mit einem tollen Cover auf, das sehr gut zur Story passt. Wer Bücher sammelt, ist damit bestens bedient, auch wenn der Preis grenzwertig ist. Für alle, die nur eine gute Geschichte lesen wollen und Bücher selten mehrmals lesen, gibt es auch eine günstige Taschenbuchversion.


Fazit

„Arkadien erwacht“ überzeugt mit starken Protagonisten, die die Leserherzen im Sturm erobern. Rosa und Alessandro haben unglaublich viele Eigenheiten, die sie interessant machen. Dazu bekommt man eine spannungsgeladene Story mit phantastischen Elementen und Mafia-Flair geboten, die mit gekonnten Wendungen und extrem atmosphärisch umgesetzt wurde.


Pro & Contra

+ faszinierende, schwierige Protagonisten
+ interessante Nebencharaktere
+ eigentümliche Atmosphäre Siziliens
+ unheimlich spannend
+ toller Schreibstil
+ überraschende Wendungen

o noch relativ wenig Phantastik
o Mafia-Klischees

- Erklärungen manchmal etwas schwammig
- Rosa und Alessandro haben manchmal zu viel Glück

Wertung:

Handlung: 4/5
Charaktere: 4/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 4/5


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