Die Engelsmühle (Andreas Gruber)

Festa-Verlag (1. Auflage November 2008)
Taschenbuch, 270 Seiten - 13.95 EUR
ISBN: 9783865520807

Genre: Mystery-Thriller


Und wieder ist Peter Hogart nach „Schwarze Dame“ dem Verbrechen auf der Spur.
Erstes Opfer: Dr. Abel Ostrovsky, Neurochirurg und Dozent an der Uni, der vor seinem Tod brutal gefoltert wurde
Kurt, Hogarts Bruder, Chiropraktiker und Ganzheitsmediziner kennt den Toten aus seiner Studienzeit. Ostrovsky hatte vor seinem Tod bei ihm angerufen und von einem mysteriösen Videoband gespochen und Kurt um Hilfe gebeten.
Die Hogart-Brüder begeben sich an den Tatort, sprich in Ostrovskys Villa, finden dort tatsächlich das Video und entwenden es.
Auf dem Band sehen sie eine Krankenhausszene mit zwei Ärzten und einer jungen Frau im Rollstuhl. Bei den Medizinern handelt es sich zum einen um den Ermordeten, zum anderen um Dr. Dornauer, der eine etwas heruntergekommene Reha-Klinik führt.
Die Frau im Rollstuhl ist Prof. Linda Bohmann, die moderne Malerei an der Kuttenberger Kunstakademie unterrichtet.
Sie sucht Peter Hogart als Nächste auf – mit seiner Nichte Tatjana, die ihm eröffnet Detektivin werden zu wollen. Erst wenig erfreut über ihre „Anhänglichkeit“, sieht Hogart aber gerade durch sie eine Möglichkeit ohne Aufsehen in die Akademie zu gelangen, indem er Tatjana als seine Tochter ausgibt, die angeblich mit dem Gedanken spiele auf der Akademie Kunst zu studieren.
Von Wolfram Priola, dem Rektor, erfährt Hogart, das Linda Bohmann eine Zwillingsschwester hat – Madeleine, ebenfalls Künstlerin.
Deren Ausstellung in den Katakomben unter der Michaelerkirche Hogart am Abend besucht. Als Madeleine auftaucht, verspürt er sofort eine gewisse (auch sexuelle) Faszination für sie. Nur zu bereitwillig folgt er ihrer Einladung, ihn nach der Ausstellungseröffnung zu begleiten, und stellt fest, dass sie in der selben Villengegend wie der ermordete Ostrovsky lebt – in der alten „Engelsmühle“, in der es angeblich spuken soll. In der Mühle lebte einst eine Hebamme – Anna, die Engelmacherin von Kahlenberg, die etliche Kinderseelen auf dem Gewissen haben sollte.
Nun ist dort neben den Lebensräumen von Madeleine auch deren Atelier.
Von Madeleine erfährt Hogart einiges über ihr Leben und das ihrer Zwillingsschwester Linda, die immer vom Vater bevorzugt wurde. Offensichtlich wird schnell eine krankhafte Mischung aus Hass und Eifersucht, die Madeleine ihrer Schwester gegenüber verspürt, in deren Schatten sie als Zweitgeborene immer gestanden hat. Und ihre extremen Stimmungsschwankungen, die leicht irre Züge zeigen, vertreiben Hogart dann schlussendlich aus ihrer Nähe.

Alles scheint sich um Linda Bohmanns Unfall 1988 zu drehen, der sich in der Engelmühle abgespielt hat und seit dem Linda, durch einen Treppensturz, gelähmt ist.
Als Peter Hogart in der Klinik, in der Linda nach ihrem Unfall behandelt wurde, Nachforschungen anstellt, wird schnell gewiss, dass alle Unterlagen von ihr verschwunden sind.
Darüber hinaus wurde auch Dr. Dornauer ermordet. Wie die Obduktion herausstellt in der selben Nacht wie Ostrovsky.
Damit nicht genug wird Kurt Hogart verhaftet, weil er mit dem ersten Mordopfer in Verbindung gebracht wird.
In Hogarts Wohnung wird derweil eingebrochen und Ostrovykys Video entwendet. Der Dieb ist noch in der Wohnung und überwältigt Hogart.

Hogart geht daraufhin einer weiteren Spur nach und sucht einen ehemaligen Arzt der Dornauer-Klinik auf – Dr. Alfred Faltl und findet ihn brutal ermordet vor. In den Körper des Mannes hatte der Täter Dutzende Nägel getrieben.
In der Wohnung findet Hogart einen Schlüssel zu einem Schließfach und nimmt diesen an sich.

Neben all diesen Turbulenzen findet Hogart kaum Zeit für seinen eigentlichen Auftraggeber, für den er einen Versicherungsfall klären soll – einen Brand in der Gebietskrankenkasse (GKK), der das Archiv des Kellergeschosses vernichtet und einen Schaden von 7 Millionen € verursacht hat.
Hogart trifft in dem verkohlten Kellergeschoss der GKK auf die Versicherungsangestellte Elisabeth Domenik, und somit erscheint die nächste Frau auf der Bildfläche.
Doch vorerst konzentriert sich Hogart auf Linda Bohmann, und so sucht er wieder die Akademie auf und spricht erneut mit Rektor Priola, erfährt im Lauf des Gespräches von dem tödlichen Autounfall ihrer Eltern, nach einem Streit mit Madeleine, und dass seitdem die Schwestern getrennte Wege gehen, Linda machte mit Priola, ihrem Lebensgefährten Schluss und veränderte sich.
Dann scheinen sich die Morde, die Geschichte der beiden Zwillingsschwestern und Hogarts Versicherungsfall zu verquicken, ja sogar zusammenzugehören.
Peter Hogart und seine Nichte durchforsten das Schließfach des ermordeten Dr. Faltls und finden darin die Krankenakte und Röntgenaufnahmen (1988) von Linda Bohmann und stoßen in den Aufzeichnungen auf interessante Fakten.
Und der Leser beginnt die Zusammenhänge immer mehr zu ahnen ...

Mit von der Partie sind auch wieder Inspektor (und Lackaffe) Wolfgang Eichinger und sein kaltschnäuziger, verbitterter Kollege Rolf Garek.
Aber auch sonst ist „Die Engelsmühle“ wieder einmal ein durchgängig „rundes“ Gruber-Werk, dem es an nichts mangelt, sei es von der Tiefe der Charaktere, aber auch den einzelnen Handlungsbögen. Vor allem erlaubt der Titel einen weiteren und tieferen Blick in das Leben und die Historie von Peter Hogart, bei dem es privat nicht grade rund läuft. In seinen Beziehungen mit Frauen hat er kein glückliches Händchen bewiesen. Aber auch sein Bruder Kurt betrügt seine Frau, seine Tochter verspürt eine Faszination für Hogarts Beruf und klebt ihrem Onkel auf den Fersen – und besonders „speziell“ kristallisiert sich Hogarts Beziehung zu seiner Mutter heraus.

Wieder einmal verquickt Andreas Gruber auf anschauliche Weise Lokalcolorit mit seinem „aktuellen Fall“ – dieses Mal u.a. die Wiener Sage des „Stock im Eisen“. Aber auch geschichtliche Schlenker fließen beinahe spielerisch ein. So findet z.B. die „Österreichisch-Israelische Gesellschaft“ Erwähnung und die „Gruppe 05“ oder der „Narrenturm“, einer ehem. Klinik für Geisteskranke, nun pathologisch-anatomisches Museum.

Peter Hogart wird dem Leser immer vertrauter, man bewegt sich auf beinahe freundschaftlicher Ebene mit ihm durch die Handlung, vergißt oft, dass man nur fiktiv „dabei ist“ – und trotzdem man schnell ahnt und weiß in welche Richtung die Auflösung all dessen geht, steigert Andreas Gruber gekonnt die Spannung und liefert zum Schluss einen wahren Showdown, in dem er dem Finale einen rasanten Höhepunkt verleiht.

Die Aufmachung des Titels ist, wie bei Festa gewohnt, wieder souverän. Das Covermotiv edel-düster - aber nicht reißerisch aufgesetzt, das Papier und der Satz erstklassig.

Somit ist „Die Engelsmühle“ ein weiterer rundum gelungener Titel aus der Gruber-Feder.


Fazit

Flüssig geschriebener und spannender Thriller mit Wiener Lokalcolorit, der Lust auf einen weiteren Peter Hogart-Band macht – absolut empfehlenswert!


18. Mai. 2009 - Alisha Bionda