Rebell der Krone (Robyn Young)

blanvalet (Juli 2011)
671Seiten, 13,00 Euro
ISBN: 978-3-442-37246-1

Genre: Historik


Klappentext

Schottland im Jahre 1286. Ein ganzes Volk trauert um seinen König, Alexander III. Doch sein Tod war kein Unfall, und seine Mörder schmieden bereits eifrig Pläne, die Herrschaft über das geschwächte Land zu ergreifen – das jedoch wollen die Schotten mit aller Macht verhindern, zumal auch König Edward von England mit allen Mitteln versucht, den Thron der Schotten einzunehmen.

Einer der rechtmäßigen Anwärter ist der junge Robert Bruce, Enkel eines der mächtigsten Adligen Schottlands. Er schließt sich den gegen England rebellierenden Schotten an, und schon bald soll der Tag kommen, an dem er eine Entscheidung treffen muss, die für eine ganze Nation alles aufs Spiel setzten wird …


Rezension

Robyn Young gelang in Großbritannien und den USA mit ihrem Debüt „Die Blutschrift“ ein großartiger Durchbruch, der ihren Namen auf verschiedene Bestsellerlisten schnellen ließ. Geboren in Oxford, begann sie schon früh zu schreiben und fand nach einem Seminar schlussendlich den Mut, ihre Ideen umfassend zu Papier zu bringen. Heute lebt sie in Brighton, schreibt mit Vorliebe Trilogien, unterrichte Kreatives Schreiben und präsentiert mit ihrem Roman „Rebell der Krone“, den Auftakt einer neuen, historischen Reihe. Im Focus des Geschehens: niemand geringerer als Robert Bruce, der spätere König von Schottland.

>> Der Mann sah sich im Raum um, entdeckte Humphrey und ging zu ihm hinüber. Humphreys Begrüßungsgrinsen verblasste angesichts der grimmigen Miene des Neuankömmlings. „Was ist geschehen, Ralph?“ „Earl Edmund ist aus Frankreich zurückgekehrt.“ Thomas of Lancaster erhob sich bei der Erwähnung seines Vaters. „König Philipp hat sein Wort gebrochen und die Gascogne konfisziert. Er hat die an König Edward ergangene Einladung zur Unterzeichnung des Friedensvertrags zurückgezogen … <<

Im Jahre 1286 ist Robert Bruce VII. noch ein Knabe von dreizehn Jahren, der die Last seines Ranges immer wieder zu spüren bekommt. Als Erstgeborener werden an ihn hohe Erwartungen gestellt. Kämpfen, Reiten und Ehre beweisen soll er. Besonders letzteres, denn ein Mann, der sein Wort nicht hält, ist in den Augen seines Großvaters das Atmen nicht wert. Während Robert langsam heranwächst, verdüstert sich die Lage Schottlands nach dem Tod König Alexanders III. immer mehr. Seine verwitwete Frau bringt eine Totgeburt zur Welt und Alexanders Enkelkind, die siebenjährige Margaret von Norwegen, stirbt auf der Überfahrt als zukünftige Königin. Ermordet von Alexanders Widersacher. Ein politisches, ränkebehaftetes Ringen um den Thron entbrennt. Eines, das sich letztendlich gegen das Geschlecht der Bruce als mögliche Thronfolger entscheidet. In Schottland sind sie ihrer Macht nun beraubt, werden angefeindet oder von Verbündeten in Stich gelassen. Robert Bruce, inzwischen achtzehn Jahre alt, reist Monate später nach England, um zumindest dort die Macht der Familie stärken zu können. Er geht unüberlegt Bündnisse ein, beteiligt sich an König Edwards (politischen) Kämpfen und bringt in späterer Folge einige Landsleute gegen sich auf. – Erst ab diesem Zeitpunkt gewinnt „Rebell der Krone“ so richtig an Fahrt. Robyn Young, eines wunderbaren, sehr bildhaften Stils mächtig, nutzt bis zu dieser Zeit (etwa der Hälfte des Romans) den ihr gegebenen Raum schlicht dazu, weitere Charaktere einzuführen und geradezu biographisch detailreiche Abschnitte in Roberts Leben zu durchleuchten. Als Sohn eines Earls bewegt er sich konsequent und sicher im gehobenen Stand, gewinnt Freunde und Erfahrungen, dennoch aber behält der Leser eine lang anhaltende Distanz, die besonders in Bezug auf Antagonisten beinahe ständig erhalten bleibt. Eine Tatsache, die man bedauert. Zu gewichtig ruht der akribisch recherchierte Hintergrund auf den Schultern der Handlung, die unter sehr ausufernden Schilderungen immer wieder wegzubrechen droht. Robert Bruce und König Edward bilden den Mittelpunkt. Alles dazwischen wird gefüllt mit historischen Fakten, bar vieler Emotionen. Es sind nicht Liebesgeschichten, die fehlen (auch wenn sich hier die eine oder andere Möglichkeit aufgetan hätte), sondern das Ausschmücken kleiner Freuden und Leiden, die es möglich gemacht hätten, mehr für die Protagonisten zu empfinden. Ein Manko, das sich wiederum aber als Stärke auslegen lässt, denn „Rebell der Krone“ bewegt sich weit abseits des üblichen Genre-Klischees. Robyn Young mag zwar eine Frau sein, lässt sich jedoch bewundernswert auf die Kühle der Männerwelt ein. Auf Kämpfe, auf Intrigen, auf politische Spiele und jede Menge unschöne Wahrheiten aus dieser Zeit. Ihr anspruchsvoller, bildreicher Stil untermalt die einzelnen Situationen perfekt, zieht etwas in die Länge, ohne aber unangenehm zu sein.

So mühsam detailliert sie recherchieren musste, so mühsam gestaltet sich das Lesen. Genrekenner, die leichte Kost erwarten, werden hier nicht bedient. Ganz im Gegenteil. Historisch gesehen findet man aber mit „Rebell der Krone“ ein wahres Juwel. Nah an den Tatsachen gehalten, braucht der Inhalt Zeit, um wirken zu können. Ebenso viel Verständnis des Lesers für das Fehlen einer allzu aufregenden Handlung. Geschichtliches, leidenschaftliches Interesse auf hohem Niveau wird (erfrischender Weise) vorausgesetzt. Besonders zu Beginn. Danach erhöht sich das Tempo, die Entwicklungen werden spannender und das Ende verweist würdig auf den nächsten Band dieser geplanten Trilogie.


Fazit

„Rebell der Krone“ bietet ein hochwertiges, historisches Portrait, das sicherlich nicht viele Autoren hätten besser zeichnen können. Leser, die vielfältig eingebrachte, historische Fakten, ausgedehnte Recherchen und einen sehr bildreichen Stil zu schätzen wissen, greifen hier auf Gold. Unterhaltungsliebhaber des gemütlichen, weniger anstrengenden Schmökerns werden jedoch richtig unglücklich mit diesem Genre-Juwel sein und sollten unbedingt auf Romane greifen, deren Fokus auf mitreißende, ausgekügelte Handlungen liegt. Hier wird vorwiegend Anspruch geboten!


Pro und Kontra

+ authentische Darstellung nahe an der Realität
+ ausgezeichneter Sprachstil der seinesgleichen sucht
+ exzellent recherchiert und anspruchsvoll
+ sich Zeit nehmend und besonders detailreich
+ tolles, historisches Portrait
+ ausführliche Literaturauswahl am Ende

o Historisches stets im Vordergrund (auch auf Kosten der Leserfreude)

- verschenktes Potenzial im Hinblick auf die Handlung
- zum Teil ganz schön langatmig
- nicht so packend, wie es sein könnte

Wertung:

Handlung: 3,5 / 5
Charaktere: 3,5 / 5
Lesespaß: 3,5 / 5
Recherche: 5 / 5
Anspruch: 5 / 5
Preis/Leistung: 4 / 5