Das Schiff (Greg Bear)

Heyne (August 2011)
Originaltitel: Hull Zero Three
Aus dem Amerikanischen von Ursula Kiausch
Taschenbuch, Broschur, 480 Seiten,
€ 8,99 [D] | € 9,30 [A] | CHF 13,50
ISBN: 978-3-453-53375-2

Genre: Science Fiction


Klappentext

Eine Reise an die Grenzen unserer Existenz

Ein gigantisches Raumschiff treibt durch die Leere des Alls. Sein Ziel: unbekannt. Der Zweck seiner Reise: ein Geheimnis. Doch dann erwacht ein Mann aus dem künstlichen Tiefschlaf. Nackt und frierend findet er sich in dem gewaltigen Schiff wieder. Und blickt einer Wahrheit ins Gesicht, die er sich in seinen kühnsten Träumen nicht hätte vorstellen können …


Rezension

Ein lange Zeit namenlos bleibender Protagonist erwacht aus der Traumzeit: Das Schiff hat einen bewohnbaren Planeten entdeckt und weckt seine schlafenden Bewohner auf. Der Protagonist trifft seine Freunde aus der Traumzeit und sogar seine Geliebte, mit der er voller Zuversicht in ein neues Leben auf einem wundervollen Planeten aufbricht – doch irgendetwas ist schief gegangen. Der Protagonist erwacht in einem dunklen, eiskalten Raum und wird von einem mysteriösen Mädchen aus einer glitschigen Kapsel gezogen. Nackt irrt er durch ein düsteres Schiff, das von gleichgültigen oder auch bösartigen Kreaturen, sogenannten Elementen, bevölkert wird. Das Mädchen hilft ihm, die ersten Stunden zu überstehen, doch danach sieht alles noch schlimmer aus. Der Protagonist muss bald erkennen, dass seine Erinnerungen nichts weiter als eine Prägung sind, dass er vom Schiff zu einem bestimmten Zweck erschaffen wurde. Und nicht nur er: auch andere, teilweise menschliche, teilweise auch unmenschlich aussehende Wesen kämpfen auf dem offensichtlich schwer beschädigten Schiff ums Überleben …

„Das Schiff“ ist aus der Sicht des Protagonisten geschrieben, der von einem Desaster ins nächste stolpert. Das geheimnisvolle Mädchen nennt ihn den Lehrer und so wird er trotz späterer Namensgebung auch von anderen genannt, die sich seiner Suche nach der Wahrheit anschließen. Die erste Hälfte des Romans beschäftigt sich mit der Frage, auf was für einem Schiff sich der Protagonist befindet und warum es in einem desolaten Zustand ist. Wie es überhaupt aussieht und was für eigenartige und böswillige Kreaturen es beherbergt. Bald stellt sich heraus, dass es zu einem Konflikt zwischen der Schiffs- und der Reiseleitung gekommen sein muss, aber von beiden findet man lange Zeit keine Spur. Der Lehrer entdeckt zudem, dass er nicht der einzige ist: Das Schiff hat bereits viele Lehrer erschaffen, die jedoch alle gestorben sind. Einige von ihnen haben Notizbücher hinterlassen, die dem Protagonisten helfen zu verstehen, was überhaupt passiert ist. Neben dem Mädchen, von dem es auch mehrere „Kopien“ gibt, trifft er sehr bald auf andere Wesen, die vom Schiff erschaffen wurden und die ebenso ahnungslos durch das feindselige Schiff irren.

Die Atmosphäre auf dem Schiff bleibt lange Zeit diffus und düster, hinter jeder Ecke könnte ein tödliches Monster lauern und nicht nur einmal springt der Lehrer dem Tod nur knapp über die Schippe. Da Greg Bear bereits in anderen Romanen seine Protagonisten frühzeitig eliminiert und ersetzt hat, bangt man in jeder gefährlichen Situation ernsthaft um das Leben des Lehrers. Manche seiner Gefährten fallen einem sinnlosen und grausamen Tod zum Opfer, andere bleiben so lange bei ihm, dass sie später Namen erhalten. Die Charaktere sind allesamt verschieden und interessant – die Gruppe ergänzt sich wunderbar. Greg Bear hat außergewöhnliche Personen geschaffen, die alle auf ihre eigene Art mit ihrem Schicksal fertig werden. Allerdings sind manche dieser Charaktere auch so speziell, dass der Leser schwer Zugang zu ihnen findet. Am ehesten identifizieren kann man sich mit dem Lehrer. Seine Gedankengänge entsprechen weitgehend den Fragen, die sich der Leser während des Lesens stellt, wodurch man zuweilen das Gefühl, selbst durch das „kranke“ Schiff zu irren.

Wie bereits in „Blutmusik“ greift Greg Bear auf biologische Erklärungen für die grotesken Lebensformen auf dem Schiff zurück. Dabei wird man beinahe jedes Mal überrascht, wenn sich ein neues Teil in das Puzzle fügt. Bis zum Schluss hält der Autor Wendungen parat, die der Geschichte immer wieder einen neuen Sinn geben. Wie andere Werke zuvor ist auch „Das Schiff“ keine leichte Kost und erfordert konzentriertes Mitdenken. Dieser Roman schreit einfach danach, sich auch zwischen und nach dem Lesen noch damit auseinanderzusetzen. Unterhaltsam und spannend ist die Geschichte allemal, aber reine Unterhaltung ist „Das Schiff“ nicht. Neben den wissenschaftlichen Erklärungen und Theorien wird es zuweilen auch recht philosophisch und letztlich transportiert der Roman eine zutiefst menschliche Message.

Dennoch gibt es auch kleine Kritikpunkte: Das Herumirren in der ersten Hälfte des Buches zieht sich zuweilen etwas in die Länge – Greg Bear hätte gerne schon etwas früher ein paar für den weiteren Verlauf relevante Informationen einstreuen können. Im direkten Vergleich zu sehr frühen Werken wie „Blutmusik“ bleibt „Das Schiff“ in punkto Kreativität zudem etwas zurück. Dennoch bleibt „Das Schiff“ im Vergleich mit vielen anderen Science Fiction-Romanen eine Empfehlung für all jene, die gerne Elemente verschiedenster Genres gemischt sehen wollen. Greg Bear hält zudem genug originelle Ideen parat, die diesen Roman zu einem ungewöhnlichen Lesevergnügen machen.


Fazit

„Das Schiff“ packt den Leser mit seiner unheimlichen Atmosphäre, die unter die Haut geht. Greg Bear beeindruckt abermals mit seinen originellen Ideen, die über etwaige Längen in der ersten Hälfte schnell hinwegtrösten. Ein Roman, der gleichermaßen unterhält wie nachdenklich stimmt und der Geschichte mit vielen Wendungen immer wieder einen ganz neuen Sinn verleiht.


Pro & Contra

+ unheimliche Schiffsatmosphäre
+ viele gelungene Wendungen
+ interessante Charaktere
+ sehr originelle Ideen
+ philosophische Ansätze

- anfangs stellenweise langatmig

Wertung:

Handlung: 4,5/5
Charaktere: 4/5
Lesespaß: 5/5
Preis/Leistung: 4,5/5


Rezension zu "Blutmusik"