Fleisch ist mein Gemüse (Heinz Strunk)

Rohwohlt Tb. (Oktober 2004)
Seiten: 256, 8,95 EUR [D]
ISBN 978-3-499-23711-9

Genre: Belletristik


Klappentext

Wie es ist, in Harburg aufzuwachsen, das weiß Heinz Strunk genau. Harburg, nicht Hamburg. Mitte der 80er ist Heinz volljährig und hat immer noch Akne, immer noch keinen Job, immer noch keinen Sex. Doch dann wird er Bläser bei Tiffanys, einer Showband, die auf den Schützenfesten zwischen Elbe und Lüneburger Heide bald zu den größten gehört. Aber auch das Musikerleben hat seine Schattenseiten: traurige Gaststars, heillose Frauengeschichten, sehr fettes Essen und Hochzeitsgesellschaften, die immer nur eins hören wollen: „An der Nordseeküste“ von Klaus und Klaus.


Rezension

Heinz „Heinzer“ Strunk hat keine gescheite Ausbildung, die will er auch nicht, er möchte einfach nur „Mucken“. Als er gefragt wird, ob er seine Saxophonkünste bei der Tanzband Tiffanys unter Beweis stellen möchte und er kurzerhand zusagt, kann sein Musikerleben beginnen.

„Swingtime is good time, good time is better time“
(Gurki)


Heinz hat kein leichtes Leben. Besonders optisch hat es ihm kein Gefallen getan. Seine Acne Conglobata wird er einfach nicht los, stattdessen berauben ihn die eitergefüllten Pickel seiner Gelegenheiten, Frauen kennen zu lernen. Um sich keine Blutvergiftung zuzuziehen, drückt er sie nicht aus und aus Scham meidet er das Tageslicht, was ihm einen unglaublich weißen Teint beschert. Zum Glück sind seine Bandgenossen nicht gerade Weibermagneten. Gurki, Jens, Norbert und Torsten haben mit ihren eigenen Problemen zu kämpfen.
Auch wenn sie sich untereinander nicht immer verstehen, halten sie als Band lange zusammen, betrinken sich und essen unmenschliche Mengen an Eiern.

Neben Heinzers Problemen mit seiner geistig verwirrten Mutter und seinen Depressionen ist das alles, was man zum Inhalt des Buchs sagen kann. Der Inhalt ist merkbar schnell zusammengefasst. Meist kein gutes Zeichen und auch hier haben die drittklassigen Auftritte am Ende nicht mehr viel Neues zu bieten und verlieren an Witz. Gleichzeitig lebt das Buch aber von seinen Running Gags und so ist es verkraftbar. Aber viel länger hätte es nicht werden dürfen. Ansonsten lässt jeder einzelne Versuch das Publikum anzuheizen, jeder misslungene Flirt und jede anderweitige Peinlichkeit Lesespaß aufkommen.

Heinz Strunk nimmt den Leser mit auf eine Reise von 1985 bis 1997 und verarbeitet auf diese Art das eher wenig glanzvolle Leben als Mitglied einer Tanzband. Das macht er mit viel Zynismus, Ironie und einer kaum zu ertragenden Ehrlichkeit. Obwohl die Sprache sehr pubertär und flapsig wirkt - als säße man am Biertisch mit Freunden -, ist Strunk sehr wortgewandt und scheut es nicht Fachausdrücke oder Fremdwörter zu benutzen. Ein guter Kontrast zu der stark umgangssprachigen Wortwahl. Ganze Sätze werden zu einem Wort geknautscht oder Begriffe genutzt, die wohl nur Leute aus dem gleichen Ort und der gleichen Zeit kennen, aber statt zu stören, unterstreicht es die Glaubwürdigkeit der Geschichte. Strunk beschönigt nichts und bleibt sich selbst treu.

Was wirklich sehr gelungen ist, sind die Lieder der 60er, 70er und 80er, die beiläufig aber auf den Punkt genau platziert wurden. Zwar werden besonders junge Leser, wenn sie sich nicht zufällig eben dieser Musik widmen, keine Ahnung haben, wie die Melodie der Lyrics geht, aber es finden sich doch einige Klassiker und man erwischt sich mit einem nervigen Ohrwurm, nachdem man das Buch weggelegt hat. Und Leser, die zu Heinz Strunks Zeit genau auf solchen Festen feierten, werden nostalgische Momente haben.


Fazit

Fleisch ist mein Gemüse glänzt wie die Sakkos von Heinz „Heinzer“ Strunks Tanzband Tiffanys, mit zynischen Sprüchen und Charakteren, die vor Verlierer-Klischees nur so triefen, aber sicherlich so oder ähnlich auf der Bühne gestanden haben. Die ländliche, deutsche Variante zu amerikanischen Loser-Filmen.


Pro und Kontra

+ zynisch und witzig
+ kurzweilig
+ wortgewandt

- wenig Abwechslung

Beurteilung:

Handlung 2/5
Charaktere: 5/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 4/5