Das Land der verlorenen Träume (Caragh O´Brien)

Hardcover: 462 Seiten, € 16,99
Verlag: Heyne (Februar 2012)
ISBN-13: 978-3453267282

Genre: Science Fiction / Dystopie


Innerer Klappentext

Die sechzehnjährige Gaia Stone, eine junge Hebamme, muss aus ihrer Heimat fliehe - mit nichts als den Kleidern an ihrem Leib und ihrer neugeborenen Schwester im Arm. Ihre Eltern wurde in der Enklave ermordet, die Liebe ihres Lebens verhaftet. Und die zerstörte Welt, in der sie lebt, straft unbarmherzig jede Schwäche. Als ein Fremder sie mitten im Ödland vor dem Verdusten rettet und in seine Siedlung mitnimmt, scheint sie zunächst in Sicherheit - bis die Anführerin des Dorfes Gaia nicht nur die Schwester, sondern auch die Freiheit nimmt. Verzweifelt und entmutigt gibt Gaia beinahe auf. Aber nach und nach kann die junge Hebamme das Vertrauen der Siedler gewinnen, und sie offenbaren ihr das furchtbare Geheimnis des Dorfes: Seit Jahren schon werden immer weniger Mädchen geboren, und nun wird das Dorf von den verbliebenen Frauen regiert, während unter den Männern ein immer hefigerer Kampf entbrennt - was auch Gaia schon bald zu spüren bekommt ...


Rezension

Caragh O´Brien wuchs in Minnesota auf und studierte Literatur und Kreatives Schreiben. Nach dem Studium begann sie als Highschool-Lehrerin zu arbeiten und schrieb mit Die Stadt der verschwundenen Kinderihr erstes Jugendbuch. „Das Land der verlorenen Träume“ setzt die Reise ihrer sechzehnjährigen Protagonistin Gaia nun endlich weiter fort und präsentiert dem Leser ein weiteres Abenteuer in einem Zeitalter voller Abgründe.

>> Dinahs Ausdruck blieb ernst. „Eines musst du verstehen: Heiraten und Kinderkriegen ist hier sehr wichtig für die Frauen. Zehn Kinder sind das erklärte Ziel. Und selbst wenn sie schon zehn haben, kriegen die meisten Frauen noch mehr Kinder. Sie halten es für ihre Pflicht und eine Ehre. Sylum hat grob geschätzt zweitausend Einwohner. Neunzig Prozent davon sind Männer, und das Verhältnis wird mit jeder Generation schlechter. <<

Caragh O´Briens erster Jugendbuchroman und zugleich der Beginn dieser Reihe war düster, dennoch aber voller Hoffnung, Entschlossenheit und Romantik. Wo andere Autoren sich darauf versteiften, den jüngeren Lesern amouröse Liebschaften im Übermaß zu bieten, setzt die amerikanische Autorin auf verständnisvolles Drama und die Schwierigkeiten einer Zeit, in der kaum jemand sein Glück finden kann. So ergeht es auch der sechzehnjährigen Gaia Stone. Der Enklave entronnen, erlebt man diese sympathische Protagonistin in höchster Not. Ihre kleine Schwester stets im Arm, scheint ein Überleben ausgeschlossen. So vieles musste sie bei ihrer Flucht aus der Enklave zurücklassen: wertvollen Proviant, ihre Arbeit als Hebamme, ihre Freunde und Leon. Ein Held, wie man ihn aus solchen Büchern kennt. Dunkel, geheimnisvoll und voller Kraft. Die Erinnerung an ihn nährt Gaias Hoffnung und damit jeden einzelnen Schritt. Mit letzter Kraft erreicht sie Sylum und dort angekommen findet sie nicht nur sogleich neue Feinde, sondern auch einige gutherzige Verehrer. Doch Gaias Schwester wird ihr entrissen und schnell muss man feststellen, dass in Sylum nichts wirklich besser ist. Caragh O´Brien beschreibt ab da eine Gesellschaft, in der Frauen an der Spitze der Macht stehen. Berührungsverbote und andere Gesetze stellen die Männer herab. Viele von ihnen sind zeugungsunfähig und die wenigen Mädchen, die geboren werden, sind zu wichtig, um sie an solche unprofitablen Subjekte zu verlieren. Grund genug für Gaia Stone etwas verbessern zu wollen, nachdem sie sich eingewöhnt hat. Trotz und Willensstärke stehen dabei oftmals im Weg. Es werden Werte vermittelt, bekannte gesellschaftliche Probleme aufgegriffen und letztendlich kommt der Leser nicht umhin die raffinierten, sorgfältig geplanten Verknüpfungen im Handlungsverlauf anzuerkennen.

Alles wirkt durchdacht, dennoch aber liebloser als in „Die Stadt der verschwundenen Kinder“. Fans des ersten Bandes werden sicherlich (immer noch) viele Details und Ausschmückungen vermissen, denn die Autorin geht zu glatt durch das Geschehen. Mehr wäre möglich gewesen, wieder wird Potenzial verschenkt und dennoch kann man diesen Roman kaum zur Seite legen. Zu gerne blättert man um und versinkt in dieser Welt. Leon bald wieder mit von der Partie, kommt natürlich auch die Romantik nicht zu kurz. Schlussendlich muss sich Gaia zwischen drei Männer entscheiden und dieser Umstand, so klischeebelastet er auch sein mag, passt gut zum Hintergrund. Auch stilisch hat die Autorin in diesem Band nicht viel falsch gemacht. Sie schreibt immer noch sehr klar und oftmals schmucklos. Die von ihr erschaffenen Bilder besitzen dennoch Eindringlichkeit und berührende Emotionen. Preis, Cover und Aufmachung entsprechen genau den Erwartungen und tun ihr übriges: diese Reihe ist und bleibt für Fans weniger actiongeladener Dystopien eine willkommene Abwechslung die es wert ist, gelesen zu werden.

Sie konnte Peony nicht verraten. Das Mädchen würde aus dem Mutterhaus verstoßen werden und könnte als Libbie niemals eigene Kinder haben. Gaia würde versprechen müssen, nie wieder eine Schwangerschaft abzubrechen, ungeachtet der Umstände, und dieser Gedanke machte ihr Angst - denn verzweifelte Frauen würden es trotzdem versuchen, in aller Heimlichkeit. Gaia raufte sich die Haare und hatte Trnen in den Augen vor Zorn und Ratlosigkeit. Sie wollte keinen Kampf gegen die Matrarch führen ...

(Seite 144)


Fazit

Auch mit dem zweiten Roman ihrer Reihe weiß Caragh O´Brien jugendliche, oder aber weniger actionverliebte Leser zu überzeugen. „Das Land der verlorenen Träume“ ist ein Roman voll von gesellschaftlichen Problemen, die gelöst werden müssen und bedient sich einem guten Mittelmaß zwischen Vorankommen und emotionaler Besinnlichkeit. Die bisher so liebgewonnen Charaktere enttäuschen nicht und lassen auf eine baldige Fortsetzung warten, die Gaias Kampf um Gerechtigkeit und Glück hoffentlich etwas liebevoller abrunden wird.


Pro & Kontra

+ authentisch erstellte, ehrliche Figuren
+ düsterer Szenario ohne Gewaltorgien
+ wunderbare, liebenswerte Protagonisten
+ guter Spannungsaufbau & schönes Setting
+ in vielen Dingen sehr überraschend
+ schlicht sowie leicht verständlich erzählt

- teils ungenutztes Potenzial
- Fortsetzung wirkt weniger liebevoll

Wertung:

Handlung: 4 / 5
Charaktere: 4,5 / 5
Lesespaß: 4,5 / 5
Preis/Leistung: 4 / 5

Rezension zu "Die Stadt der verschwundenen Kinder" (1)