Türkisch für Anfänger (Detlef Dresslein)



Verlag Kiepenheuer & Witsch
Taschenbuch
220 Seiten; 8,99 EUR
ISBN: 978-3462044300


Genre: Belletristik

Klappentext

Was ist schlimmer als ein Urlaub mit einer berufsjugendlichen Singlemutter in der Midlife-Crisis? Natürlich mit einem türkischen Macho auf einer einsamen Insel zu stranden!

So schlimm hat sich selbst Pessimistin Lena Schneider (19) ihren Urlaub nicht vorgestellt: Mitten im Indischen Ozean stürzt das Flugzeug ab. Ein wahrer Culture-Crash, denn neben Lena strandet noch Macho Cem samt gläubiger Schwester Yagmur und dem stotternden Costa auf der einsamen Insel. Ohne Sonnenschutz, ohne Funkkontak und ohne Ahnung, wie sie mit den Verrückten auf der Insel umgehen soll: Lena kämpft ums Überleben – und um ihre erste große Liebe.


Rezension

Mit den so genannten „Büchern zum Film“ ist es immer so eine Sache. Meistens sind sie nur eine Wiedergabe des Drehbuchs, mehr oder weniger geschickt in Romanform gegossen; sie erinnern den Leser und Filmzuschauer vielleicht an einige witzige, spannende, berührende Momente des Films, einen eigenständigen Wert haben sie in aller Regel nicht. Wirklich interessant wird es dann, wenn man den Film nicht gesehen hat und das Buch deshalb für sich allein stehen muss …

„Türkisch für Anfänger“ fällt für die Rezensentin paradoxerweise zwischen beide Kategorien. Es existiert ein Kinofilm, was ihr bis dato völlig unbekannt war; es existiert aber auch eine Fernsehserie, die vor einiger Zeit im Vorabendprogramm lief. In diese Serie hat die Rezensentin immer mal wieder, und mit ziemlichem Vergnügen, hingezappt. Was den Kinofilm angeht, fehlt also der Vergleichsmaßstab; eins steht aber eindeutig fest: Wer die Serie „Türkisch für Anfänger“ mochte, liegt auch mit dem Buch nicht falsch. Und wer andersherum den skurrilen, überdrehten Humor nie verstanden hat, den Cem, Lena und Konsorten versprühen, dem wird auch das Buch keine Freude machen.

Denn skurril und überdreht sind die Hauptmerkmale des Buchs wie der Serie; der Klappentext macht es schon deutlich. In der Serie geht es um das seltsame Leben und Überleben einer gemischt türkisch-deutschen Patchwork-Familie, einer Versammlung höchst widersprüchlicher, eigenartiger Charaktere, zu der noch etliche seltsame Freunde dazu kommen. Das Buch nun erzählt eine Variante davon, wie sie überhaupt zusammentreffen konnten: Lenas durchgedrehte „berufsjugendliche“ Mutter Doris und Metin, beherrschter, schüchterner, stocksteifer Polizist mit türkischen Wurzeln und Vater von Cem und Yagmur. Und es erzählt gleichzeitig von der seltsamen und unwahrscheinlichen Liebe zwischen Lena und Cem.

Wer nach wirklicher Gesellschaftssatire sucht, wird hier sicher nicht fündig werden. Zu überspannt die Handlung, zu gnadenlos überzeichnet sämtliche Figuren, zu unwahrscheinlich und zu weit von aller Realität entfernt das gesamte Setting. Ein Flugzeugabsturz – eine unbewohnte Insel – Kannibalen …! Dicker auftragen ließ es sich nun wirklich nicht. Und es geschieht beim Lesen auch immer mal wieder, dass man denkt, ein bisschen weniger hätte es schon sein dürfen. Der Geschichte hätte es nicht geschadet. Aber – die meiste Zeit über denkt man gar nicht, sondern man lacht. Und zwar ehrlich und schallend, bis einem der Kaffee aus der Nase sprudelt. Wieviele Bücher gibt es schon, die das zuwege bringen?

In einer der herrlichsten Szenen glaubt zum Beispiel Lena, die Tatsache, dass Cem mit ihr allein im Sonnenuntergang an den Strand gehen möchte, könne ja eigentlich nur eins bedeuten: Ja, genau das! Irgendwelche Erfahrungen mit Sex hat sie bisher nicht gemacht, aber doch so ihre Vorstellungen im Kopf; weshalb sie auch ziemlich verblüfft ist, als Cem sie barsch auffordert: „Du musst dich einfach nur dahin stellen und den Mund halten.“ „Äh“, antwortet Lena, „ich habe mir das immer etwas, nun, interaktiver vorgestellt …“ Was Cem eigentlich im Sinn hat, sei hier nicht verraten, nur so viel: Es wird nicht annähernd so schnulzig-ergreifend, wie es zuerst aussieht …

Was das Handwerkliche des Buchs angeht, liegt es in der Natur der „Film-Bücher“, dass es hier nicht um besondere schriftstellerische Raffinessen gehen kann. Die Geschichte ist aber ordentlich, temporeich und spannend erzählt, und sie klingt auch nicht nach einer bloßen Nacherzählung. Den Film vermisst man an keiner Stelle, die Bilder sind bunt, lebhaft und – überdreht eben, bis zum Anschlag. Wie das ganze wahnsinnige, entsetzlich übertriebene und herrlich komische Buch.


Fazit

Detlef Dresslein bringt in „Türkisch für Anfänger“ genau den skurrilen, überdrehten Humor der gleichnamigen Fernsehserie aufs Papier, der sicher nicht jedermanns Sache ist, aber dem, der sich darauf einlässt, ein paar umwerfend vergnügliche Stunden beschert.


Pro und Kontra

+ Buch funktioniert auch ohne Film / Serie
+ spannend und rasant erzählt
+ sehr komisch
+ nur sehr selten klischeehaft
+ immer wieder überraschend intelligent

0 unglaublich übertrieben – Geschmackssache, die hier aber gut funktioniert

- ein bisschen weniger hätt’s auch getan …

Wertung:

Handlung: 3/5
Charaktere: 4/5
Sprache: 3,5/5
Lesespaß: 5/5
Preis/Leistung: 5/5