Das traurige Ende des Austernjungen und andere Geschichten (Tim Burton)

Quadriga / Lübbe (September 2011)
Hardcover, 128 Seiten, 15,00 EUR
ISBN: 978-3-86995-006-8

Genre: Lyrik


Klappentext

Tim Burton ist ein Mann mit erstaunlichen Talenten. Wie in seinen fantastischen Filmen, die alle längst Kultstatus erlangt haben, bannt er auch in seinem Buch die Dämonen der Kindheit. 23 surreal illustrierte Geschichten in Versform erzählen vom Schicksal unglücklicher Jungen und Mädchen, die sich unendlich nach Liebe sehnen, aber Ausgestoßene bleiben, weil sie den Normen der Erwachsenen nicht entsprechen.

»Geschwulst, Missgeburt, du schändliches Ding!«, schelten die entsetzten Eltern ihren Sohn, der halb als Auster auf die Welt gekommen ist. Anmut und Tragik, Traurigkeit und Schönheit vereinen die anfangs hoffnungsfrohen, schließlich jedoch unglücklichen Wesen, die in Tim Burtons liebevollen, skurrilen Zeichnungen lebendig werden.


Rezension

Tim Burtons Kinofilme haben weltweit Millionen Fans, die sich dem morbiden Charme seiner surrealen Werke nur schwer entziehen können. Seit „Edward mit den Scherenhunden“ ist Tim Burton ein Garant für kreative Geschichten, die die Zuschauer mit ihrem ganz besonderen und oftmals makabren Flair fesseln. Vermutlich werden aber zumindest viele deutsche Filmfans nicht wissen, dass Tim Burton auch Gedichte schreibt – die ebenso schauerlich-bizarr sind wie „Sweeny Tod“, „Corpse Bride“ und „Nichtmare before Christmas“.

Dem Titel entsprechend geht es um das traurige Ende eines Austernjungen, eines der längsten Gedichte in diesem Sammelband. Zunächst mutet die Geschichte um den Austernjungen nur seltsam an, doch schnell offenbart sie eine tragische Komik. Auch anderen Charakteren wird ein übles Schicksal zu teil, wieder anderen geschehen einfach nur groteske Dinge. Beispielsweise verwandelt sich ein Mädchen in ein Bett oder ein junger Mann wird von Vielaugen-Lola unter Wasser gesetzt. Tim Burton schreibt über Glotzaugen, über Stöckchen, die sich in Zündhölzer verlieben oder auch über die Königin der Nadelkissen. Oftmals befinden sich nur wenige Verse auf einer Seite, wodurch das gesamte Buch relativ wenig Inhalt bietet. Lyrikbände sind natürlich auf die reine Wortzahl bezogen meist nicht besonders umfangreich, doch in Tim Burtons Werk werden manche Gedichte über mehrere Seiten gezogen.

Als Ausgleich dazu gibt es zu jedem Gedicht eine oder auch gleich mehrere morbide Zeichnungen, die ein wenig wirken, als hätte ein junger Tim Burton sie in sein Schulheft gekritzelt. Einerseits sehen sie unheimlich kindlich und „gekritzelt“ aus, andererseits ist auch in ihnen der besondere Stil von Tim Burton zu erkennen. Wie auch seine Gedichte sind die Bilder sehr kreativ und offenbaren sich oftmals erst nach ausführlicher Betrachtung dem Leser. Oberflächlich gesehen ist „Das traurige Ende des Austernjungen und andere Geschichten“ ein bizarrer Lyrikband mit Krakelzeichnungen, der zwar in einer edlen Aufmachung daherkommt, aber dessen Inhalt auf den ersten Blick belanglos daherkommt. Sicherlich ist auch das ein oder andere Gedicht recht belanglos, wobei es jene, die den schauderhaften Humor Tim Burtons lieben, bestens unterhalten wird. Über manchen Text kann man lange nachdenken, von vielen kann man sich auch einfach nur überraschen lassen. Denn eines beherrscht Tim Burton geradezu meisterhaft: Auch wenn man seinen Hang zu morbiden Szenarien kennt, so wird man doch immer wieder vom Ausgang der längeren Gedichte überrascht.

In Deutsch lesen sich die meisten der Gedichte recht gut, wobei man die Übersetzung durchaus als gelungen bezeichnen kann. Lyrik lässt sich unheimlich schwer übersetzen und oftmals bleibt der Rhythmus der Gedichte dabei auf der Strecke. Das ist stellenweise auch hier der Fall, wobei sich schlecht sagen lässt, ob die metrischen Brüche von Tim Burton gewollt sind oder sich einfach aus der Übersetzung ergeben haben. Reime sind weitgehend vorhanden, lesen sich aber leicht holprig, wobei auch hier beachtet werden sollte, dass sich Lyrik kaum adäquat übersetzen lässt. Wer Wert auf Authentizität legt, kommt nicht um die englische Originalausgabe herum. Ansonsten kann man auch mit der Übersetzung seine wahre Freude haben!


Fazit

Auch in Versform gelingt es Tim Burton eine makabre und höchst skurrile Atmosphäre zu kreieren, die seinen Animationsfilmen in nichts nachsteht. Seiner Lyrik wohnt eine tragische Komik inne, die sich ebenso in den bizarren Zeichnungen spiegelt. Für Fans von Tim Burton ein Muss!


Pro & Contra

+ bizarre und schaurige Atmosphäre
+ tragische Komik
+ überraschende Auflösungen
+ stimmungsvolle Zeichnungen
+ sehr kreativ

o manchmal relativ „belanglos“

Wertung:

Texte: 4/5
Zeichnungen: 4/5
Lesespaß: 5/5
Preis/Leistung: 3,5/5