Eine unbeliebte Frau (Nele Neuhaus)

Verlag List, Mai 2009
Taschenbuch, 382 Seiten, € 8,95
1. Fall mit Pia Kirchhoff und Oliver von Bodenstein
ISBN 978-3548608877

Genre: Krimi


Klappentext

Eine Ladung Schrot aus dem eigenen Jagdgewehr beschert dem Frankfurter Oberstaatsanwalt ein schnelles, wenn auch sehr hässliches Ende. Die schöne junge Frau, die tot am Fuß eines Aussichtsturms im Taunus liegt, ist viel zu unversehrt, um an den Folgen eines Sturzes gestorben zu sein. Kriminalhauptkommissar Oliver von Bodenstein und seine neue Kollegin Pia Kirchhoff sind sich einig: Der erste Todesfall war ein Selbstmord, der zweite jedoch ein Mord. Bald häufen sich sowohl die Motive als auch die Verdächtigen.


Die Autorin

Nele Neuhaus, geboren 1967 in Münster/Westfalen, lebt seit ihrer Kindheit im Taunus. Sie arbeitete in einer Werbeagentur und studierte Jura, Geschichte und Germanistik. Seit ihrer Heirat unterstützt sie ihren Mann im familieneigenen Betrieb und schreibt schon seit längerem nebenher Krimis und Jugendbücher. Ihre Krimiserie mit den Ermittlern Oliver von Bodenstein und Pia Kirchhoff, die sie zunächst im Selbstverlag veröffentlichte, machte Nele Neuhaus über die Grenzen des Taunus hinweg bekannt.


Rezension

Der erste Krimi mit dem mittlerweile äußerst erfolgreichen Gespann Pia Kirchhoff und Oliver von Bodenstein. Pia hat sich nach 16jähriger Ehe von ihrem Mann, dem Pathologen Henning Kirchhoff, endgültig getrennt. Obwohl sie einige Jahre pausiert hatte, bekommt sie keine Schwierigkeiten, sich in ihre neue Dienststelle einzufügen. Ihr Chef, Oliver von Bodenstein, ist neugierig, wieviel Sachverstand seine neue Kollegin vorweisen kann. Zwei Tote beschäftigen sie erst einmal, der Staatsanwalt Hardenberg, der sich offensichtlich selbst erschoss und Isabel Kerstner, die von einem Aussichtsturm heruntergestürzt ist. Selbstmord? Ein fehlender Schuh, Einkäufe und ein vollgetanktes Auto lassen die Ermittler schnell zweifeln, die Autopsie bringt Gewissheit, es war Mord. Umgebracht durch ein Pferdenarkotikum, was ihren Mann, den Tierarzt Michael Kerstner schnell ins Zentrum der Ermittlungen bringt. Aber nicht nur er hatte ein Motiv, eigentlich gibt es niemanden, der für Isabel ein gutes Wort einlegt, alle scheinen sie zu hassen. Zusammen mit dem Reitlehrer und Gestütsleiter Jagoda hatte sie einen gutgehenden Pferdeverkauf, wobei die Pferde hinterher nie das halten konnten, was sie anfangs versprachen. Sie war rücksichtslos und nahm sich einfach alles, was sie wollte, kein Mann war vor ihr sicher. Wobei sowieso alle handelnden Personen bis auf wenige Ausnahmen irgendeinen Dreck am Stecken haben, Insidergeschäfte, Menschenhandel, Drogengeschäft, Abtreibung, Kindsraub und Gewalt in der Ehe - die Palette ist riesig, die Nele Neuhaus bedient. Leider geht das auf Kosten des roten Fadens, die Story wird einfach zu sehr aufgeplustert, so dass man schon schnell den Überblick verliert, wer denn jetzt alles in welcher Strafsache mit drinsteckt.

Pia und Oliver sind zwei äußerst sympathische Ermittler mit einem Privatleben, was immer mal wieder durch die Geschichte schimmert. Pia hat sich gerade einen Hof gekauft, auf dem sie mit ihren Pferden Ruhe findet und sich von ihrer aufreibenden Ehe erholen kann. Oliver ist phasenweise immer mal wieder alleinerziehend, seine Frau Cosima ist Filmproduzentin und tourt gerne in der Weltgeschichte herum. Er ist im Taunus aufgewachsen, seine Eltern besitzen ein großes Gut, dessen Zukunft ungewiss ist, denn auch hier plagen Geldsorgen und Zerfall die Besitzer. Das Gestüt, auf dem Isabel als ehemalige Turnierreiterin ihre Pferde verkaufte, ist ihm wohlbekannt. In der Gemeinschaftspraxis ihres Ehemannes trifft Oliver auf eine alte Jugendliebe wieder, die Tierärztin Inka Hansen ist aus Amerika wieder da und jetzt schon wittert man, dass es hier bestimmt noch Verwicklungen geben wird, denn auch von ihrer schönen Tochter Thordis ist er äußerst angetan. Allerdings braucht er ziemlich lange, bis er die Verbindung zwischen ihr und Inka herstellen kann, obwohl sie ihn ständig an jemanden erinnert, sieht er die Ähnlichkeit mit Inka nicht. Thordis ist diejenige, die ihm hilfreich zur Seite steht und ihm mehr als einmal folgenschwere Hinweise gibt. Auch sie hat auf dem Reiterhof ein Pferd eingestellt und ist somit bestens mit den Machenschaften und allen Verdächtigen bekannt.

Die Schlussfolgerungsfähigkeit der Ermittler lässt diesmal stark zu wünschen übrig. Nicht nur, dass Oliver die Verbindung von Thordis, die ihm im Reithof hilfreich zur Seite steht, zu Inka nicht sieht, so verlaufen auch manche andere Handlungen einfach im Sande. Das vermisste Kind der Kestners wird überhaupt nicht gesucht, und als bei einem Pferd das Betäubungsmittel nicht wirkt, mit dem Isabel umgebracht wurde, wird einfach eine weitere Ampulle genommen, ohne Rückschlüsse darauf zu ziehen, warum das Mittel vorher nicht gewirkt hat. Die Ermittlungen wirken anfangs recht dilettantisch, man dreht sich zuviel im Kreis, vieles wird nicht hinterfragt oder einfach übersehen. Diese Phase ist auch recht langatmig, ziellos verhören die Ermittler wahllos beteiligte Personen, ohne die richtigen Rückschlüsse zu ziehen. Offensichtliches wird ignoriert, ein Wunder, dass es doch irgendwann Erfolge gibt. Nele Neuhaus hat hier viel gewollt und einfach viel zu viel hineingepackt, zum Schluß wird zwar alles aufgelöst, allerdings geht es dann auf einmal sehr schnell. In wahrer Wildwestmanier kommt es zum Showdown, immerhin hatte man ja genug Auswahl, wer denn nun der Mörder hätte sein können. Immer wieder werden Fährten gelegt, die der Geschichte eine neue Wendung geben, immer mehr Abgründe menschlichen Verlangens tun sich auf. Erschreckend, wieweit alle Verdächtigen miteinander verwoben sind, wer nicht fremdgeht, ist schon fast die Ausnahme.


Fazit

Mit vielem Augenzudrücken ist es ein gelungenes Debüt, besonders, wenn man schon weitere Bände gelesen hat. Stilistisch durchaus packend ist es doch sehr interessant die Anfänge von Pia und Oliver zu verfolgen, noch interessanter, wenn man schon weiß, was alles noch folgt. Die Krimihandlung ist eher nebensächlich, da es viele Straftaten aufzudecken gibt, dazu eine Menge Verdächtiger, von denen sich immer mal wieder jemand mehr verdächtig verhält als andere. Pferde spielen eine große Rolle, sie sind ständig involviert und tragen zu dem besonderen Flair dieses Erstlings maßgebend bei.


Pro und Contra

+ Pia und Oliver
+ vielschichtige und sympathische Charaktere
+ stimmige Atmosphäre
+ fesselnder Erzählstil
+ verschiedene Perspektiven
+ interessante Ereignisse
+ viele abwechslungsreiche Hintergründe
+ nichts ist so, wie es zu sein scheint

- am Ende zuviel Wildwest
- zuviele verschiedene Handlungsstränge
- Personenzahl anfangs etwas unübersichtlich
- fehlendes Kombinationsvermögen

Wertung

Handlung: 3,5/5
Charaktere: 4/5
Lesespaß: 3,5/5
Preis/Leistung: 4/5