Dark Queen - Schwarze Seele, schneeweisses Herz (Kimberly Derting)

Egmont INK (März 2012)
Hardcover mit Schutzumschlag
362 Seiten, 17,99 EUR
ISBN: 978-3-86396-017-9

Genre: Dystopie / Fantasy


Klappentext

In dem von Aufständen erschütterten Königreich Ludania bestimmt die Zugehörigkeit zu einer Klasse, welche Sprache du sprichst – oder verstehst. Wenn du vergisst, wo dein Platz ist, kennen die Gesetze der Königin keine Gnade. Allein auf den Blickkontakt mit gesellschaftlich Höhergestellten steht die Todesstrafe. Die siebzehnjährige Charlaina – kurz Charlie – versteht alle Sprachen, jeden Dialekt. Eine gefährliche Fähigkeit, die sie schon ihr ganzes Leben lang verstecken muss. Nur in den illegalen Clubs im Untergrund der Stadt kann sie das für kurze Zeit vergessen. Dort trifft sie den geheimnisvollen Max, der eine Sprache spricht, die Charlie noch nie gehört hat, und der beinahe ihr Geheimnis entdeckt. Und als die Rebellen die Stadt schließlich überrennen, ist er es, der erkennt, dass Charlie der Schlüssel für ihren Sieg sein könnte. Doch für wen wird Max sich entscheiden, für das Mädchen, das ihn fasziniert, oder für seine Königin?


Rezension

Charlaina, von Familie und Freunden Charlie genannt, wurde in die Kaufmannsklasse geboren und sollte eigentlich nur deren Sprache Parshon und die allgemeine Sprache Englaise sprechen. Doch Charlie vermag jede Sprache auf Anhieb zu verstehen – was sie den Kopf kosten könnte. Denn die Königin verbietet, dass die verschiedenen Klassen die Sprachen der anderen verstehen. Wer das Gesetz bricht, wird mit dem Tode bestraft. Diese Nachricht schallt täglich aus den Lautsprechern, ebenso wie die Aufforderung, verdächtige Nachbarn anzuzeigen. Glücklicherweise ist es Charlie bisher gut gelungen, ihr Talent zu verbergen und wie eine normale Kaufmannstochter zu wirken. Doch als der geheimnisvolle Max in ihr Leben tritt, rückt auch der Krieg bis in ihre Stadt vor – und Charlie verliert vor Angst um ihre Familie, unterdrücktem Zorn auf die Gesetze der Königin und der unheimlichen Anziehungskraft von Max die Kontrolle …

„Dark Queen“ versucht sich als Dystopie und wartet mit einem typischen Klassensystem auf, das durch eine Sprachbarriere gestärkt wird. Die Königin, die ihr Reich mit eiserner Härte regiert, erinnert ein wenig an die Herzkönigin aus „Alice im Wunderland“, die jeden köpfen lässt, der sie auch nur schief anschaut. Auf dem Marktplatz gibt es täglich Hinrichtungen, die vom gemeinen Volk auch noch bejubelt werden. Die Atmosphäre ist angespannt und von Misstrauen durchwoben, denn jeder könnte als nächstes wegen einer belanglosen Kleinigkeit angezeigt werden. Charlie ist die Grausamkeit der Königin zuwider, doch ihr wurde schon zu lange eingetrichtert, die Königin vor allen anderen zu ehren und das System zu akzeptieren. Ein System, dass sie selbst zum potentiellen Todeskandidaten macht. Die Grundidee des Romans, die Sprache als zwischenmenschliche Barriere und Kontrollinstrument einzusetzen, ist extrem interessant und für ein Jugendbuch gut umgesetzt. Charlies Fähigkeit, alle Sprache zu verstehen, macht das Spannungsmoment des Romans aus und setzt eine Kette von Ereignissen in Gang, die die zukünftige Welt verändern.

Womit wir beim Knackpunkt von „Dark Queen“ wären. Fast erscheint es, als hätte man mit dem Roman unbedingt zum aktuellen Dystopientrend passen wollen – doch ein guter Fantasyroman mit Klassengesellschaft hätte vollkommen ausgereicht. Was hingegen nicht reicht, ist eine zukünftige Welt, in der lediglich angedeutet wird, dass es mal riesige Städte wie New York gab und eine Revolution. In den technischen Details zeigt sich Kimberly Derting sehr unsicher und man hegt ernsthafte Zweifel daran, ob sich die Autorin überhaupt nähere Gedanken zu ihrem Weltentwurf gemacht oder einfach nur verschiedene Elemente zusammengewürfelt hat. „Dark Queen“ ist ein wilder Mix aus mittelalterlichem Flair, zweitem Weltkrieg (aus diesem tatsächlich Erfahrungsberichte in die Geschichte eingeflossen sind) und 21tem Jahrhundert. Die Kaufmannsleute kleiden sich in Leinen, Strom gibt es nur für die Reichen. Jeder Bürger muss einen Ausweis bei sich tragen, der gescannt wird, ansonsten sind Lautsprecher die einzige Technik in der Stadt.

Kimberly Derting verpasst den richtigen Moment, um ihre Welt dem Leser begreiflich zu machen – zu lange fallen zu wenige Andeutungen und schließlich macht man sich sein eigenes Bild, zu dem spätere Ausführungen nicht recht passen wollen. Was nicht zu ihrer Zukunftsvision passt, ist die sporadisch vorhandene Magie in der Geschichte. Die fügt sich sehr schön ein, wodurch man schnell zu dem Schluss kommt, dass die Autorin sich lieber stärker auf ihren Fantasyanteil konzentriert hätte, denn in diesem Genre scheint sie sich viel wohler zu fühlen. Hier wäre eine Menge Potential vorhanden gewesen, das vielleicht in den Folgeromanen noch ausgeschöpft wird – denn auch „Dark Queen“ ist ein erster Band, der sich allerdings in sich geschlossen lesen lässt. Sofern man den Epilog nicht liest, der die Story für Folgebände vorbereitet. Dabei wäre es schön gewesen, endlich mal wieder einen Einzelroman in der Hand zu halten.

Die Geschichte selbst ist wie versprochen temporeich, was vor allem an der Kürze des Romans liegt. Für einen in sich stimmigen und detailreichen Weltentwurf hätte es mehr Seiten gebraucht. So allerdings hetzt der Leser von einer Szene zur nächsten. Teilweise kommt es einem vor, als würde die Autorin verschiedene Handlungspunkte abarbeiten, denn es mangelt immer wieder an atmosphärischen Details. Die Welt von „Dark Queen“ ist unheimlich interessant, die Ideen sind an sich sehr gut, doch in der Umsetzung bleibt der Roman durchschnittlich und unspektakulär. Insbesondere die Königin enttäuscht mit ihrer stereotypen Bösartigkeit. Die angeblich so originellen Ideen können sich nicht entfalten und so rettet lediglich die emotionale Spannung zwischen Charlie und Max den Lesespaß. Besonders außergewöhnlich sind die beiden in ihrer Interaktion nicht, doch die neckische Annäherung beschert viele amüsante Momente und die wachsende Verbundenheit geht ans Herz. Zusätzliches Konfliktpotential entsteht durch die Herkunft der beiden, was die Geschichte zu einer dystopisch angehauchten, bittersüßen Romanze werden lässt.

Das Hardcover von INK punktet wie viele andere Bücher aus dem Sortiment mit einer traumhaften Aufmachung, die „Dark Queen“ zu einem Glanzstück im Bücherregal machen. Der Roman sollte in der Buchhandlung auffallen, der Klappentext und der schöne Untertitel „Schwarze Seele, schneeweißes Herz“ sollten ihr Übriges beitragen, um junge Leser zum Kauf zu verleiten. Diese können unabhängig von der etwas zu durchschnittlichen Umsetzung bedenkenlos zugreifen, denn auch wenn es Kriegshandlungen im Roman gibt, verzichtet er auf unnötige Brutalitäten und konzentriert sich auf die Emotionen der Protagonisten.


Fazit

„Dark Queen“ versucht an den Dystopien-Trend anzuknüpfen, hätte sich jedoch besser stärker auf seine Fantasyelemente konzentriert. Denn wo der Weltentwurf unstimmig ist, überzeugt Kimberly Derting mit einer magischen, bittersüßen Liebesgeschichte, die jugendliche Leser durchaus begeistern kann.


Pro & Contra

+ düstere, von Misstrauen geprägte Atmosphäre
+ emotionale Spannung zwischen Charlie und Max
+ Sprache als Barriere und Kontrollinstrument
+ Bedeutung von Freundschaft und Familie
+ interessanter Gesellschaftsentwurf …

- … der jedoch in den Details nicht überzeugt
- Weltentwurf schwammig und unstimmig
- die Königin als stereotype „Böse“

Wertung:

Handlung: 3/5
Charaktere: 3,5/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 3,5/5