Der dunkle Thron (Rebecca Gablé)

Lübbe Ehrenwirth (Dezember 2011)
960 Seiten, 24,99 Euro
ISBN: 978-3431038408

Genre: Historik


Klappentext

London 1529: Nach dem Tod seines Vaters erbt der vierzehnjährige Nick of Waringham eine heruntergewirtschaftete Baronie – und den unversöhnlichen Groll des Königs Henry VIII. Dieser will sich von der katholischen Kirche lossagen, um sich von der Königin scheiden zu lassen. Bal sind die „Papisten“, untern ihnen auch Henrys Tochter Mary, ihres Lebens nicht mehr sicher. Doch in den Wirren der Reformation setzen die Engländer ihre Hoffnungen auf Mary, und Nick schmiedet einen waghalsigen Plan, um die Prinzessin vor ihrem größten Feind zu beschützen: ihrem eigenen Vater …


Rezension

Rebecca Gablé studierte nach mehrjähriger Berufstätigkeit Anglistik und Germanistik mit Schwerpunkt Mediävistik in Düsseldorf. Ihre Forschungsergebnisse flossen in ihre Romane ein, für deren Recherchezwecken sie noch heute immer wieder das geliebte England besucht. Mit „Der dunkle Thron“ legt sie nun, nach „Das Lächeln der Fortuna“, „Die Hüter der Rose“ und „Das Spiel der Könige“ den vierten Band ihrer beliebten Waringham-Reihe vor. Sie setzt damit den Stammbaum der Familie fort und erzählt detailgetreu, wenn auch weniger bemerkenswert als gewohnt, über das England des 16. Jahrhunderts.

>> „Vielleicht sind Männer wie ich so überholt und überflüssig geworden, wie die Schlachtrösser, die meine Vorfahren einst gezüchtet haben. Aber kein Waringham hat sich je einen Tyrannen unterworfen. Und ich schwöre bei Gott, ich werde nicht der erste sein.“ <<

Seit der überraschenden Ankündigung wurde er erwartet: der vierte Band der Waringhams, deren Geschichte eigentlich mit der bisher erschienen Trilogie abgeschlossen schien. Funktionierende Rennpferde werden jedoch nur ungern abgesattelt und eine Top-Autorin wie Rebecca Gable besitzt jedes notwendige Knowhow, um ein zusätzliches, liebevoll gestaltetes Kapitel zu erzählen. Immerhin stolze neunhundertfünfundfünfzig Seiten lang. Dieses Mal im Mittelpunkt: Nick of Waringham. Als nicht immer ausgezeichneter Schüler eines Internats im Haus des Humanisten Sir Thomas More, schlägt er sich mit frecher Zunge durch den Unterricht. Alles scheint für ihn soweit gut zu gehen. Freunde sind vorhanden und die Aussicht auf ein bisschen Glück. Zumindest so lange, bis sein Vater, der Earl of Waringham, verdächtigt wird ein Häretiker zu sein. Nick muss das Internat verlassen, kehrt zurück zu seiner Familie und damit auch zu den sich immer zankenden Stiefschwestern. Dass es mit diesen alles andere als leicht ist, versteht sich von selbst. Auch die Stiefmutter wird zeitweise zum Problem. Doch je fester sich der Strick um den Hals seines Vaters zieht, umso mehr muss Nick etwas gänzlich Schwerwiegenderes erkennen: sein Vater ist Opfer eines politischen Machtspiels geworden mit tödlichem Ausgang. Der Vierzehnjährige erbt daraufhin die desolate Baronie und mit ihr eine scheinbar unstillbare Wut. Alle Zeichen stehen auf Sturm, während König Henry VIII sich seiner ungeliebten Gattin, Catalina von Aragon, entledigt und einen gefährlichen Religionskrieg heraufbeschwört. Ab diesem Zeitpunkt lässt Rebecca Gable eine wunderbare Kulisse des 16. Jahrhunderts entstehen. Eine Tatsache, die, trotz des Vorwissens, erst einmal ungewohnt erscheint. Gerade für eingefleischte Waringham-Liebhaber, in Burgen und Rüstungen, könnte sie zum Problem werden, dafür allerdings bietet die Autorin einen fundierten Ausgleich, denn „Der dunkle Thron“ lebt von interessanten, auch teils moderne Entwicklung der hier präsentierten Zeitepoche. Auch und gerade der Religionskonflikt weiß zu überzeugen, entblößt ebenso Gier wie verachtenswerte Machtspiele. Vorwissen ist dennoch nicht unbedingt fehl am Platz. Manches kann zu Verwirrungen führen, die sich jedoch bei näherem Hinsehen und Reflektieren beinahe von alleine geben. Alles darüber hinaus lässt sich ohne Mühe nachschlagen. Natürlich gibt es auch im Nachwort wieder Gelegenheit, mehr über die Geschichte und Rebecca Gables Meinungen zu erfahren.

Nicht immer ganz gefallen hingegen die Charaktere. Nick of Waringham ist zwar ein sehr auffälliger Protagonist, mit spitzer Zunge, tief verwurzelten Glauben und Mut, dennoch fehlt es ihm immer wieder an Charisma und Entwicklung, besonders im Vergleich zu den Vorreitern. Der Leser beobachtet ihn zu Beginn noch sehr interessiert, warten allerdings vergeblich auf den „Sprung des Funkens“ oder „das“ Erlebnis. Auch manch Antagonisten mangelt es an Format, allem voran den sich zankenden, klischeehaften Schwestern. Ihre ständigen Auseinandersetzungen lähmen, es fehlt an charakterlicher Tiefe, Hintergrund und auch so mancher Handlungsstrang bleibt vorhersehbar. Sich immer kurzzeitig in den Vordergrund stellende, gar merkwürdige Verwandtschaftsverhältnisse irritieren. Bewundernswert allerdings: mit Prinzessin Mary als Charakter im Dreh- und Angelpunkt wurde eine große Portion Mut bewiesen. In die Geschichte eingegangen als „die Blutige“ zeigt sich in „Der dunkle Thron“ ihr Weg zurück an die Macht in vielfältigen, über Jahre ausgefächerten Facetten. Spannung kommt hierbei nicht zu kurz, da es immer wieder gilt, ihrem Vater auf unterschiedlichen Ebenen (indirekt) die Stirn zu bieten. Geschickt wird hierbei das Ende von Lady Anne mit diversen Schicksalsschlägen kombiniert, ohne allerdings nicht auf eine überraschend präsente Schwarz- und Weißmalerei zu verzichten. Wirklich bedauert kann aber nur werden, dass mit Marys Körung der Roman schon sein Ende findet. Flüssig geschrieben und immer wieder mit einer kleinen Prise Humor, verharrt man am Ende einer beträchtlichen Anzahl von Jahren und hofft einmal mehr auf eine (noch mutigere) Fortsetzung. Leider wurden die wirklich dunklen Tage von Mary ausgespart. Auch die Politik in ihren großen Zügen erfährt eine zu unklare Zeichnung. Dennoch aber bietet Rebecca Gable gerade solchen Fans, die auf einen unterhaltsamen Roman hoffen, ohne allzu viel verlangen zu wollen, bestes Kopfkino in beinah gewohnter, sprachlicher Qualität. Eigentlich ein Muss, für Waringham-Leser, die sich allerdings erst einmal gut informieren sollten, um allzu (über)große Erwartungen nicht enttäuscht zu sehen.

Folglich blühten Korruption und Vetternwirtschaft, die Krone strich ein märchenhaftes Vermögen ein, aber niemand von offizieller Seite scherte sich um die Verlierer: Viele der besser betuchten Londoner – ganz gleich ob Reformer oder Papisten – taten, was in ihre Macht stand, um Abhilfe u schaffen. Gilden und Zünfte betrieben Suppenküchen, die Bruderschaft der Juristen sammelte Geld, um ein Hospital zu gründen, und einflussreiche Adelige wie Lady Margaret Pole, die Countess of Salisbury, stifteten Armenhäuser.

(Seite 524)


Fazit

„Der Dunkle Thron“ weiß als vierter Band einer eigentlich abgeschlossen Trilogie durchaus auch zu enttäuschen. Dennoch überwiegen die positiven Aspekte. Das 16. Jahrhundert ist treffend ausgemalt, die wichtigsten Charaktere überzeugen und der Handlungshintergrund mit Prinzessin Mary fungiert wunderbar als Spannungsträger. Für Freunde historischer Unterhaltung bestens geeignet. Ganz kritische Leser, die sich aufgrund des Themas zu viel erwarten könnten, wird allerdings nahegelegt, sich erst einmal ein bisschen zu informieren.


Pro und Kontra:

+ Verflechtungen der Charaktere zu Vorgängern
+ authentische Darstellung von Kultur und Gesellschaft
+ kurzweilig und lesenswert präsentiert
+ ansprechendes Thema (Prinzessin Mary)
+ hochwertiges & edles Hardcover

- nicht so tiefschürfend, wie es sein könnte
- Logiklücken und Schwarz- sowie Weißmalerei
- im Vergleich zu den Vorgängern vielfach schwächer

Extras:

o Lesebändchen
o Illustrationen von Jürgen Speh

Wertung:

Handlung: 3,5 / 5
Charaktere: 3 / 5
Lesespaß: 4 / 5
Preis/Leistung: 4 / 5


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