Literatopia: Hallo Kim! Vergangenes Frühjahr ist bei Thienemann Dein Science Fiction-Roman „Sternenschimmer“ erschienen – kannst Du für unsere Leser umreißen, worum es geht?
Kim Winter: Sternenschimmer spielt in nicht allzuferner Zukunft. Die Irden (so nennen sich die Erdbewohner von nun an) haben inzwischen Kontakt zu einem anderen Planeten. Loduun, der von einem schrecklichen Krieg heimgesucht wird. Lokondra, der Befehlshaber der Ostloduunischen Armee und somit der eigentliche Aggressor, scheint es, warum auch immer, in erster Linie auf die Kinder der von ihm bekämpften Clans abgesehen zu haben. Deshalb schickt die Erde Raumschiffe nach Loduun, um Flüchtlingskinder aufzunehmen. In diesem Szenario bewegt sich Mia, die Protagonistin. Sie ist eine ehrenamtliche Helferin, die diese Kinder betreut. Mit ihnen kommt Mia von Anfang an gut zurecht und bald schon schließen sie sich gegenseitig ins Herz. Kompliziert ist es hingegen mit Iason, einem achtzehnjährigen Loduuner, der als gejagter Rebell ebenfalls von Loduun fliehen musste.
Mia fühlt sich auf geradezu unheimliche Weise zu ihm hingezogen. Doch er begegnet ihr zunächst sehr schroff und unnahbar. Aber langsam entwickelt sich zwischen den beiden eine Liebe die alle drei Bände hindurch immer wieder auf kulturbedingte Grenzen stößt. Denn auch wenn die Loduuner optisch den Irden verblüffend ähneln, so sind sie ihnen in vielen Verhaltensweisen alles andere als ähnlich. Loduuner sind absolut rational und vernunftgesteuert. Liebe, Kunst und Fantasie sind ihnen völlig fremde Begriffe. Und dann gibt es da noch den eklatanten Unterschied der eigentlichen Daseinsberechtigung. Loduuner haben einen Sinn, für den sie leben und auch sterben.
Bald schon findet Mia heraus, dass sie weit mehr mit Iason verbindet, als sie je angenommen hätte und sie gerät in eine gefährliche Situation, die ihr gesamtes Leben auf den Kopf stellt.
Literatopia: Wie sieht Deine Welt von morgen aus? Was hat sich verändert? Und auf welche aktuellen Entwicklungen nimmst Du Bezug in Deinem Roman?
Kim Winter: Mir war in Sternenschimmer daran gelegen, “Die Erde von Morgen“ möglichst realistisch wirken zu lassen, was zunächst einmal einiger Recherchen, wie z.B. Klimaerwärmung, Ozon und in die unterschiedlichen Evolutionsprognosen der Gesellschaft bedurfte. Ob es dann so kommt, werden wir sehen. Nach der Klimakatastrophe mussten die Menschen zusammenrücken. Grenzen gibt es nicht mehr und die Menschen leben auf engem Raum, weil große Landflächen ausgetrocknet oder überschwemmt wurden. Angelehnt an die Entwicklung Australiens, schützen Glaskuppeln über den neuen Städten die Menschen vor den starken Ozonwerten und diese werden nur dann geöffnet, wenn die Ozonwerte es zulassen. Die Erde stand kurz vor dem Untergang und die Menschen haben im letzten, aber im allerletzten Moment begriffen, dass sie ihre Spezies nur retten können, wenn sie ihre Haltung zur Umwelt ändern. Deshalb hat sich die Technik hauptsächlich in diesem Bereich weiterentwickelt. Typische Merkmale sind: Elektroflugschiffe, energiesparendes Wohnen, Alternativen der Energiegewinnung im Allgemeinen usw. Die eigentliche Veränderung aber betrifft die Menschen selbst, denn es hat ein ganz wesentliches Umdenken stattgefunden. Aufgrund der vordergründigen Umweltkatastrophen und den damit einhergehenden Problemen sind kulturell bedingte Konflikte nebensächlich geworden. Kriege kennen die Irden schon lange nicht mehr.
Literatopia: Erzähl uns doch etwas über den Planeten Loduun. Wie war diese Welt vor dem Krieg, der die Kinder Loduuns Zuflucht auf der Erde suchen lässt?
Kim Winter: Viel kann ich dazu leider nichts sagen, da ich ihn in Band III genauer vorstellen werde. Zumindest sollte auch Iasons Welt nicht vollkommen absurd klingen. Wenn man bedenkt, dass fast jeder Stern eine Sonne mit einem eigenen Planetensystem ist und demzufolge die Wahrscheinlichkeit sehr hoch ist, im Weltall auf weiteres Leben zu stoßen, dann könnte es auch einen Zwergplaneten wie Loduun wirklich geben, und er wäre theoretisch zu orten, wenn sich unsere Technik weiterentwickelt. Wer weiß, vielleicht gibt es jemanden wie Iason tatsächlich irgendwo in unserem Weltall :)
Literatopia: In „Sternenschimmer“ kommt auch die Romantik nicht zu kurz. Nach all den Vampirromanzen und Fantasywesen – denkst Du, jetzt ist die Zeit der romantischen Science Fiction angebrochen?
Kim Winter: Anfangs war es gar nicht mein Streben und Sinnen gewesen, eine Liebesgeschichte zu schreiben. Aber um kulturbedingte Unterschiede aufzuweisen, eignete sich die Liebe sehr gut. In welcher anderen Beziehung stehen sich zwei Personen näher? Wie könnte man sich besser kennenlernen und zudem entdecken, wie unterschiedlich man wirklich ist? Und allen Umständen zum Trotz: Wo findet man mehr Motivation, für ein Wir zu kämpfen? Deshalb entschied ich mich, eine Liebesgeschichte in Sternenschimmer zu verankern. Okay, und die ist dann ziemlich ausgeufert.
Literatopia: Warum hast Du Dich persönlich für ein Science Fiction-Setting entschieden? Und wie ausführlich hast Du Dich zuvor mit dem Thema Science Fiction beschäftigt?
Kim Winter: Ich habe mich zuvor ausgesprochen wenig für klassische Science-Fiction interessiert, noch nie einen Roman in diese Richtung ganz zu Ende gelesen und die StarWars Filme kenne ich auch erst seit Kurzem, weil unser Sohn mich bat, sie mit ihm gemeinsam anzuschauen. Sterne und andere Planeten haben mich aber schon immer fasziniert. Aber meinen dahingehenden Wissensdrang habe ich mit Sachliteratur und Dokumentationen gestillt. Nicht, weil ich SciFi-Romane ablehne, sondern weil ich mit den ganzen technischen Aspekten in vielen dieser Geschichten trotz der Erklärungen oft hoffnungslos überfordert bin. Mit Dystopien ist das etwas anderes, die lese ich neuerdings schon ab und zu.
Seit ich an der Sternentrilogie arbeite, hat sich meine diesbezügliche Haltung allerdings verändert. Obgleich ich techniklastigen SciFi-Geschichten noch immer nicht viel abgewinnen kann – ich kapier ja noch nicht einmal mein Smartphone! Aber vielleicht ist es gerade das, was Sternenschimmer zu einem etwas anderen SciFi Roman werden ließ. Ich bin noch nicht so vorbelastet.
Literatopia: Iason ist Dein männlicher Protagonist von einem anderen Stern. Was wirkt menschlich an ihm und was eher nicht? Anfangs wirkt er recht in sich gekehrt und ernst – wird er im Laufe der Geschichte auftauen?
Kim Winter: Iason musste durch seine Kriegserlebnisse sehr früh erwachsen werden und er braucht Zeit, bis er wirklich Vertrauen zu Mia fassen und sich ihr gegenüber öffnen kann. Aber der Achtzehnjährige schlummert in ihm und Mia mit ihrer impulsiven und herzlichen Art tut alles Erdenkliche dafür, diesen aus ihm herauszukitzeln.
Was anders an ihm ist? Nun, seine gesamte Kultur. Er sieht, riecht, denkt und fühlt anders. Sternenschimmer ist so aufgebaut, dass der Leser Iason scheibchenweise gemeinsam mit Mia kennen und verstehen lernt. Der Roman soll Fremde und Annäherung beschreiben, ein aktuelles Thema also.
Literatopia: Deine Protagonistin Mia ist sozial sehr engagiert und hat keine Vorurteile gegenüber den Loduunern. Wie würdest Du Mias Charakter beschreiben? Und wie reagieren die anderen Menschen auf die Kinder von Loduun?
Kim Winter: Sie hat schon Vorurteile, nur empfindet sie deswegen keine Abneigung den Loduunern gegenüber. Sie ist eine emotionsgesteuerte, mutige Siebzehnjährige, die sich auf Fremdes einlassen kann und die Loduuner tatkräftig kennen lernen will, weil sie in der Lage ist, sich von ihrem Herzen treiben zu lassen und nicht jede ihrer Handlungen bis ins Detail durchdenkt. Das bringt sie zwar ab und an in verzwickte Situationen, aber sie besitzt auch genügend Kraft und Hoffnung, um sich da wieder heraushangeln, meistens jedenfalls.
Literatopia: Bei „Sternenschimmer“ hast Du Dich für die Ich-Perspektive entschieden – warum? Denkst Du, es fällt so den Lesern leichter, mit der Protagonistin mitzufühlen?
Kim Winter: Diese Entscheidung war rein intuitiv. Aber wenn ich genauer über Deine Frage nachdenke, ich glaube es hat auch mir selbst geholfen, mich besser in Mia einzufühlen.
Literatopia: „Sternenschimmer“ kommt bei den Lesern unheimlich gut an, zumindest wenn man die Reaktionen auf amazon anschaut. Freust Du Dich über diese positive Resonanz? Oder schaust Du Dir die Bewertungen lieber gar nicht an, weil sie Dich vom neuen Roman ablenken könnten?
Kim Winter: Natürlich freut mich die Reaktion sehr, sehr, sehr! Und es ist mir auch ein Bedürfnis, für meine Leser da zu sein. Sie sind einfach so toll mit ihrem Lob, ihren Ideen und ihrer konstruktiven Kritik. Aber Du hast recht, heutzutage muss man aufpassen, nicht vom Netz eingesogen und verschluckt zu werden. Die Verleitung ist groß. Deshalb verordne ich mir auch immer wieder feste Schreibblöcke. Das tut mir gut, um mich zu sammeln, und meinen Büchern, aktuell ist das Band III der Sternentrilogie, tut es auch gut. Wenn ich erst mal wieder in die Geschichte eintauchen konnte, bin ich bald schon so besessen davon, dass ich mich, was meine Netzaktivitäten angeht, sehr gut disziplinieren kann und eher abends ab und an mal nachschaue.
Literatopia: Planst Du Deine Geschichten eigentlich von Anfang bis Ende durch – inklusive ausführlicher Notizen? Oder legst Du Dir lediglich den groben Handlungsverlauf zurecht und lässt Dich ansonsten während dem Schreiben überraschen?
Kim Winter: Meine Absicht war es jedes Mal, mit Konzept zu schreiben, aber irgendwann machen sich die Figuren selbstständig und mein Unterbewusstsein diktiert mir, was ich schreiben soll. Das hat unter anderem dazu geführt, dass das Manuskript von Sternenschimmer ursprünglich 1500 und das von Sternensturm fast 2000 Seiten umfasste. Viele Szenen lagen in drei Varianten vor, meine Variante, Mias Variante und Iasons Variante. Aber auch nachdem ich mich an diesen Stellen jeweils für eine dieser Szenen entschieden hatte, waren die Skripte noch immer deutlich über dem Umfang, den ein Jugendbuch haben sollte. Also setzte ich mich ans Kürzen. Mal schauen, wie es diesmal wird.
Literatopia: Wie bist Du eigentlich bei Thienemann gelandet? Hast Du selbst Manuskripte an Verlage versandt oder lief alles über eine Agentur?
Kim Winter: Das lief über meine Agentin Alexandra Rak. Es ohne Agentur zu versuchen, halte ich für sehr schwer. Jährlich erreichen tausende an Skripten die Verlage, es ist einfach unmöglich, in alle einzulesen.
Literatopia: Wann hast Du eigentlich mit dem Schreiben begonnen? Hast Du schon von Kindheit an kleine Geschichten verfasst oder musstest Du diese Leidenschaft erst für Dich entdecken?
Kim Winter: Schon als Kind habe ich mit meiner Großmutter Gedichte und kleine Geschichten geschrieben. Sie hat mich immer unterstützt. Leider ist sie kurz, nachdem Sternenschimmer von Thienemann angenommen wurde und ich ihr das fertige Script vorgelesen hatte, verstorben. Aber wenigstens hat sie das noch mitbekommen. So, wie ich sie kenne, wollte sie das auch noch mitbekommen, denn lange Zeit habe ich mich gar nicht getraut, an einen Verlag heranzutreten, auch wenn sie immer versucht hat, mich dazu zu ermutigen.
Literatopia: Findest Du eigentlich noch Zeit zum Lesen? Welche Genres tummeln sich in Deinem Bücherregal? Und gibt es vielleicht ein Buch, das Du unseren Lesern besonders ans Herz legen möchtest?
Kim Winter: Zum Lesen komme ich derzeit leider viel zu wenig. Aber ab und an lege ich alles beiseite und gönne mir den Genuss. Ich bin ein großer Fan von Markus Zusak und Matt Ruff, aber eigentlich lese ich alles querbeet, was mir in die Finger kommt, bis auf SciFi, in die Richtung schreibe ich wie gesagt lieber. Allerdings … wenn die Sternentrilogie fertig ist, könnte ich mir vorstellen, dass ich in diesem Genre doch mal stöbere. Du merkst, inzwischen bin ich dahingehend dann doch angefixt. Grundsätzlich aber gilt: Für ein gutes Buch würde ich jeden Film sausen lassen.
Literatopia: Im Mai geht es weiter mit „Sternensturm“ – kannst Du uns schon etwas darüber verraten? Was wird uns darüber hinaus dieses Jahr von Dir erwarten? Wird man Dich irgendwo live erleben können?
Kim Winter: Ich versuche jedem Band, eine eigene Atmosphäre zu verleihen. Nachdem Sternenschimmer eher mit ruhigen Tönen überzeugen sollte, verlässt Sternensturm die Oberfläche des sich Kennenlernens und die Grenzen an die Mia und Iason stoßen werden härter. Auch Mias Blick durch die rosa Brille klärt sich langsam auf, was sie zwar manchmal schockiert, aber ihr Verliebtsein auch zu wahrer Liebe reifen lässt. Wie im wahren Leben eben. Es wird auch der deutlich actionreichere Teil sein.
In nächster Zeit sind zwei Lesungen angedacht, aber die genauen Termine stehen noch nicht fest. Ich werde sie aber baldmöglichst auf meiner Facebookseite posten. Ansonsten werde ich dieses Jahr meine gesamte Energie in einen gebührenden Abschluss der Sternentrilogie stecken. Mein Ziel ist, dass dieser letzte Band zumindest für mich persönlich zum besten von allen wird und momentan bin ich auf einem guten Weg dorthin, wie ich finde.
Literatopia: Herzlichen Dank für das ausführliche Interview, Kim!
Autorenfoto: Copyright by Claudia Geipel
Rezension zu "Sternenschimmer" (Band 1)
Rezension zu "Sternensturm" (Band 2)