Das Artefakt (Andreas Brandhorst)

Verlag: Heyne (Januar2012)
Taschenbuch: 656 Seiten, € 14,99 
Sprache: Deutsch
ISBN-13: 978-3453528659

Genre: Science Fiction


Klappentext

Dies ist die letzte Chance der Menschheit: Nachdem sie eine interstellare Katastrophe verursacht haben, die nur durch das Eingreifen der Hohen Mächte eingedämmt werden konnte, müssen die Menschen innerhalb von 600 Jahren beweisen, dass sie zu dauerhaftem Frieden fähig sind. Und das Vorhaben der Menschen scheint unter einem guten Stern zu stehen: Der Planet Heraklon wird zum Zentrum des Friedens und der Diplomatie. Doch dann taucht ein uraltes Artefakt auf, so mächtig, dass es den Technologien der Hohen Mächte ebenbürtig ist – und der Krieg beginnt aufs Neue ...


Rezension

Rahil Tennerit, Agent der Ägide, bekommt auf einer Raumstation einen neuen Köper, nachdem ihn sein letzter Auftrag auf dem Planeten Heraklon das Leben gekostet hat. Allerdings sind die übertragenen Erinnerungen nur bruchstückhaft, doch er weiß, dass er seine Mission erfüllen muß: Das Geheimnis des Artefaktes auf Heraklon entschlüsseln, nur  alle genaueren Umstände bleiben im Dunkeln. Die Suche nach dem Artefakt wird für ihn auch eine Suche nach sich selbst, wobei kein geringerer Preis als die Zukunft der Menschheit auf dem Spiel steht – und einige geheimnisvolle Mächte am Werk sind, die anscheinend einen Erfolg Rahils um jeden Preis zu verhindern suchen ...

Es ist nicht leicht, ein ganzes Universum unter einen Hut, beziehungsweise in ein einzelnes Buch zu bekommen, Brandhorst hat sich hier viel vorgenommen – und leider hat es nicht immer optimal funktioniert. Das liegt zum großen Teil an der Vorgeschichte, faszinierende Ereignisse galaktischer Ausmaße, an welche die Handlung des Buches unmittelbar anknüpft. Damit der Leser sämtliche Zusammenhänge und Hintergründe verstehen kann, muß sehr häufig sehr vieles ausführlich erklärt werden, was empfindlich zu Lasten des Spannungsbogens geht. Es entstehen auf diese Weise diverse Längen, und zu oft der Eindruck, dass die Story jedes Mal, wenn sie gerade Fahrt aufnimmt, von einem mehr oder weniger ausgedehnten Erklärstrang ausgebremst wird.
Viele der damaligen Ereignisse klingen auch so interessant, dass man sie als Leser gerne aus erster Hand mitverfolgt und nicht in Berichtform quasi nachgereicht bekommen hätte.

Das Buch ist verschachtelt gestaltet und gliedert sich in drei Teile: Einmal Rahils ‚Wiedererweckung’ und seinen Weg nach Heraklon, der zweite Teil springt in einer Rückblende in Rahils Kindheit und beschreibt die Umstände, die ihn vor seinem Vater und von seiner Heimatwelt fliehen und zum Agenten der Ägide werden ließen, während im dritten Teil die Suche ein Ende findet, sowohl die materielle nach dem Artefakt, als auch diejenige des Protagonisten im spirituellen Bereich.
Obwohl die Grundidee des Plots an sich sehr einfach ist, erwarten den Leser spannende Geschehnisse und auch die eine oder andere überraschende Wendung; und die Erkenntnis, dass nichts so ist, wie es auf den ersten Blick zu sein scheint.
Wie man es von Brandhorst gewohnt ist, erscheint die Flut von technischen Begriffen, einzelnen Welten und exotischer Spezies beinahe erschlagend, das 16 – Seitige Glossar am Ende hat seine Daseinsberechtigung! Dennoch ist es nicht ganz einfach, in alledem den Überblick zu behalten und es erscheint insgesamt etwas überladen und zuviel des Guten. Von allem etwas weniger und das dafür ausführlicher wäre hier entschieden mehr gewesen.
Auch die Frage nach dem Tod und wie man ihn überwinden kann, ein zentrales Thema in Brandhorst Werken, nimmt eine wichtige Position ein, ebenso ist die Suche des Protagonisten nach äußeren Dingen wieder als eine Art von Dualität konzipiert, bei der er gleichzeitig eine Reise in sein eigenes Ich anzutreten hat. Eine gelungene Mischung, die der Story mehr Tiefe verleiht.

Bei Rahil Tennerit, der nicht nur die Funktion des Protagonisten innehat, sondern zudem auch den Dreh- und Angelpunkt der Story bildet, ist es dem Autor nicht wirklich gelungen, ihn dem Leser nahe zu bringen. Seine Person bleibt farblos, seine Persönlichkeit distanziert, er wirkt, als verfüge er nur über ein Minimum an Gefühlsleben. Möglicherweise liegt das auch an seinem Kampfanzug, der seinen Träger von allen ablenkenden Gedanken und Empfindungen bewahrt – eine in gefährlichen Einsätzen sicher äußerst nützliche Eigenschaft, jedoch als Identifikationshilfe für den Leser eher kontraproduktiv. Rahil hat zudem einen Hang zu langen Monologen, was sich auf Dauer störend bemerkbar macht.
Auch die übrigen Figuren wirken, mit Ausnahme von Rahils ehemaliger Gefährtin, die aber nur einen kurzen Auftritt hat, eher blass und hölzern.

Das Ende, das die Frage nach moralischer Vertretbarkeit und Auswirkungen von Hilfe einer überlegenen Zivilisation gegenüber einer unterlegenen thematisiert, wirkt einerseits schlüssig und gelungen, weist zum anderen aber auch ein wenig naiv anmutende Gedankengänge und belehrende Untertöne auf.


Fazit

Unverkennbar ein echter Brandhorst, der diesmal ein bißchen zuviel gewollt und seinen Roman mit zu vielen Einzelheiten überladen hat, wodurch die Story insgesamt etwas verzettelt wirkt.


 Pro & Kontra

+ gut durchdachter Plot
+ viele interessante Ideen
+ wesentliche Denkansätze wurden gut umgesetzt
+ einige überraschende Wendungen
+ Glossar am Ende des Buches

o keine Raumschlachten
o sehr verschachtelte und komplexe Handlung
o extrem techniklastik

- Charaktere farblos und distanziert
- Protagonist mit Hang zur Geschwätzigkeit
- zu viele Erzählungen und Berichte aus zweiter Hand
- durch zu viele verschiedene Welten, Völker etc. überladen
- viele vielversprechende Ansätze verlaufen im Nichts
- es hat einige Längen
- Erzählfluß streckenweise sehr statisch
- Ende erscheint ein wenig naiv

Wertung:

Handlung: 3/5
Charaktere: 2,5/5
Lesespaß: 2,5/5
Preis/Leistung: 4/5


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