Kraa - das verlorene Tal (Benoît Sokal)

comic kraa-das verlorene tal

Splitter Verlag; 1. Auflage März 2012
Hardcover, 92 Seiten
Übersetzer: Resel Rebiersch
Preis: 19,80,- [D]; 20,40;- [A]
ISBN: 978-3-86869-209-9

Genre: Fantasy/ Abenteuer/ Historik


Klappentext

… Ohne Mitgefühl, ohne Emotion …

Der Geist meines Bruders ist kalt wie Stein …

Unerwartet zuschlagen und rasch töten.

Und einer verletzten Beute keine Verschnaufpause lassen …


Rezension

Der belgische Zeichner Benoît Sokal ist nicht nur Kennern der Comicszene ein Begriff, denn er war auch unter anderem verantwortlicher Art Director für das preisgekrönte Adventure Spiel Syberia. Sokal ist bekannt für seine mitreißende Detailverliebtheit, die sich auch in seinem neusten Werk Kraa – das verlorene Tal (Band 1 von 2) finden lässt.

Die Hauptfigur in Kraa ist ein junger Königsadler. Dementsprechend wirken viele der Texte geradezu abschreckend kaltschnäuzig, in ihrer emotionslosen Art aber durchaus naturnah.

»Heute Morgen ist mein Bruder aus dem Nest gefallen. Besser er als ich …

Ein guter Start ins Leben ist wichtig! Schön, dass meine Eltern sich nun ganz um mich kümmern können, so werde ich besser ernährt und beschützt. Es ist wichtig, dass man beim Start ins Leben von fürsorglichen Verwandten umgeben ist.

In den ersten Wochen meiner Existenz war mein Bruder mein Klon. Mein Ersatz für den Fall, dass mir etwas zustieße. Jetzt bin ich zwei Monate alt, und mir ist nichts passiert. Also habe ich meinen Bruder über den Rand gestoßen … « (Seite 1)

Kraa kennt nur ein Ziel: Überleben. Jegliche Konkurrenz gehört ausgeschaltet. Dazu gehört auch der Bruder. Dass dieser nun als Futterneider ausgeschaltet ist, bringt Kraa jedoch wenig, denn seine Eltern sind verschollen. Allein gelassen, bleibt dem Adler nur, das Nest zu verlassen und selbst zu jagen. Sein unbändiger Wille sowie die Größe, die auch ein junger Königsadler bereits mit sich bringt, sorgen für den nötigen Jagderfolg, wobei er von dem Indianerjungen Yuma und dessen Großvater fasziniert beobachtet wird. Yuma fühlt eine eigenartige Verbundenheit zu dem Vogel und setzt alles daran, diesen im Auge zu behalten, um notfalls zu Hilfe eilen zu können.

Zur gleichen Zeit ziehen dunkle Wolken am Horizont auf, die für jeden der beiden andere Bedrohungen mit sich bringen. Weiße, angetrieben vom Goldrausch, dringen in das Tal vor. Klimaveränderungen und fortschreitende Technik ermöglichen es den Einwanderern, Alaska zu erobern. Dort, wo Kraas Tal ist, soll bald ein Stausee die neue Stadt Klontown versorgen. Kraa ist der Erste, der auf die neue Bedrohung trifft. Als die Weißen sein Wild jagen, sieht er sich zum Handeln gezwungen, wird aber im Kampf angeschossen. Yuma rettet das verwundete Tier und bringt es zurück in sein Nest, welches hinter einem Wasserfall liegt. Die Bindung zwischen den beiden wird immer enger. Sogar Kraa sieht in dem Jungen die Wiedergeburt seines toten Bruders.

Als Yuma auszieht, um Futter für den Adler zu jagen, erschüttern Schüsse das Tal. Obwohl er alles daran setzt, erreicht er sein Dorf zu spät. Weil sein Stamm das Tal nicht verlassen wollte, haben die weißen Eindringlinge ihn abgeschlachtet. Zusammen mit dem Adler, mit dem er mittlerweile sogar in Gedanken in Kontakt steht, lebt er nun für ein Ziel: Rache!

Die fast schon mystische Verbundenheit zu Tieren, das Abschlachten von Indianern sowie die Vernichtung der Natur zum Wohle des Fortschritts – all dies sind bekannte Themen. Durch die emotionslose Sicht des Adlers und Sokals grandiose Zeichnungen, die nicht nur im Kleinen durch detaillierte Gesichtszüge und Kraas ausgestaltetes Federkleid bestechen, sondern auch die Landschaft des Tals malerisch darstellen, erhält die Geschichte aber ein interessantes neues Gewand. Der Belgier beweist einmal mehr, warum er zu den Größen seiner Kaste gehört. Im Alleingang kreiert er ein Abenteuer aus Gewalt und Rache, die durch die besondere Verbindung von Kraa und Yuma eine bestechende Note erhält.

Kraa und Yuma sind hierbei auch wirklich die interessanten Charaktere, denn leider sind die weißen Einwanderer etwas zu einseitig böse gestaltet. Das ist sehr schade, denn gerade in seinen Computerspielen bewies Sokal bisher, wie differenziert er Figuren gestalten kann. So geht auch Yumas Menschlichkeit bald im Sog der Rache verloren, und wo Kraa am Anfang noch rein und wild war, herrschen bald nur noch blutige Grautöne.

Eine Wandlung, die sich auch in den Zeichnungen vollzieht. Ob nun die Brutalität von Kraas Jagdverhalten oder die Morde der Weißen – Gewalt gibt es reichlich. Die dunklen, dreckigen Töne, die die Welt der Menschen charakterisieren, bieten jedoch einen wunderschönen Kontrast zum verlorenen Tal, so dass sich ein stimmungsvolles Gesamtkonzept ergibt.


Fazit

Die Eroberung des wilden Westens einmal anders, denn in Kraa – Das verlorene Tal bedient sich Starzeichner Benoît Sokal der Sicht eines Adlers. Zusammen mit dem Indianderjungen Yuma gilt es die Vernichtung seines Tals aufzuhalten und die Geister der getöteten Ureinwohner zu rächen. En detail kreiert Sokal in den 87 Seiten eine Welt, die nicht nur zu unterhalten weiß, sondern auch das Auge begeistert. Gäbe es nicht die etwas farblosen Antagonisten, so wäre Kraa ein perfekter Comic. Dennoch sind wir gespannt auf den Abschluss der Geschichte.


Pro & Kontra

+ Zeichenstil von Benoît Sokal

+ Kraas Sicht der Welt
 

o bekannte Geschichte

- wenig ausdifferenzierte Gegenspieler

Wertung: alt

Handlung: 4,5/5
Charaktere: 4/5
Zeichnung: 5/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 5/5


Literatopia-Links zu weiteren Titeln von Benoit Sokal:

Rezension zu Aquarica Bd.1