Das Schloss der stummen Schreie (Muñoz, Tirso, Montes)

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Verlag: Ehapa Comic Collection - Egmont Manga & Anime; Auflage: 1 (Dezember 2011)
Gebundene Ausgabe: 176 Seiten; 39,95 €
ISBN-13: 978-3770433230

Genre: Horror, Grusel


Klappentext

Jeder Ort besitzt seine Geheimnisse ...
wenn man bereit ist, sie zu hören.

Im Jahre 1949, irgendwo in Mitteleuropa steht ein geheimnisvolles Herrenhaus, ein Waisenhaus für Kinder. Sie werden einem Virus ausgesetzt, durch den sie grausame Verwandlungen durchmachen ...


Rezension

Die kleine Sarah wacht eines Tages in einem ihr unbekannten Zimmer auf, angeschlossen an einen Tropf und allein. Als sie den Ort erkunden will, wird sie von zwei Erwachsenen betäubt. Nach abermaligem Erwachen erfährt sie dann zumindest etwas über ihre Lage. Dagmar, eine Ärztin in dem alten Herrenhaus, erzählt ihr, sie wäre einem von Nazis geschaffenem Virus ausgesetzt gewesen, der ihre Eltern und ihre Schwester getötet habe. Sarah will ihr aber nicht so recht glauben, da sie meint, sich an ein Monster erinnern zu können. Die Medikamente, die ihr Dagmar gegen den Virus gibt, nimmt sie aber trotzdem an. In der Nacht sieht sie, wie ein totes Kind über den Hof des Schlosses getragen wird. Ein weiterer Toter des Virus? Kurz darauf erscheint auch schon Milos in ihrem Zimmer. Von ihm erfährt sie von weiteren Kindern im Schloss, die ebenso wie sie relativ isoliert untergebracht sind. Doch nachts treffen sie sich in einem abgelegenen Teil des Schlosses und reden miteinander, tauschen sich aus. Es sind Geheimtreffen, von denen die Erwachsenen nichts wissen dürfen. Aus diesem Grund begeben sie sich auch auf geheimen Wegen zu ihrem Treffpunkt. Mit der Zeit stellt sich heraus, dass jedes einzelne Kind eine ähnliche Geschichte von Monstern erzählen kann.
So ist Sarah nicht sonderlich überrascht, als sie eine Stimme in ihrem Kopf vernimmt, die sie durchs Schloss leitet und eine grausige Entdeckung machen lässt. Inwiefern der Besitzer der Stimme die Wahrheit spricht, kann sie allerdings nicht beurteilen. Dafür sind die Fronten zwischen dem Schloss und dem Besitzer der Stimme seit Jahrhunderten verhärtet. Dennoch vertraut sie zunächst Demian, dessen Stimme es ist, und so wird sie in einen Kampf zwischen Monstern und Druiden gezogen, indem beide Seiten teilweise skrupellos gegen den Feind vorgehen.

Ein klein wenig ist „Das Schloss der stummen Schreie“ eine Mogelpackung, verspricht der Klappentext doch eine äußerst stimmungsvolle, klassische Gruselgeschichte, die sich an einem Ort abspielt und mehr mit Geistern als allem anderen zu tun hat. Gerade das ist der Comic von Muñoz, Tirso und Montes spätestens ab der zweiten Hälfte nicht. Zwar bekommt der Leser anfangs den Eindruck, er bekäme das Versprochene, recht schnell ist allerdings klar, dass die Geschichte eine ganz andere Richtung einschlägt, die aber ebenso zu fesseln vermag. Seit Jahrhunderten sind die Druiden im Kampf mit den Monstern. Gestaltwandlern, Vampiren und anderen mythologischen Wesen. In der ganzen Zeit des Krieges ist keiner der beiden Gruppierungen ein entscheidender Schlag gelungen, doch mit dem Auftauchen Sarahs und ihrer Freunde ändert sich die Lage. Beide Seiten brauchen sie und im Gegensatz zur Standardfantasy- oder Gruselgeschichte ist dies nicht übers Knie gebrochen und alibimäßig begründet, sondern hat tatsächlich Hand und Fuß.  Die Kinder spielen eine zentrale, logische Rolle in der Geschichte, die recht schnell ihre Hintergründe verrät, am Ende aber trotzdem noch mit einer dicken Überraschung aufwarten kann. Im Mittelpunkt steht natürlich Sarah, die sowohl als Katalysator für eine Katastrophe als auch für ein relativ gutes Ende dient. Sie wird in eine ihr unbekannte Welt geworfen und muss zunächst lernen sich zurecht zu finden, wofür sie extrem wenig Zeit hat und aus diesem Grund Fehler macht. Aber auch die anderen Charaktere sind gut gestaltet und entsprechen nicht dem einfachen Gut – Böse – Schema.
Dagmar und Milos sind auf ihre Weise jeweils Getriebene im Kampf ums Überleben. Sie stehen auf unterschiedlichen Seiten, gleichen sich aber in ihren Beweggründen und beide treffen zwischenzeitlich falsche Entscheidungen, die sie am Ende bitter bereuen müssen.
Demian, der Vampirkönig, und Simon, Oberster der Druiden, könnten oberflächlich gesehen, nicht unterschiedlicher sein, aber auch sie verbindet ein Geheimnis und eine gemeinsame Vergangenheit, was im Verlauf der gut ausgearbeiteten und spannenden Geschichte zu mehr als nur einer Verwicklung führt. Rein gut oder rein böse ist keiner von ihnen. Alle Figuren sind individuell gestaltet und vor allem eins: Menschen, die Fehler machen und auch mal ihre dunkle Seite sprechen lassen. Das tut natürlich der Geschichte gut, die in ihren Grundzügen recht einfach ist, aber durch die Charaktere Tiefe erlangt. Insgesamt wächst die Geschichte anfangs langsam und ein kurzer Blick hinter die Kulissen wird schon früh gewährt, allerdings nicht zu früh. Mit der Zeit wird sie aber immer epischer und verknüpft Action und Atmosphäre sehr geschickt mit einer packenden Handlung

Ohne Tirsos Zeichnungen und Montes Farbgebung wäre das aber nur die halbe Miete. Erst durch die düsteren und dynamischen Zeichnungen bekommt die Geschichte das gewisse Etwas. Tirso findet zumeist immer den perfekten Blickwinkel und wählt die Bildausschnitte passend zur Szene. Wirklich große oder gar einseitige Zeichnungen gibt es selten, aber wenn, dann transportieren sie auch eine ungeheure Wucht und stehen ganz im Dienste der Geschichte und sind nicht reiner Selbstzweck. Die verschiedenen Monster sind von dem Zeichner sehr schön designt, so dass sie genau das verbreiten , was sie sollen, einen wohligen Schauer des Grusels und Horrors.
Wie schon erwähnt trägt Javi Montes' Farbgebung einen großen Teil zum Gelingen bei. Er trifft die jeweilige Stimmung mit seiner Farbauswahl jederzeit. Zumeist düster gehalten, entwickeln so die wenigen hellen Farbtupfer eine umso größere Wirkung.

Das Schloss der stummen Schreie ist ein weiterer Vertreter aus der Reihe der All In Ones des Verlages, in der mehrbändige Comicreihen in einem Hardcover abgedruckt werden.
Ehapa hat neben den Covern der Einzelbände noch Zeichnungen anderer Künstler von Sarah dem Buch beigegeben, die jede für sich lohnenswert sind, anzuschauen.


Fazit

Das Schloss der stummen Schreie ist ein wunderbar anzusehender und gruseliger Band aus Ehapas All In One Reihe. Wer etwas abseits der ausgetretenen Pfade im Horrorbereich sucht, sollte zugreifen, aber natürlich auch alle anderen, die gerne gute Comics oder Horrorgeschichten lesen.


Pro & Contra

+ perfekte Farbgebung und Zeichnungen
+ gruseliger, rätselhafter Beginn
+ unerwartetes Ende

o das ausgewählte Cover verrät zu viel, da wäre das von Band 1 besser gewesen

- hoher Preis

Bewertung:
Handlung: 4/5
Charaktere: 4/5
Zeichnungen: 4,5/5
Lesespaß: 5/5
Preis/Leistung: 3/5