Der Turm der Könige (Nerea Riesco)



Scherz Verlag (Oktober 2011)
gebunden, mit auffaltbarem Schutzumschlag
Karten im Vor- und Nachsatz
544 Seiten, EUR 19,95
ISBN: 978-3502102267

Genre: Historik


Klappentext

Im Schatten der Giralda

Sevilla 1248: Der maurische Herrscher Axataf ergibt sich König Ferdinand III. von Kastilien. Als die Mauren das Minarett ihrer Moschee – die Giralda – abreißen wollen, damit es nicht in Christenhände fällt, schlägt Ferdinand einen Pakt vor: Ein Schachturnier soll über das Schicksal des gewaltigen Turms entscheiden.

Fünfhundert Jahre später steht noch immer kein Sieger fest. Doch es gibt einen geheimnisvollen Auserwählten, der die letzte Partei für die Christen spielen soll. Und es gibt jene, die dies verhindern wollen …


Rezension

Seit Jahrhunderten zieht das „Spiel der Könige“ die Menschen in seinen Bann – und auch die Familie von Doña Julia kann sich dieser Faszination nicht entziehen. Zumal ihr Schicksal mit jener folgenschweren Wette verknüpft ist, die die beiden Herrscher vor so vielen Jahrhunderten eingingen.

Nerea Riesco holt für ihren Roman weit aus – über vier Generationen hinweg entwickelt sie die Geschichte jener Familie, die den Schachspieler hervorbringen wird, dem es bestimmt ist, die finale Partie der Wette zu spielen. Dabei nimmt sie in Kauf, dass sich ihre Geschichte immer wieder sehr weit von der sehr interessanten und gut durchdachten Grundidee entfernt. Denn diese Partie kann nicht einfach so gespielt werden: Zuerst muss ein Dokument gefunden werden, in dem die Bedingungen der Wette festgehalten wurden – eine Aufgabe, die Riesco unmotiviert in den Handlungshintergrund legt, um gefühlt etwa jedes Jahrzehnt einen Abriss darüber zu liefern, wie weit die Suche bisher gediehen ist.
Und so wundert sich der Leser nicht nur einmal, dass der Schachspieler, der alles zu Ende bringen soll, eine weitere Generation auf sich warten lässt. So lernt man die Familienmitglieder mehrerer Generationen kennen, mit denen Riesco zwar Mühe gegeben hat, die aber hin und wieder etwas schablonenhaft daherkommen.
Überhaupt ist das Erzähltempo eher moderat, sodass man sich das ein oder andere Mal wünscht, Riesco möge endlich zur Sache kommen. Des Öfteren beschleicht einen so das Gefühl, die ganze Idee diene nur als Grundgerüst für eine Familiensaga des späten achtzehnten Jahrhunderts. Hierbei schöpft Riesco aus dem Vollen; Liebe, Leid, Eifersucht und Herzschmerz – weite Teile der nun folgenden Familiengeschichte würde den perfekten Stoff für jeden Vorabendweichspüler liefern. Und so lässt es sich nicht vermeiden, dass die Handlung zu weiten Teilen den Eindruck einer Seifenoper erweckt – wenn auch einer amüsanten und vielseitig interessanten.

Aber auch wenn der Aspekt des Schachspieles etwas kurz kommt, können die vorhandenen Passagen überzeugen; so werden neben den für die Wette relevanten Handlungselementen immer wieder lehrreiche Fakten und Hintergründe präsentiert, die den Kenner sicherlich nicht in Erstaunen versetzen, dem interessierten Laien aber durchaus Neues bieten können.
Und das gilt auch für weitere Details des Romans, die einen durchaus fundierten Eindruck erwecken: Die historischen und auch den Schauplatz betreffenden Fakten scheinen gut recherchiert. Auf diese Weise wird das Sevilla des späten 18. Jahrhunderts auf anschauliche Art zum Leben erweckt – seien es architektonische oder kulturelle Beschreibungen, die Riesco gekonnt und mit Liebe zum Detail in die Handlung einbezieht.
Erwähnenswert ist an dieser Stelle auch die Aufmachung des Buches: Nicht nur das wundervolle Cover, sondern auch Karten der Kathedrale im Vor- und Nachsatz sowie als Besonderheit ein alter Stadtplan sowie Fotos von Sevilla im auffaltbaren Schutzumschlag machen das Buch zu einem echten Schmuckstück.
Im Gegensatz hierzu präsentiert sich Riescos Schreibstil für einen historischen Roman überraschend schlicht und etwas zu schnörkellos. Gerade für historische Romane lässt sich über die Sprache hervorragend Atmosphäre aufbauen – eine Gelegenheit, die leider verpasst wurde. Das ist hier besonders schade, weil ein passender Schreibstil diese Geschichte noch um einiges aufgewertet hätte.


Fazit

Mit einer tollen Grundidee und einem schönen Setting ist das Potential für einen echten Schmöker vorhanden. Was fehlt, ist die passende Umsetzung – die meiste Zeit nutzt Nerea Riesco nicht etwa dazu, dieser Idee den nötigen Raum zu geben, sondern vielmehr dazu, eine Art Familiendrama zu schildern.


Pro & Kontra

+ gute Grundidee
+ schönes Setting
+ solide Recherche
+ tolle Aufmachung des Buches

o viel „Herzschmerz“

- Umsetzung der Idee greift zu kurz
- Schreibstil unpassend

Wertung:

Handlung: 3/5
Charaktere: 3/5
Lesespaß: 3,5/5
Preis/Leistung: 4,5/5