Nachttischbuch-Verlag
Taschenbuch
72 Seiten; 10,80 EUR
ISBN: 978-3937550121
Genre: Belletristik
Klappentext
Eine Frau strandet in der Pfarrei einer weltabgelegenen Insel. Sie hat
ihren Glauben verloren. Umgeben von Inzest, Brandstiftung und Mord
schwinden auch ihre Hoffnungen. Nur die Liebe zu ihrem Schwager Amadé
rettet sie zunächst vor ihrem sich ankündigenden Tod …
Salzflut ist ein poetisches und zugleich nüchternes Drama. Nikola Anne
Mehlhorn erzählt lakonisch, wie Ideale und Idyllen zerfallen, wie
wunderlich Begehren und Gewissheit sein können – wie nah Tod und
Verderben dort sind, wo Sicherheit und Sehnsucht wie liebende
Geschwister erscheinen.
Rezension
„Salzflut“, die kleine Erzählung der Lyrikerin Mehlhorn, ist ein
Novemberbuch. Ein Buch für jene Tage zwischen Herbst und Winter, wenn
Nebelgrau und Regenglitzern sich zu einer Stimmung verdichten, in der
alles seine eigene, traurig-schöne Bedeutung zu haben scheint. Diese
Stimmung durchzieht das Buch, nachdenklich, melancholisch, fatalistisch,
obwohl die Geschichte durch alle Jahreszeiten reist. Vielleicht liegt
es am salzigen Geruch der See, der überall aus den Seiten dringt, und
der immer so sehr nach Aufbruch und nach Hoffnung riecht wie nach
Untergang.
Die See umgibt die Insel, auf der die Icherzählerin als junge Pastorin
strandet, innerlich fast ganz vernichtet von der Liebe zu einem Mann,
der ihre Schwester heiratete. Die See, mit ihrem Locken und Brausen, mit
ihren Ahnungen von Freiheit und von jähem Tod. Und es ist auch der Tod,
der die Pastorin auf der Insel begrüßt. Gott flüstert es ihr nach dem
Gottesdienst in der Kirche zu: Noch ein Jahr, und sie wird sterben. Ist
es Einbildung, ist es Prophezeiung? Es scheint kaum einen Unterschied zu
machen. In einem Jahr wird sie sterben, der Leser weiß es von der
ersten Seite an; und sie, die junge, enttäuschte Pastorin, sie weiß es
auch und wehrt sich kaum dagegen. Wozu auch? Der Mann, den sie liebt,
ist für sie verloren. Die Menschen auf der Insel sind alle von ihren
Lastern und Süchten zerfressen, wie altes Holz vom Salzwasser; da gibt
es niemanden, der sie in ihrer Einsamkeit wirklich berühren könnte. Nur
der streunende, zweischwänzige Kater, vielleicht. Aber am Ende wird er
weder sich selbst noch sie retten können.
„Salzflut“ ist eine kurze Geschichte, eine Erzählung eben, auf das
Notwendige reduziert. Keine überflüssigen Schnörkel, keine
Ausschmückungen, keine seitenlangen Beschreibungen. Die Autorin braucht
dies alles nicht. Als Lyrikerin weiß sie genau, welche Bilder sie wie
und an welcher Stelle hervorzaubern muss, um mit einem Wort, einem Satz,
ganze Leben zu umreißen. Das Geflecht, das sie webt, ist sehr dicht und
sehr eigen, nicht anschmiegsam wie Kaschmir, sondern oft kratzig wie
verfilzte Wolle. Man sucht darin vergebens nach hübschen, gefälligen
Mustern; nach Sympathieträgern, bekannten Wendungen. Nein, die
Geschichte kratzt und schabt, aber sie hält den Leser fest umschlungen.
Und sie gibt ihn nicht frei, bis das unvermeidliche Ende erreicht ist.
„Ein poetisches und zugleich nüchternes Drama“, so beschreibt der
Klappentext das Buch. Und auch wenn er danach ein wenig übers Ziel
hinausschießt in seinen vorauseilenden Erklärungen und Deutungen der
Geschichte – dieser Satz sitzt. „Salzflut“ ist zutiefst poetisch, aber
niemals romantisch. Mitfühlend, aber niemals kitschig. Und –
schrecklich traurig.
Fazit
„Salzflut“ von Nikola Anne Mehlhorn erzählt die kurze Geschichte einer
jungen Pastorin, die auf einer abgelegenen Nordseeinsel den Tod findet;
poetisch, lakonisch und voller unheilbarer Melancholie. Man kann sie
rauschen hören, die Salzflut, in jedem Satz. Noch lange, nachdem man das
Buch aus der Hand gelegt hat.
Pro und Kontra
+ sprachlich sehr gelungen
+ fatalistisch, aber dennoch unterschwellig spannend
+ mitfühlend, anrührend
+ gut lesbar
- sture, inzestuöse, bösartige Dorfbewohner sind ein wenig zu typisch
- Katzenende ist zu vorhersehbar
Wertung:
Handlung: 4/5
Charaktere: 4,5/5
Sprache: 5/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 3/5