Hyddenworld - Der Frühling (William Horwood)

Verlag: Klett-Cotta 
Gebundene Ausgabe: 527 Seiten; 22,95 €
ISBN-13: 978-3608946383

Genre: Fantasy


Klappentext

Die Hydden sind die gewitztesten kleinen Leutchen der Fantasy, seit … langem.

Der kleine Jack ist ein Riese. Jedenfalls in der Welt der Hydden, einem Volk kleiner Leute, das in einer für Menschen unsichtbaren Stadt unter der Erde lebt. Als er, mit einem feinen ledernen Rucksack auf dem Rücken, bei den Menschen auftaucht, lebt eine alte Prophezeiung wieder auf.


Rezension

Vor langer Zeit lebte der Schmied Beornamund. Als seine Geliebte Imbolc starb erschuf er im Zorn einen fantastischen Gegenstand, den er hinaus ins Universum schleuderte. Dort fing dieser etwas von den Jahreszeiten ein und die Götter zerstörten ihn. Aus seinen Splittern erschuf Beornamund einen Anhänger, den Imbolc, mittlerweile von den Göttern zur Friedensweberin erkoren, durch die Jahrhunderte trug. Aber der Edelstein des Frühlings konnte nicht gefunden werden und erst, wenn er das ist, kann die Welt und das Universum vor der Vernichtung gerettet werden.

Die Aufgabe des Aufspürens fällt Jack zu. Einem Riesengeborenen. Zumindest in der Welt der Hydden, denn die reichen den Menschen gerade bis zur Hüfte. Somit ist er mit der erwarteten Körpergröße eines Menschen wirklich ein Riese unter ihnen. Doch er kann nicht bei seinem Volk aufwachsen. Aufgrund der Prophezeiung schwebt er in Lebensgefahr und so wird beschlossen, er müsse bei den Menschen aufwachsen.
Schon früh kommt es zur ersten schicksalhaften Begegnung mit Katherine, die Jack aus einem brennenden Auto zieht. Lange sehen sie sich dann nicht, erst der Tod von Katherines Mutter vereint sie wieder und kurz darauf beginnt das Abenteuer ihres Lebens. Katherine wird von den Fyrd, den Eroberern und Herrschern von Hyddenworld, entführt und durch ein Henge in die Parallelwelt gebracht. Zwar wäre ein Wechsel auch so möglich, schließlich leben Menschen und Hydden in einer Welt, allerdings passt sich durch das Wechseln durch ein Henge, sich die Körpergröße der betreffenden Person an die äußeren Umstände an. Jacks Aufgabe ist klar, er muss Katherine finden, den Hydden Hoffnung schenken und dabei das Rätsel um die prophezeite Schildmaid lösen.

Eins sei vorweg schon einmal positiv erwähnt. Die Protagonisten sind nicht wie so häufig in der All-Age-Fantasy vierzehn Jahre oder knapp jünger, die nie was geahnt haben und urplötzlich zu Superkämpfern mutieren, die alle Feinde reihenweise ummähen. Jack und Katherine sind schon etwas älter und wachsen in einer Umgebung auf, in der an Magie und Mythen geglaubt wird. Jack hat sogar noch wage Erinnerungen an seine eigentliche Heimat und seine Herkunft. Und auch wenn er zunächst die Wahrheit noch akzeptieren muss, so er hat schon gewisse Vorahnungen. Zudem gehen beide menschlichen Hauptpersonen, bevor ihr Abenteuer überhaupt losgeht, buchstäblich durch die Hölle. Denn ihre erste Begegnung endet gleich in einem Attentat auf Jack, an dessen Ende er Katherine aus einem brennenden Auto rettet und schwerste Verletzungen davon trägt.
Und so bereiten sich beide individuell auf die auf sie wartende Aufgabe vor.
Diese Hin- und Einführung bis zum Wechsel in die Welt der Hydden ist etwas lang geraten, fast zu lang. Als Leser erwartet man jederzeit, dass der Wechsel bald vollzogen wird, aber dies passiert zunächst nicht und so lässt die Spannung etwas nach. Glücklicherweise bekommt William Horwood noch rechtzeitig die Kurve und bevor überhaupt der Gedanke aufkommt, das Buch zur Seite zu legen, geht es hinein in die verborgene Parallelwelt der Hydden und damit überschlagen sich auch die Ereignisse.
Sobald sie den Wechsel vollzogen haben, sind Jack und seine neu gewonnenen Freunde ständig in Lebensgefahr, denn die Fyrd machen auf sie Jagd und so müssen sie sich nicht nur auf dem Weg nach Brum/ Birmingham ihrer Haut erwehren, sondern dürfen auch in der Stadt nicht zu sehr auffallen. Jack ist der Auserwählte, der die Schildmaid finden und das Volk der Hydden retten soll und hat dementsprechend Feinde.
Freunde und Feinde sind es dann auch, die dem Buch Leben einhauchen. Wie so oft sind die eigentlichen Helden relativ blass und die Nebenfiguren sind diejenigen, die den Leser in ihren Bann ziehen. Dazu gehört unter anderem Bedwyn Stort, ein junger und äußerst einfallsreicher Hydden. Ein bisschen wirkt er wie der verrückte Wissenschaftler, ist allerdings geerdeter und weniger in Gefahr größenwahnsinnig zu werden. Kindliche Neugier, Schöpfertum und Wißbegier verbinden sich in ihm und lassen ihn mitunter etwas weltfremd erscheinen, vor allem im Umgang mit anderen Menschen oder Hydden.
Aber auch der große Gegenspieler, Brunte, ist ebenso vielschichtig. Er kämpft zwar für die Fyrd, verfolgt aber dabei ganz eigene Pläne, die von Rache getrieben sind und nicht von Loyalität. Seine Rache holt er sich aber nicht ganz stumpf, sondern plant sie, nutzt Umstände gnadenlos für sich aus und handelt wohlüberlegt. Methodisch ist sein Vorgehen und Jack und Katherine wären ihm eigentlich egal, wenn da nicht der Umstand wäre, dass sie der Schlüssel zu einem von ihm benötigten Puzzleteil sind. Er ist weder wirklich gut noch böse, sondern befindet sich in einer Grauzone, sein Handeln ist immer ambivalent und das macht ihn so faszinierend für den Leser.
Die beiden skurrilsten Charaktere sind aber mit Sicherheit Lord Festoon und Parlances. Der eine Herrscher über Brum und der andere sein Leibkoch, der für das deutliche Übergewicht seines Herrn durch seine grandiose Kochkunst verantwortlich ist. Der Leser kann förmlich spüren, mit wieviel Begeisterung und Spaß William Horwood diese beiden Charaktere gestaltet hat. Mit ihnen kommt auch deutlich mehr Humor in die Geschichte. Dieser ist zwar immer noch spärlich, aber die Anspannung, die sich gegen Ende bildet, wird so etwas aufgelöst.

William Horwood bedient sich für Hyddenworld eines recht altertümlichen Sprachstils, der aber sehr gut zur Welt der Hydden passt, in der viele Mythen und Legenden aufgehen. Wenn sich vor allem die Hydden auf eine Art unterhalten, wie es Menschen vielleicht vor hundert oder zweihundert Jahren taten, dann entspricht das auch genau ihrem Entwicklungsstand und ihrer Geisteshaltung. Anstrengend zu lesen ist der Roman deswegen jedenfalls nicht. Im Gegenteil, nach kurzer Eingewöhnungsphase entwickelt das Buch einen regelrechten Sog, auch wenn anfangs noch nicht viel passiert, außer mehrerer größere Charakterentwicklungen, ohne großartige Aktion. Das macht den Roman zunächst etwas langatmiger, dafür belohnt das Ende, wenn alle Ereignisse zuvor in einem großen Finale münden, indem auch die Charaktere und ihre Eigenarten im Zentrum stehen.


Fazit

Hyddenworld ist Fantasy im besten Sinne. William Horwood verarbeitet viele Legenden und fügt sie zu etwas faszinierenden zusammen. Stil und Geschichte passen zusammen und Seite um Seite wird ungeduldig umgeblättert.


Pro & Contra

+ Lord Festoon
+ Brunte
+ altertümlicher, passender Stil
+ Wechsel der Welten ist nicht erzwungen, sondern erwächst aus dem Hintergrund

0 Einführung ist etwas lang geraten

Bewertung:


Handlung: 4/5
Charaktere: 4,5/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 4/5


Literatopia-Links zu weiteren Titeln von William Horwood:

Rezension zu Hyddenworld – Das Erwachen