Ascheträume (Maurizio Temporin)

ivi, 1. Auflage März 2012
Originaltitel: Iris. Fiori di Cenere
Aus dem Italienischen von Gaby Wurster
Klappenbroschur, 400 Seiten
€ 14,99 [D], € 15,50 [A], sFr 21,90
ISBN: 9783492702447
Leseprobe

Genre: jugendliche Fantasy


Klappentext:

Wenn schwarzer Schnee fällt, wird die Welt zu Asche.

Als Thara zum ersten Mal an der Blüte einer Schwertlilie riecht, ist ihr Leben nicht mehr wie zuvor: Sie verliert das Bewusstsein und kommt in einer Welt aus Asche zu sich. Doch an diesem lebensfeindlichen Ort ist sie nicht allein. Ein uralter Feind hat nur darauf gewartet, dass Thara diese fremde Welt betritt. Einzig Nate, der scheue Junge ohne Gedächtnis, kann sie beschützen. Doch warum ist er hier gefangen? Um ihn zu retten, geht Thara das größte Wagnis ihres Lebens ein.


Rezension:

Im Himmel - wenn man das so nennen konnte - war ein rundes Loch, eine Öffnung, schwarz wie die Nacht. Und vielleicht war es auch wirklich die Nacht, denn wenn alles aus der Schale des Mondes bestand, musste es ja irgendwo ein bisschen Nacht geben.
Ich befand mich in einer Aschewüste unter einem Mondhimmel, in dessen Mitte ein Loch klaffte.
Und außer mir war kein Mensch hier.
Nach dem Staunen, das auf die Aufregung gefolgt war, schnürte mir nun Panik die Kehle zu. Ich war allein an einem Ort, der gar nicht existieren konnte.
(Seite 37/38)


Thara ist ständig müde, hat immer eine Thermoskanne Kaffee bei sich und schläft zu den unmöglichsten Gelegenheiten ein. Sie leidet an Narkolepsie, was sie in ihrem Leben ziemlich einschränkt, und fühlt sich eigentlich nur zur Dämmerung wirklich gut. Ihre ungewöhnlichen violetten Augen machen es ihr nicht gerade leichter, sich in die Gesellschaft einzufügen, sodass sie sich meist mit ihren besten Freunden Christine und Leo befasst, wenn sie nicht gerade in der Wohnung über der Apotheke ihrer Mutter rumlungert. Tharas Vater ist, so lautet jedenfalls die offizielle Geschichte, kurz vor Tharas Geburt bei einem schweren Unfall ums Leben gekommen. Von der Zeit davor erzählt ihre Mutter nur äußerst ungern und reagiert eher ungehalten, wenn Thara mehr in Erfahrung bringen möchte.
Eines Tages entdeckt Thara auf dem Heimweg einen ganzen Garten voller violetter Iris, die sie magisch anziehen. Betört von ihrem Duft fällt sie schließlich wieder einmal in einen Schlaf, der sich jedoch vom normalen Schlaf unterscheidet: Denn sie wacht in einer Welt aus, in der alles aus Asche zu bestehen scheint. Dort trifft sie Nate, der das einzig Menschliche in dieser grauen Welt darzustellen scheint. Bei dieser ersten Begegnung ahnt sich nicht, dass das Geheimnis ihrer Herkunft und Nates Anwesenheit in der Aschewelt eng miteinander verknüpft sind. Denn Thara ist ein sogenanntes Dämmerwesen und Nate eine Art Gefangener des schlimmsten Feindes ihres Vaters. Gemeinsam mit Christine und Leo macht sich Thara auf die Suche nach Antworten auf unbequeme Fragen und ahnt dabei nicht, wie sehr sich ihr Leben und das ihrer Freunde verändern wird.

Maurizio Temporin, Baujahr 1988, konnte die Kritiker in Italien mit seinem Auftaktband "Ascheträume" vollends überzeugen. Und wahrscheinlich gelingt es ihm auch in zahlreichen anderen Ländern, die Leser auf seine Seite zu ziehen, denn die Grundidee der Aschewelt ist eine in der Form noch nicht dagewesene Möglichkeit, Phantastik und leichte Sciene Fiction zu mischen. Trotzdem merkt man dem Roman deutlich seine Kinderschuhe an, denn trotz vielversprechender Ansätze driftet der Leser während des Schmökerns mit seinen Gedanken gerne mal ab. Der Autor verstrickt sich leider ein paar Mal zu oft in belanglosen Beschreibungen, die die Geschichte unnötig aufbauschen und in die Länge ziehen. Ungefähr nach der vierten oder fünften Erwähnung, dass Tharas Thermoskanne wieder einmal leer ist und sie nicht weiß, wie sie den Rest des Tages überstehen soll, zum Beispiel ist der Leser eher genervt als amüsiert. Die Sprunghaftigkeit in Bezug auf Nate scheint ebenfalls sehr unausgegoren zu sein und Tharas beste Freundin Christine ist auch nicht unbedingt ein Sympathienfänger. Es ist fraglich, worauf Temporin mit der Gestaltung seiner Charaktere wirklich abgezielt und woher er die Inspiration zu ihnen genommen hat. Sie scheinen typische Außenseiter zu sein, was normalerweise gut bei den Lesern ankommt - doch in diesem Fall versagt das Zaubermittel aus unerfindlichen Gründen. Auch bei der Sprache kann man deutlich erkennen, dass der Autor noch nicht allzuviel Schreiberfahrung gesammelt haben dürfte. Manches wirkt unbeholfen und holperig, einige Stellen muten eher kindisch an und wieder andere sollen wahrscheinlich sehr erwachsen wirken, was durch den krassen Gegensatz und die Häufung leider negativ auffällt.

Einen riesigen Pluspunkt, der einiges aufwiegen kann, stellt allerdings die wunderbare Gestaltung der Aschewelt dar. Vor allem die Erklärungen, die Thara sich mühsam erarbeiten muss, sind so liebevoll und detailreich, dass man sich als Leser nahezu in diese Welt hineinversetzt fühlt und Tharas Wunsch, dorthin zurückzukehren, durchaus nachvollziehen kann. Das Zusammenspiel aus grauer Trostlosigkeit und violetter Hoffnung ist Maurizio Temporin gut gelungen und auch seine Nebencharakterer erfreuen sich sympathischer Lebendigkeit. Wenn er die Grundidee weiter ausbaut und seinen Protagonisten die Chance gibt, ein bisschen mehr wie die Nebendarsteller zu werden, dann könnte schon Teil zwei der Saga überzeugender sein. "Totenträume" lernt der Leser in einer kurzen Leseprobe bereits kennen, ein deutscher Erscheinungstermin ist jedoch noch nicht bekannt. Doch die Gedanken, die allein durch diese Kostprobe in Gang gebracht werden, lassen auf die Fortsetzung hoffen. Und wenn diese optisch ebenfalls wieder derart ansprechend ist, dann kann doch schon fast nichts mehr schief gehen.


Fazit:

Eine interessante Grundidee mit erfolgversprechenden Ansätzen scheitert an der sehr jugendlichen und teilweise unbeholfen wirkenden Umsetzung – Ascheträume kann trotz vieler guter Punkte nur wenig überzeugen. Bei den folgenden Romanen der Trilogie muss Maurizio Temporin definitiv an zahlreichen Schwachstellen arbeiten, um die Leser nachträglich für sich gewinnen zu können.


Wertung:

Handlung: 3,5/5
Charaktere: 3/5
Lesespaß: 3/5
Preis/Leistung: 3,5/5