Lynn Raven (16.07.2012)

Interview mit Lynn Raven

Literatopia: Hallo Lynn, danke, dass Du Dir die Zeit nimmst, uns ein paar Fragen zu beantworten. Erzähl uns doch zu Beginn ein bisschen mehr über Dich: Wer bist Du und welche Art von Büchern schreibst Du?

Lynn Raven: Die Zeit nehme ich mir doch gerne. Und was gibt es über mich zu sagen? Hm … eigentlich nicht viel. Mein Name ist Lynn Raven. Ich mag das Meer und den Winter, träume von einem dieser alten Kapitänshäuser hoch oben auf den Klippen, liebe Tiere, mag es mit Freunden über Gott und die Welt zu diskutieren oder einen Abend einfach nur faul auf der Couch zu verbringen, wahlweise mit einem spannenden Buch oder einem guten Film. Ich schreibe High – und Dark Fantasy, sowohl im All Ager / Young Adult bereich als auch in der ‚Erwachsenen’-Belletristik und hasse es, wenn man mich in irgendwelche Genre-Schubladen steckt, weil ich ein fürchterliches Spielkind bin, das immer wieder neues ausprobieren möchte.

Literatopia: Im November 2011 erschien Dein Roman „Blutbraut“ bei cbt. Im Mittelpunkt der Handlung: Lucinda, die vor einem mächtigen Magier flieht. Magst Du uns mit eigenen Worten vielleicht ein bisschen mehr erzählen?

Lynn Raven: Das ist immer das, was mir am Schwersten fällt: Über meine Bücher zu erzählen, ohne zu viel zu verraten und den Lesern damit den Spaß zu verderben. Aber ich versuch’s mal: Lucinda ist ihr ganzes Leben auf der Flucht. Zuerst mit ihrer Tante María und nachdem sie mit ansehen musste, wie die grausam ermordet wurde, allein. Nur ihr Blut kann verhindern, dass Joaquín de Alvaro, einer der mächtigsten Hexer der Hermandad, zu einem Nosferatu wird, einem blutgierigen, grausamen Monster. Etwas das für sie absolut unvorstellbar ist, denn allein der Gedanke versetzt sie in unvorstellbare Panik. Doch dann wird sie gefunden und nach Santa Reyada, dem Anwesen der de Alvaros, in der Nähe der Mojave Wüste, gebracht. Und plötzlich steht Lucinda nicht nur zwischen zwei Männern sondern findet sich mitten in einer Welt der Magie und Intrigen wieder und muss obendrein auf einmal an allem Zweifeln, was sie bisher geglaubt hat.

Literatopia: Eine wunderschöne Hacienda, dunkle Geheimnisse, durchtriebene Politik und eine romantische Liebe – warum wolltest Du genau diese Geschichte mit eben solchen Zutaten schreiben? Was ist Deiner Meinung nach das Besondere?

Lynn Raven: Wollte ich genau diese Geschichte mit diesem Zutaten schreiben? *lacht* Sagen wir es so: Meine Figuren wollten, dass ich die Geschichte so und nicht anders schreibe. Aber ich gestehe: irgendwann war ich selbst vom Flair des Settings und der Geschichte gefangen. Und ich denke, genau dieser Flair ist auch das Besondere an „Blutbraut“, die Hitze um Santa Reyada, die Geschichte der Hermandad … Das, die Figuren und natürlich die komplett neue Mischung der Motive Hexer und Vampire / Nosferatu, macht für mich das Besondere von „Blutbraut“ aus.

Literatopia: In „Blutbraut“ konkurrieren die Brüder de Alvaro voller Leidenschaft um Lucinda. Ist das Handlungselement der Drecksbeziehungen Deiner Meinung nach schon ein Muss geworden in der Dark Fantasy? Für welchen der beiden hättest Du Dich entschieden?

Lynn Raven: Also zumindest für mich sind Dreiecksbeziehungen kein muss. Wie das andere Autoren sehen, kann ich nicht sagen. Natürlich sorgt so eine Dreiecksbeziehung noch mal für ein weiteres Spannungselement, aber ein muss? Nein. In „Blutbraut“ hat es einfach sehr gut gepasst. Und für wen ich mich entschieden hätte? *hüstel* Joaquín. Ganz klar.

Literatopia: Im Buchtrailer wird Dein Roman außerordentlich düster präsentiert. Gefällt er Dir? Kannst Du Dich mit den Darstellern anfreunden? Und was hältst Du im Allgemeinen von Buchtrailer? Nettes Beiwerk oder doch zukunftsweisend?

Lynn Raven: Ich fand diese düstere Atmosphäre sehr passend. Immerhin ist das ja genau die Atmosphäre, die ich am Anfang von „Blutbraut“ mit Lucindas Entführung und ihrem ersten Zusammentreffen mit Joaquín zu weben versucht habe. Und ich denke, mit Buchtrailern ist es wie mit vielen Dingen. Sie sind einerseits absolute Geschmackssache. Was dem einen gefällt, findet der andere ganz scheußlich. Für den einen sind sie inzwischen – oder auch für die Zukunft – ein muss, für die anderen tatsächlich nur Beiwerk. Nett anzuschauen, aber mehr auch nicht. Was sich daraus entwickeln wird, wird die Zeit zeigen. Für mich sind nach wie vor vor allem die Bilder wichtig, die das jeweilige Buch in meinem Kopf heraufbeschwört.

Literatopia: Bekannt geworden bist Du vor allem durch Deine „Der Kuss des Dämons“-Reihe. Fan-Pages und Fan-Art geben Dir und Deinem Erfolg ebenso Recht wie die sicherlich hohen Verkaufszahlen. Warum der große Durchbruch, was meinst Du?

Lynn Raven: Das ist eine Frage, die ich absolut nicht beantworten kann. Vielleicht könnten es die entsprechenden Leute im Verlag, aber ich kann nur raten: Glück? Zufall? Mit dem richtigen Buch zur richtigen Zeit am richtigen Ort? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur: Ich hätte niemals mit einem solchen Erfolg gerechnet.

Literatopia: Unter dem Pseudonym Alex Morrin hast Du ebenfalls schon einen gelungenen Fantasy-Roman verfasst. Warum das Pseudonym und noch viel wichtiger: veröffentlichst Du noch unter anderen Namen? Wenn ja, welche und wird Alex Morrin auch zukünftig genutzt?

Lynn Raven: Alex Morrin entstand auf Wunsch meiner Verlage. Damals erschien meine Dämonen-Reihe bei Ueberreuter unter Lynn Raven. Cbt hatte aber fast zeitgleich die Rechte an meiner High Fantasy gekauft und wünschte sich eine ‚eigene’, ‚neue’ Autorin. Damit war ‚Alex Morrin’ geboren. Und ob es noch andere Namen gibt? *lacht* Nein, bisher veröffentliche ich nur unter Lynn Raven und Alex Morrin. Das reicht aber auch, es fühlt sich so schon sehr nach ‚gespaltene Persönlichkeit’ an. Ob Alex Morrin auch zukünftig in Erscheinung treten wird, kann ich nicht sagen. Das ist eine Entscheidung, die letztlich auch ein Stück weit zusammen mit meinen Verlagen getroffen wird. Bisher ist zwar nichts dergleichen geplant (zumindest soweit ich weiß) aber ich würde es auch nicht mit absoluter Endgültigkeit ausschließen wollen.

Literatopia: Wie wichtig ist es Dir Deine Leser zum Nachdenken zu bewegen? Gibt es für Dich gewisse Werte, die generell vertreten sein sollen? Und was macht ein gelungenes (Jugend-)Buch in Deinen Augen aus?

Lynn Raven: Ich möchte Geschichten erzählen. Wenn ich es schaffe, den Leser mit der ein oder anderen Aussage zum Nachdenken zu bewegen, dann ist das zwar schön, aber nicht mein erstes Ziel. Ich nehme mir allerdings auch heraus mal mehr, mal weniger deutlich Dinge in meine Romane einfließen zu lassen, die mir selbst etwas bedeuten. Aber generell? Nein. Und was ein gelungenes Buch in meinen Augen ausmacht … Ein Buch – egal ob Jugendbuch oder für Erwachsene – muss mich mitnehmen auf eine Reise in ‚seine’ Welt. Es muss mich alles um mich herum vergessen lassen. Ich muss mit seinen Figuren leben, lachen und leiden können.

Literatopia: Im Mai 2012 erschien „Hexenfluch“ im Knaur Verlag! Dark Fantasy für Erwachsene oder doch wieder eine Geschichte für junge oder junggebliebene Leser? Was darf man sich als geneigter Leser erwarten?

Lynn Raven: Im Jugendbuch oder All Ager gibt es gewisse ‚Grenzen’, was z.B. Sex und Gewalt angeht. Für „Hexenfluch“ gab es diese Grenzen nicht. Entsprechend habe ich … - sagen wir ‚experimentiert’. Das Ergebnis ist ziemlich düster und absolut kein Jugendbuch mehr. Und ich bin ehrlich gesagt sehr gespannt, was die Leser dazu sagen werden.

herz des daemonsLiteratopia: Bevor Du Dich ganz dem Schreiben gewidmet hast, warst Du unter anderem als Journalistin, Übersetzerin und auch Lektorin freiberuflich tätig. Erzählst Du uns ein bisschen darüber? Bist Du ab und an verführt – als Abwechslung – wieder ähnliches zu machen?

Lynn Raven: Es stand für mich ziemlich früh fest, dass ich irgendetwas mit Texten beziehungsweise Büchern machen wollte. Allerdings habe ich mein Glück zuerst‚ auf der anderen Seite des Schreibtischs’ versucht, habe aber recht bald festgestellt, dass es nicht zu 100% das war, was ich machen wollte. Wirklich machen wollte.

Also habe ich es gewagt und die ‚Schreibtischseiten’ gewechselt und mich selbst im Bücherschreiben versucht. Mit bekanntem Ergebnis. Und ob ich ab und an dazu verführt bin, als Abwechslung wieder etwas ähnliches wir früher zu machen? Die Antwort ist einfach: Nein.

Literatopia: Wann und wie hast Du zu schreiben begonnen? Hast Du Dich einfach hingesetzt und beschlossen, es zu versuchen? Oder war das eine langsamere Entwicklung? Talent oder Handwerk? Wie denkst Du über das Schreiben?

Lynn Raven: Letztlich war es wohl beides: Eine langsame Entwicklung aus dem Job heraus, die dann irgendwann in dem Beschluss gegipfelt ist, es jetzt zu versuchen. Ein schleichender Übergang bis zu dem Punkt, bis ich dann auch den Schritt getan und einen Roman einem Verlag angeboten habe. Und Talent oder Handwerk? Meiner Meinung nach Beides. Dazu braucht es noch sehr viel Übung, Leidenschaft und – zumindest was mich angeht – den Willen sich ständig weiter zu entwickeln und dazu zu lernen.

Literatopia: Wo und wann schreibst Du? Brauchst Du ein gewisses Umfeld, um in Stimmung zu kommen, oder könnte um Dich herum die Welt im Chaos versinken, während Du tief konzentriert die Tasten zum Glühen bringst?

Lynn Raven: Das mit dem Chaos funktioniert nicht. Leider. Ich brauche entweder Ruhe oder den ‚Soundtrack’ zum Roman bzw. der entsprechenden Szene. Es gab Zeiten, da war ich Nachts am Produktivsten. Inzwischen versuche ich zu – zumindest halbwegs – geregelten Zeiten bei Tage zu schreiben. In der Regel sind es zwischen 8 – 10 h am Tag. Wenn Abgabetermine drücken, können da auch schon mal Nachtschichten dazu kommen. Es gibt aber auch Tage, an denen ich gar nichts schaffe.

Literatopia: Verbringst Du auch so manchen Abend damit, viel und ausgiebig zu lesen? Hast Du neben dem Schreiben noch Lust dazu? Wenn ja, was darf auf Deinen Nachttisch und gibt es ein bestimmtes Buch, das Dich in den letzten Monaten besonders beeindruckt hat?

Lynn Raven: Ehrlich gesagt komme ich im Moment kaum zum Lesen. Geschweige denn dazu, viel und ausgiebig. Bei den wenigen Gelegenheiten, bei denen ich in letzter Zeit mal nach einem Buch gegriffen habe, musste es mich rel. schnell in seinen Bann ziehen. Tat es das nicht, habe ich es sehr schnell wieder weggelegt. Leider war das in den letzten Monaten ziemlich oft der Fall. Entsprechend muss ich bei dieser Frage leider passen.

Literatopia: Was dürfen wir in naher und auch ferner Zukunft von Dir erwarten? Besuchst Du vielleicht ein neues Genre oder bleibst Du einem anderen Grundgedanken treu?

Lynn Raven: Als nächstes auf meinem Plan steht ein neuer Dark Fantasy Roman für cbt, über den ich aber mehr nicht verraten darf. Was danach kommt, wird sich zeigen. In welchem Genre ich mich konkret herumtreiben werde, steht auch noch nicht fest. Ich könnte mir neben der Dark- und High Fantasy ebenso gut eine Dystopie, einen Ausflug in die Science Fiction oder auch in den Romantic-Thrill vorstellen. Letztlich ist alles möglich. Aber der Romance werde ich auf die ein oder andere Weise mit ziemlicher Sicherheit treu bleiben.

Literatopia: Herzlichen Dank für das ausführliche Interview, Lynn!

Lynn Raven: Jederzeit gerne wieder!


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Dieses Interview wurde von Angelika Mandryk für Literatopia geführt. Alle Rechte vorbehalten.