Das Liebesleben der Farne (Beate Rygiert)

Verlag Knaur, April 2009
Klappenbroschur, 426 Seiten, € 14,95
ISBN: 978-3426198292

Genre: Belletristik


Klappentext

Caroline Nadler, 26 und Farnspezialistin, weiß eines mit Sicherheit: Auf die Menschen ist kein Verlass. Ihr Vater entpuppt sich als Lügner, die totgeglaubte Mutter schreibt Postkarten, ihre Beziehung ist gescheitert, ihre Firma pleite. Sie beschließt, sich auf die Suche nach ihrer Mutter zu machen.

Für Gregor Beer, Mitinhaber einer Werbeagentur, könnte es dagegen nicht besser laufen. Obwohl erst Mitte 30 hat er in seinem Leben schon alles erreicht. Sein wohlgeordnetes Leben kommt jedoch ins Wanken, als ihm sein Onkel die Urne mit seiner Asche vererbt. Sein letzter Wille: er möge die Asche an drei bestimmten Orten in Europa dem Meer übergeben.

Zu dumm für Caroline, dass sie auf dem Weg zu ihrer Mutter ausgerechnet ihm begegnet, nach eine im wahrsten Sinne niederschmetternden ersten Begegnung, nun zum zweiten Mal auf einem Rastplatz in Frankreich. Zu dumm für Gregor, dass er bei der Reise, die er antritt, auf die Hilfe dieser Gärtnerin angewiesen ist.

Und beide haben überraschenderweise das gleiche Ziel: die Île d’Ouessant.


Die Autorin

Beate Rygiert studierte Theater-, Musik- und italienische Literaturwissenschaft. Heute lebt sie als Schriftstellerin und Malerin in Stuttgart. Für ihre Romane und Drehbücher hat sie zahlreiche Auszeichnungen erhalten, u.a. den Thomas-Strittmatter-Drehbuchpreis. Das Liebesleben der Farne ist ihr vierter Roman.


Rezension

Gregor Beer und Caroline Nadler bekommen beide unverhofft Post. Gregor bekommt die Urne mit der Asche seines Patenonkels Gregor, nach dem er benannt ist, mit der Bitte, die Asche an drei verschiedenen Stellen im Meer zu verstreuen. Caroline bekommt eine Postkarte mit ein paar belanglosen Worten von ihrer Mutter, die angeblich in ihrer Kindheit verstorben ist. Seitdem hat sie das Vertrauen in ihren Vater verloren und will auch seine Rechtfertigungen nicht hören.

Caroline hat sich mit ihren Farnen selbstständig gemacht. Sie wohnt in dem geerbten Haus ihrer Großmutter, wo sie sich ein hypermodernes Gewächshaus gebaut und sich deshalb hoch verschuldet hat. Sie will ihre Farne ausleihen und natürlich auch züchten, man erfährt sehr viel über die verschieden Arten von Farnen. Gregor ist einer ihrer Kunden. Er hat eine Werbeagentur in einer stillgelegten Kirche, die er für eine wichtige Präsentation mit den exotischen Farnen dekorieren lässt. Leider beachtet er Carolines Pflegeanweisungen überhaupt nicht und als sie vor den vertrockneten Resten ihrer geliebten Farne steht, ist sie mehr als nur geschockt – sie bricht ihm erst einmal die Nase vor Wut.

Nach einigem Zögern macht Gregor sich auf die Reise. Allerdings wird sein Wagen direkt am ersten Tag seiner Reise zu Schrott gefahren und verbrennt, außer einem bisschen Bargeld und der Urne kann er nichts retten. Genau zu diesem Zeitpunkt trifft er auf Caroline, die zu ihrer tot geglaubten Mutter auf dem Weg nach Frankreich ist, nachdem ein Hagelschauer ihr Gewächshaus buchstäblich erschlagen hat. Trotz ihrer unglücklichen ersten Begegnung steht sie Gregor zur Seite und hilft ihm aus der Klemme.

Hier beginnt nun ihre gemeinsame Reise, zusammen begeben sie sich auf eine Schnitzeljagd, da Gregor immer nur einen Brief mit Anweisungen seines Onkels für seine letzten Ruhestätten bekommt. An den erreichten Orten erwartet ihn dann ein weiterer Brief. In den Briefen öffnet sich ihm sein Onkel immer mehr, er erzählt von seinem Leben und seinen Gefühlen ihm gegenüber, auch ein Familiengeheimnis verrät er im allerletzten Brief. Es ist für beide eine Reise in die eigenen Vergangenheit, denn auch Caroline wird mit Ereignissen konfrontiert, die sie schockieren und die sie erst einmal verarbeiten muss. Durch die Ereignisse erfahren beide aber auch eine Menge über sich selbst, sie werden manchmal gezwungen, nur mit dem Nötigsten die nächsten Tage zu überstehen. Sie finden auch das Vertrauen in Menschen wieder, das Caroline durch das Verhalten ihrer Mutter und Gregor durch seinen Patenonkel verloren hatten. Es ist ein langer und steiniger Weg dorthin, aber selbst Raub, Trennungen und Gefängnisaufenthalte können sie nicht stoppen.

Der Schreibstil ist sehr gewöhnungsbedürftig, die wörtliche Rede fehlt komplett. Mag der Inhalt auch noch so spannend sein, es ist schwer, sich in das Buch fallen zu lassen, da durch den Stil der Lesefluss einfach nicht zustande kommt. Man kann sich gar nicht vorstellen, was das einfache Weglassen der kleinen Anführungszeichen für große Auswirkungen auf das Verständnis und die Leselust nach sich zieht.

Abwechselnd erzählen Gregor und Caroline in Ich-Form die Geschichte, in den Kapitelüberschriften erfährt man zum Glück aber immer, wer gerade erzählt. Durch die Abwechslung und die Ich-Form bekommt man aber sehr viel Einblick in ihre Gedanken und Gefühle, die Geschichte wird dadurch sehr lebendig – wenn nicht der Schreibstil wäre.

Beate Rygiert versteht es, packend und lebendig zu erzählen, ihre Personen gewähren tiefe Einblicke in ihre Seelen. Auch hat sie ein Händchen für ungewöhnliche Orte und ungewöhnliche Begegnungen, man ist immer sehr gespannt, was ihr wohl noch so einfallen wird. Wir laufen durch einen Hagelsturm, stehen an tosenden Klippen und genießen die Sonne Südfrankreichs, die man durch die bildhafte Sprache fast auf der Haut spüren kann.

Leider verliert das Buch im letzten Drittel seine Lebhaftigkeit. Die Ereignisse mutieren fast schon zum Klamauk, Gefühle und Gedanken werden episch breit ausgeführt. Das Verhalten der Polizei in Frankreich und Spanien ist lächerlich, unglaubwürdig und menschenverachtend. Hier kann man wirklich nur hoffen, dass es erfunden ist. Durch den Schreibstil wird die Geschichte langweilig, man findet einfach keinen Zugang zu den Personen mehr. Der Schluß kommt viel zu schnell und ist zu kitschig, er passt einfach nicht zu der bis dahin gefühlvollen und tiefgründigen Geschichte. Der Titel ist allerdings sehr gut gewählt, er macht neugierig auf den Inhalt und gibt auch schon einen Teil der Geschichte wieder.


Fazit

Es hätte ein schönes Buch werden können, wenn der Stil anders gewesen wäre. Beate Rygiert kann schreiben, sie hat eine bildhafte Sprache und eine lebhafte Phantasie. "Das Liebesleben der Farne" ist eine sehr schöne Geschichte über eine Reise in die eigene Vergangenheit und das Finden des eigenen Ichs, wobei man über den Klamauk im letzten Teil getrost hinwegsehen kann.



Pro und Contra

+ viele Informationen über Farne
+ interessante Charaktere
+ bildhafte Beschreibung von ungewöhnlichen Orten
+ originelle Ereignisse
+ zu erfahren, was wirklich wichtig im Leben ist
+ schöne Liebesgeschichte zweier Personen, die sich erst gar nicht leiden können
+ spannende Familiengeheimnisse

- ungewöhnlicher Schreibstil
- durch den Schreibstil gehemmter Lesefluss
- zuviel übertriebene Zufälle im letzten Teil
- unwürdiges Verhalten der Polizei

Wertung:

Handlung: 4/5
Charaktere: 4/5
Lesespaß: 2/5
Preis/Leistung: 3/5