Bewahrer des Chaos (Wladimir Wassiljew)

 

Piper (April 2009)
Taschenbuch, 416 Seiten
€ 13,00
ISBN: 9783492701778 

Genre: Fantasy


Klappentext

Hexen, Gestaltwandler, Vampire – die Mächte des Lichts und die Mächte der Finsternis. Sie leben in unserer Mitte. Und sie haben sich entzweit. Nur ein vor Jahren geschlossener Waffenstillstand bewahrt die Welt vor dem Ausbruch eines vernichtenden Krieges. Die Wächter des Tages und die Wächter der Nacht hüten die alten Abkommen. Doch nun ist das Gleichgewicht der Kräfte gestört. Wilde verbreiten Tod, Anarchie und Chaos. Der Kampf um das Schicksal unserer Zivilisation beginnt …


Rezension

Mit Bewahrer des Chaos liegt nun das erste Buch aus dem Universum der „Wächter der Nacht“ vor, das nicht von Sergeij Lukianenko selbst geschrieben wurde. Allerdings ist Wladimir Wassiljew kein Neuling in dieser Welt, war er doch Co-Autor bei Lukianenkos „Wächter des Tages“, und ebenso wie dort beschäftigt er sich bei „Bewahrer des Chaos“ hauptsächlich mit den Dunklen/Wächtern des Tages.

Eine Gruppe von jenen wird im Auftrag von Sebulon, einem alten Bekannten aus Lukianenkos Romanen und Chef der Moskauer Tagwache von Kiew nach St. Petersburg geschickt, um ein Problem zu lösen. Die Gefahr, die dort besteht, wirkt umso größer, da der Einsatz zusätzlich unter der Schirmherrschaft der Wächter der Nacht und der Inquisition steht, die sich bemüht, die guten und die bösen Kräfte im Gleichgewicht zu halten.

Somit verspricht das Buch von der Ausgangssituation her, wirklich spannend zu werden und zahlreiche Möglichkeiten für den Einsatz von Magie und Intrigen zu bieten.
Leider kann es diese Erwartungen nicht richtig erfüllen.
Seine Spannung zieht es nur aus der Ausgangslage und dem Umstand, dass der Leser gespannt darauf wartet, welche Winkelzüge zum Vorschein kommen und wann die großen beiden Manipulatoren Sebulon und Geser endlich in Aktion treten. Eben wie man es von den „Wächter“-Büchern bisher gewohnt war.
Dort liefen immer drei verschiedene Geschichten zu einem fulminanten Höhepunkt zusammen, der vorher nicht zu erahnen war.
Genau dieser Umstand fehlt bei „Bewahrer des Chaos“.
Die Geschichte wird geradlinig erzählt, Nebenschauplätze sind kaum vorhanden und nach kurzer Zeit, weiß man schon, worauf es hinausläuft.
Insbesondere, wenn man den mittleren Teil von „Wächter des Tages“ kennt, der von Wassiljew geschrieben worden sein dürfte, beschäftigt er sich doch mit einer ähnlichen Thematik wie das Ende dieses Buches.

Der Stil des Autors ist dabei gleichzeitig leicht und ermüdend zu lesen. Die Sprache an sich ist leichte Kost, aber leider scheint es dem Autor wichtiger zu sein, zu beschreiben, wieviel Alkohol die einzelnen Personen vertragen, als die Handlung voranzutreiben. Wenn dies nun aber doch geschieht, erfährt man als Leser meist nur aus Erzählungen davon, ist aber nicht selbst dabei. Der Großteil der Handlung spielt sich viel zu oft in Hotelzimmern und ähnlichen Räumen ab.
Dadurch erlebt man auch mit wenigen Ausnahmen nicht mit, wie Magie gewirkt oder Kämpfe unter den Anderen ausgetragen werden. Etwas, worauf sich Lukianenko in seinen Büchern sehr gut versteht. Dieser ganze Teil wird fast komplett ausgeklammert. Nichts wird näher beleuchtet, was natürlich Neueinsteigern in die Wächterwelt Probleme bereiten könnte. 
Ebenso sind die im Buch erwähnten vorherigen Ereignisse und auftauchende Personen wie Geser und Sebulon zu bewerten.
Für einen Neuleser wirken sie fast wie Fremdkörper, für diejenigen, die Lukianenkos Romane gelesen haben, zwar wie alte Bekannte, aber zumindest im Fall von Sebulon mit gravierend veränderten Eigenschaften. Mögen Kostja, Geser und Maxim noch einigermaßen getroffen sein, mutiert Sebulon plötzlich vom genialen Strippenzieher zu jemanden, der im Vergleich zu früher leicht zu überrumpeln ist.
Das will nicht passen.

Ebenso beraubt sich Wassiljew selbst um einiges an potentieller Spannung, in dem er die Eingreiftruppe aus viel zu vielen mächtigen Anderen bestehen lässt, dadurch macht man sich um ihr Überleben kaum Sorgen. Weniger wäre hier mehr gewesen.

Aber es lässt sich auch manch Positives finden. Die Grundprämisse des Buches stellt eine wirklich tolle Erweiterung der Wächterwelt dar und bietet enormes Potential für weitere Verwicklungen und Geschichten. Es geht zwar nicht um das Schicksal der Zivilisation, wie vom Verlag angekündigt, aber die Ereignisse könnten trotzdem die Welt der Wächter etwas zum Erbeben bringen.
Ebenso werden zwei, drei neue Charaktere mit Potential präsentiert. Unter anderem Schwed, ein eigentlich einfacher kleiner Magier, der widerwillig über sich hinauswachsen muss, und Laik, der Chef der Kiewer Tagwache, der mehr zu sein scheint, als man bisher erkennen kann.

Die Übersetzung des Buches ist zwar wieder gelungen, hätte aber durch ein zwei Fußnoten oder ein Glossar den deutschen Leser etwas an die Hand nehmen sollen. Denn gerade am Anfang besteht die Gefahr, die Übersicht darüber zu verlieren, wer gerade mit wem spricht. Ein Umstand, der darin begründet ist, dass bei den einzelnen Personen mal ihr richtiger Name und mal die Verniedlichungsform ihres Namens / ihr Spitzname verwendet wird. Die haben aber nicht zwingend etwas miteinander zu tun. Ohne Vorwarnung wird zwischen ihnen hin und her gewechselt.
Allein St. Petersburg hat in dem Roman drei verschiedene Bezeichnungen: St. Petersburg, Piter und Schwarzes Palmyra. 
Ein Muttersprachler dürfte sofort wissen, dass es sich bei allen dreien um St. Petersburg handelt, alle anderen dürften einen Moment brauchen, dies nachzuvollziehen.


Fazit

Ein Roman mit einer Grundidee, die die Welt der „Wächter der Nacht“ weiter ausbaut und bereichert, deren Möglichkeiten aber leider nicht konsequent nutzt. Die Gastauftritte bekannter Charaktere sind wegen des Wiedererkennungswertes und der Atmosphäre gelungen. Allerdings nur bedingt, da nicht jede Person wirklich getroffen wird. Neuleser dürfte der Einstieg schwer fallen, da nicht so viel erklärt wird. Für alle, die die vorherigen Romane gelesen haben, stellt der Roman eine interessante Bereicherung dar, wenn auch mit Abstrichen, aufgrund des vor sich hin plätschernden Stils.


Pro & Contra

+ schön gestaltetes Cover
+ neue Ideen für die Wächterwelt, die sie bereichern
+ Gastauftritte bekannter Charaktere

° nicht alle Charaktere werden wie gewohnt dargestellt 
° ungewohnt zielstrebig und ohne gewohnten Überraschungseffekt

- das Ende ist ab einem bestimmten Punkt vorhersehbar
- der Leser nimmt an der Handlung nicht teil, sondern ihm wird meist nur davon berichtet

Bewertung

Handlung: 3,5/5
Charaktere: 3,5 /5
Lesespaß: 3/5
Preis/Leistung: 4/5


Literatopia-Links zu weiteren Titeln der Wächter:

Rezension zu Wächter des Morgen
Rezension zu Die letzten Wächter 
Rezension zu Bewahrer des Chaos
Rezension zu Die Wächter – Licht & Dunkelheit