Du bist das Böse (Roberto Costantini)



C.Bertelsmann Verlag (August 2012)
gebunden, mit Schutzumschlag und Leseband
576 Seiten, EUR 19,99
ISBN: 978-3-570-10132-2

Genre: Thriller


Klappentext

Während ganz Rom 1982 das WM-Endspiel Italien gegen Deutschland verfolgt, wird eine junge Angestellte des Vatikan ermordet. Der draufgängerische Commissario Balistreri nimmt den Fall auf die leichte Schulter. Ein Mörder wird nie gefunden. Über zwanzig Jahre später gibt es erschreckend aktuelle Gründe, um den Fall wieder aufzunehmen. Doch dem Opfer nach so langer Zeit Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, kostet Balistreri einen weit höheren Preis als angenommen …


Rezension

Was von der Aufmachung daherkommt wie einer jener Durchschnittsthriller, die gerade so angesagt sind, hat es in Wirklichkeit ziemlich stark in sich. Denn "Du bist das Böse" ist tatsächlich anders. Auf überraschende, interessante - aber auch herausfordernde - Art.

Balistreri, ein junger und alles andere als ehrgeiziger Polizeikommissar, ist nicht gerade angetan, als er am Abend des WM-Endspiels gerufen wird. Eine junge Frau ist verschwunden - für Ballistreri eigentlich kein Grund zur Aufregung, hätten deren Eltern nicht einflussreiche Kontakte.
Schnell zeigt sich, dass Costantini ein schonungsloses Bild Italiens zu seinem Setting macht, in dem er viele Probleme offenlegt und gekonnt in seine Handlung mit einfließen lässt. So wird "Du bist das Böse" zu einer detaillierten Momentaufnahme, die einen realistischen Blick auf die politischen Gegebenheiten erlaubt. Immer wieder wird der Leser so mit interessanten Hintergrundinformationen über ein Land versorgt, das in diesem Licht fremd und vertraut zugleich erscheint.

Dieser Realismus ist die überragende Stärke an Costantinis Roman und das Unterscheidungsmerkmal zum Durchschnittsthriller. Ein Beispiel hierfür ist seine Darstellung der Ermittlungsarbeit Ballistreris und seines Teams. Sehr gelungen zeigt er auf, dass Ermittler keinesfalls die genialen Supermänner sind, die alles sofort durchschauen, sondern vielmehr die meiste Zeit falschen Fährten folgen, falsche Schlüsse ziehen und nur mit sehr viel Durchhaltevermögen und harter Arbeit zum Ziel kommen. Viel öfter würde man sich eine derart realistische und detaillierte Darstellung der Ermittlungsarbeit von Kriminalbeamten in Büchern wünschen.
Allerdings macht es Costantini seinen Lesern hierbei alles andere als leicht. Denn das Verschwinden besagter junger Frau zieht eine ganze Kaskade von Ereignissen nach sich, die vom Jahr 1982 bis zum Jahr 2006 reichen. Dabei wird man nahezu erschlagen von all den Verdächtigen, Ermittlern und weiteren Personen sowie den teils sehr undurchsichtigen Ermittlungsüberlegungen des Protagonisten und seines Teams. Wer hier nicht abgehängt werden möchte, der muss schon recht aufmerksam lesen - was den Lesespaß doch besonders im etwas langatmigen Mittelteil ausbremst. Dennoch kreiert Costantini eine durchdachte und intelligente Handlung, die neben der beschriebenen Wirklichkeitsnähe vor allem auch von ihren Charakteren lebt. Hier reicht die Palette von gut bis überragend. Denn mit Balistreri gelingt Costantini ein wirklich hervorragender Charakter, der nahezu alle Punkte auf sich vereint, die man sich wünschen könnte.

Besonders bemerkenswert ist hierbei seine Entwicklung, die in diesem Ausmaß erst möglich wird durch den großen Zeitsprung, mit dem Costantini den Leser mitten im Buch vom Jahr 1982 in das Jahr 2005 katapultiert. Was einen zuerst etwas stutzig macht - denn das Rom im Jahr 1982 gibt ein schönes Setting ab, das man eigentlich nur ungern verlässt -, erweist sich als segensreich für viele Aspekte des Buches. Nicht nur kann man beobachten, wie Balistreri vom draufgängerischen, rauchenden und saufenden Weiberheld zum teetrinkenden "Weichei" wird - und das sehr überzeugend, sondern auch, wie sich Rom und Italien im Laufe der Zeit verändern. Dass all dies überzeugend in die wohldurchdachte Handlung integriert wird, zeugt einmal mehr vom schriftstellerischen Können des Autors, das trotz einiger verworrener Passagen außer Zweifel steht.
Abgerundet durch so manche überraschende Wendung kann die Handlung somit fast auf ganzer Linie überzeugen.


Fazit

Ein Thriller, der aus der Masse hervorsticht - nicht etwa durch Ekelbeschreibungen, wie die Aufmachung vielleicht vermuten ließe, sondern vielmehr durch eine ausgeklügelte Handlung und einem Grad an Realismus, der für das Genre wirklich Beispielhaft ist. Tolle Charaktere und ein gutes Setting runden das Ganze ab. Allerdings wird der Lesespaß doch hin und wieder durch einige zähe Passagen getrübt - zudem muss man als Leser extrem aufpassen, um den Überblick zu behalten, was das Buch nicht gerade zu einer "einfachen" Lektüre macht.


Pro & Kontra

+ realistische Darstellung der Ermittlungsarbeit
+ Charaktere und deren Entwicklung (insbesondere des Protagonisten)
+ Setting
+ durchdacht und mit überraschenden Wendungen

- die ein oder andere Länge
- generell wenig Tempo im Mittelteil
- teilweise ist es sehr schwer, der Handlung zu folgen

Wertung:

Handlung: 4/5
Charaktere: 4,5/5
Lesespaß: 3/5
Preis/Leistung: 4/5