
Genre: Thriller
Klappentext
Während ganz Rom 1982 das WM-Endspiel Italien gegen Deutschland
verfolgt, wird eine junge Angestellte des Vatikan ermordet. Der
draufgängerische Commissario Balistreri nimmt den Fall auf die leichte
Schulter. Ein Mörder wird nie gefunden. Über zwanzig Jahre später gibt
es erschreckend aktuelle Gründe, um den Fall wieder aufzunehmen. Doch
dem Opfer nach so langer Zeit Gerechtigkeit widerfahren zu lassen,
kostet Balistreri einen weit höheren Preis als angenommen …
Rezension
Was von der Aufmachung daherkommt wie einer jener Durchschnittsthriller,
die gerade so angesagt sind, hat es in Wirklichkeit ziemlich stark in
sich. Denn "Du bist das Böse" ist tatsächlich anders. Auf
überraschende, interessante - aber auch herausfordernde - Art.
Balistreri, ein junger und alles andere als ehrgeiziger
Polizeikommissar, ist nicht gerade angetan, als er am Abend des
WM-Endspiels gerufen wird. Eine junge Frau ist verschwunden - für
Ballistreri eigentlich kein Grund zur Aufregung, hätten deren Eltern
nicht einflussreiche Kontakte.
Schnell zeigt sich, dass Costantini ein schonungsloses Bild Italiens zu
seinem Setting macht, in dem er viele Probleme offenlegt und gekonnt in
seine Handlung mit einfließen lässt. So wird "Du bist das Böse" zu
einer detaillierten Momentaufnahme, die einen realistischen Blick auf
die politischen Gegebenheiten erlaubt. Immer wieder wird der Leser so
mit interessanten Hintergrundinformationen über ein Land versorgt, das
in diesem Licht fremd und vertraut zugleich erscheint.
Dieser Realismus ist die überragende Stärke an Costantinis Roman und das Unterscheidungsmerkmal zum Durchschnittsthriller. Ein Beispiel hierfür
ist seine Darstellung der Ermittlungsarbeit Ballistreris und seines
Teams. Sehr gelungen zeigt er auf, dass Ermittler keinesfalls die
genialen Supermänner sind, die alles sofort durchschauen, sondern
vielmehr die meiste Zeit falschen Fährten folgen, falsche Schlüsse
ziehen und nur mit sehr viel Durchhaltevermögen und harter Arbeit zum
Ziel kommen. Viel öfter würde man sich eine derart realistische und
detaillierte Darstellung der Ermittlungsarbeit von Kriminalbeamten in
Büchern wünschen.
Allerdings macht es Costantini seinen Lesern hierbei alles andere als
leicht. Denn das Verschwinden besagter junger Frau zieht eine ganze
Kaskade von Ereignissen nach sich, die vom Jahr 1982 bis zum Jahr 2006
reichen. Dabei wird man nahezu erschlagen von all den Verdächtigen,
Ermittlern und weiteren Personen sowie den teils sehr undurchsichtigen
Ermittlungsüberlegungen des Protagonisten und seines Teams. Wer hier
nicht abgehängt werden möchte, der muss schon recht aufmerksam lesen -
was den Lesespaß doch besonders im etwas langatmigen Mittelteil
ausbremst. Dennoch kreiert Costantini eine durchdachte und intelligente
Handlung, die neben der beschriebenen Wirklichkeitsnähe vor allem auch
von ihren Charakteren lebt. Hier reicht die Palette von gut bis
überragend. Denn mit Balistreri gelingt Costantini ein wirklich
hervorragender Charakter, der nahezu alle Punkte auf sich vereint, die
man sich wünschen könnte.
Besonders bemerkenswert ist hierbei seine Entwicklung, die in diesem
Ausmaß erst möglich wird durch den großen Zeitsprung, mit dem Costantini
den Leser mitten im Buch vom Jahr 1982 in das Jahr 2005 katapultiert.
Was einen zuerst etwas stutzig macht - denn das Rom im Jahr 1982 gibt
ein schönes Setting ab, das man eigentlich nur ungern verlässt -,
erweist sich als segensreich für viele Aspekte des Buches. Nicht nur
kann man beobachten, wie Balistreri vom draufgängerischen, rauchenden
und saufenden Weiberheld zum teetrinkenden "Weichei" wird - und das sehr
überzeugend, sondern auch, wie sich Rom und Italien im Laufe der Zeit
verändern. Dass all dies überzeugend in die wohldurchdachte Handlung
integriert wird, zeugt einmal mehr vom schriftstellerischen Können des
Autors, das trotz einiger verworrener Passagen außer Zweifel steht.
Abgerundet durch so manche überraschende Wendung kann die Handlung somit fast auf ganzer Linie überzeugen.
Fazit
Ein Thriller, der aus der Masse hervorsticht - nicht etwa durch
Ekelbeschreibungen, wie die Aufmachung vielleicht vermuten ließe,
sondern vielmehr durch eine ausgeklügelte Handlung und einem Grad an
Realismus, der für das Genre wirklich Beispielhaft ist. Tolle
Charaktere und ein gutes Setting runden das Ganze ab. Allerdings wird
der Lesespaß doch hin und wieder durch einige zähe Passagen getrübt -
zudem muss man als Leser extrem aufpassen, um den Überblick zu
behalten, was das Buch nicht gerade zu einer "einfachen" Lektüre macht.
Pro & Kontra
+ realistische Darstellung der Ermittlungsarbeit
+ Charaktere und deren Entwicklung (insbesondere des Protagonisten)
+ Setting
+ durchdacht und mit überraschenden Wendungen
- die ein oder andere Länge
- generell wenig Tempo im Mittelteil
- teilweise ist es sehr schwer, der Handlung zu folgen
Wertung:
Handlung: 4/5
Charaktere: 4,5/5
Lesespaß: 3/5
Preis/Leistung: 4/5