Die Wand (Marlen Haushofer)

List, 1. Auflage November 2004
Taschenbuch, 285 Seiten
€ 8,95 [D] | € 9,20 [A] | sFr 16,90
ISBN: 978-3-54860-571-5

Genre: Belletristik


Klappentext:

Eine Frau will mit ihrer Kusine und deren Mann ein paar Tage in einem Jagdhaus in den Bergen verbringen. Nach der Ankunft unternimmt das Paar noch einen Gang ins nächste Dorf - und kehrt nicht mehr zurück. Am nächsten Morgen stößt die Frau auf eine unüberwindbare Wand, hinter der Totenstarre herrscht. Abgeschlossen von der übrigen Welt, richtet sie sich inmitten ihres eingegrenzten Stücks Natur und umgeben von einigen zugelaufenen Tieren aufs Überleben ein …


Rezension:

Eine Frau, der Name bleibt im kompletten Buch ungenannt, fährt eigentlich nur zu einem Kurzurlaub mit Bekannten auf deren Jagdhütte in den österreichischen Bergen. Als ihre Gastgeber sich am Abend entschließen, das nahegelegene Dorf zu besuchen, entscheidet sich die Protagonistin gegen diesen Ausflug und bleibt stattdessen allein in der Hütte zurück. Als sie am nächsten Morgen aufwacht, stellt sie fest, dass ihre Gastgeber noch nicht wieder zurückgekehrt sind. Weil das untypisch für diese ist, wird die Namenlose etwas unruhig und begibt sich mit dem Hund Luchs auf die Suche - bis sie gegen ein unsichtbares Hindernis stößt. Egal, wie weit sie nach links oder rechts geht, es gibt keine Möglichkeit, dieses Hindernis zu umgehen oder zu überwinden. Sie scheint gefangen, hofft jedoch, vielleicht doch irgendwie einen Ausweg zu finden. In Gesellschaft von Luchs und den anderen tierischen Hüttenmitbewohnern baut sie sich ein neues Leben in der unbekannten Einsamkeit auf. Nach zweieinhalb Jahren hinter dieser Wand, die sie selbst so nennt, beginnt sie schließlich, einen Bericht über dieses Leben zu schreiben, um den Verstand nicht zu verlieren.

Ein von allem isoliertes Leben und keine Möglichkeit zum Austausch mit anderen Menschen, eingeschlossen von einer unüberwindbaren Hürde – Die Wand ist nicht nur Haushofers wahrscheinlich wichtigstes Buch, sondern lieferte wohl schon im Ersterscheinungsjahr 1963 jede Menge Diskussionsstoff. Insgesamt sehr leise und bedächtig gehalten gehört dieser Roman nicht zu denen, die auf den ersten Blick für viel Trubel sorgen, denn die Aufregung liegt in der Geschichte selbst und vor allem in den Gedanken, die im Leser nachhallen – oder auch nicht. Eindeutig fällt Die Wand in die Rubrik der polarisierenden Romane, denn die Erlebnisse und Erfahrungen der namenlosen Protagonistin sind speziell in ihrer schriftlichen Umsetzung. Nicht jedem Leser dürfte sich die Botschaft erschließen und der leichte, sich oft wiederholende Sprachstil könnte in so manchem eher die Langeweile wecken. Für andere hingegen ist vielleicht gerade diese einfach gehaltene Sprache der Grund, warum das Buch nicht zur Seite gelegt, sondern weiter gelesen wird. Denn auch wenn einzelne Szenen und Abläufe sich – notgedrungen – wiederholen, fällt ein Aus-der-Hand-Legen doch irgendwie schwer, da Marlen Haushofer ein Talent dafür hat, auch mit den einfachsten Worten eine Spannung aufzubauen, der man sich nur schwer entziehen kann.

Obwohl die Geschichte eher langsam anläuft, findet sich der Leser sehr schnell mitten im Geschehen wieder. Und die ständigen Wiederholungen fallen zwar auf, jedoch irgendwie nicht so richtig ins Gewicht. Sie sind notwendig, um den Tagesablauf der Protagonistin – vor allem für sie selbst – planbar zu machen und nachvollziehen zu können. Der stumpfe, immer wiederkehrende Alltagsrhythmus wird auch für den Leser irgendwann zu einem Ritual, das durch kleinste Abweichungen den kompletten Tagesplan über den Haufen werfen könnte. Kleinigkeiten, die normalerweise als selbstverständlich angesehen werden und wie von selbst von der Hand gehen, bekommen in Die Wand eine neue Rolle, weil sie zum Überleben unter erschwerten Bedingungen nicht einfach nebenbei erledigt werden können. Als besonders intensiv wird der Kontakt zu den Tieren empfunden, was dem Leser erstmal seltsam vorkommt, jedoch lediglich Gewöhnungssache ist.

Unterhaltungslektüre der besonderen Art: Die Wand überzeugt nicht mit einer im eigentlichen Sinn spannenden Geschichte, sondern bietet einen Blick hinter die Kulissen des Menschseins als Herdentier. Als Leser wird man dazu angehalten, sich gedanklich mit der Situation der unfreiwilligen, völligen Abgeschiedenheit auseinander zu setzen. Definitiv kein massentauglicher Lesestoff für jedermann, aber eine klare Empfehlung für ruhige Leseabende.


Fazit:

Die Wand ist inhaltlich keine einfache Literatur, sondern setzt voraus, dass man sich schon während des Lesens ein wenig intensiver mit der erzählten Geschichte auseinander setzen möchte. Marlen Haushofer stellt in diesem eher für Erwachsene geeigneten Roman eine besondere Art der Einsamkeit dar und hinterlässt beim Leser ein seltsames Gedankenpaket, das lange nachhallt. Eine Lesempfehlung für alle, die sich ab und zu nach Einsamkeit und Ruhe sehnen, denn in diesem Buch findet man sie garantiert - wenn auch nicht so, wie man sie sich vorstellen würde.


Wertung:

Handlung: 3,5/5
Charaktere: 4,5/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 3,5/5