Beltz (Juli 2012)
Übersetzt aus dem Englischen von Gerold Anrich
Hardcover, 384 Seiten, 16,80 EUR
ISBN 978-3-407-81121-9
Genre: Phantastik / Jugendbuch
Klappentext
Victor und Konrad Frankenstein lieben einander so innig, wie es nur Zwillinge vermögen. Allein die schöne Elizabeth steht zwischen ihnen. Da erkrankt Konrad plötzlich an einem unheilbaren Fieber. Victor ist verzweifelt. Er würde alles tun, um seinen Bruder zu retten. In einer geheimen Bibliothek stößt er auf ein Buch, das die Rezeptur zum legendären „Elixier des Lebens“ verspricht. Der aufgeklärte Victor ist skeptisch. Doch was hat er zu verlieren? Zusammen mit Elizabeth macht er sich auf die Suche nach den furchterregenden und grotesken Zutaten. Unvorstellbare Prüfungen erwarten die beiden – und unerwartete Versuchungen. Die Macht über Leben und Tod zieht Victor immer mehr und mehr in ihren Bann …
Rezension
Victor und Konrad Frankenstein führen ein privilegiertes Leben, die Familie Frankenstein ist angesehen und wohlhabend und die beiden Jungen gelten als überaus talentiert. Nur kann Konrad irgendwie immer alles ein wenig besser als Victor, immer ist Konrad der charmantere und liebenswürdigere. Und Elizabeth scheint den ruhigen Konrad zu bevorzugen. Dennoch wird Victor vor Verzweiflung schier verrückt, als sein Zwillingsbruder an einem mysteriösen Fieber erkrankt. Verschiedene Ärzte werden konsultiert, doch niemand scheint Konrad helfen zu können. Victor, der eigentlich Religion und Aberglauben skeptisch begegnet, greift auf das Wissen der Dunklen Bibliothek zurück, die sich in Burg Frankenstein verbirgt. Verbotene Bücher über Alchemie warten dort geradezu darauf, dass Victor in ihnen liest. Eines enthält tatsächlich die Formel zum Elixier des Lebens, doch das magische Alphabet, in dem sie verfasst wurde, ist unlesbar. Allerdings vermag der zwielichtige Apotheker und Alchemist Polidori Victor bei der Suche nach dem Elixier zu helfen …
Im Vergleich zum besonnen Konrad ist Victor ein hitziges Gemüt, der seine Leidenschaft schwer im Zaum halten kann. Er liebt seinen Bruder über alles, doch gleichzeitig sieht er in ihm seinen größten Rivalen. Insbesondere wenn es um Elizabeth geht, die wie eine Schwester mit den Brüder aufgewachsen ist und nun auf dem Weg zum Erwachsenwerden immer anziehender auf Victor wirkt. Doch sie scheint ihr Herz bereits an Konrad verloren zu haben. Als dieser schwer erkrankt, beschließt entgegen ihres unguten Gefühls, Victor bei der Suche nach dem geheimnisvollen Elixier zu unterstützen. Auch ein guter Freund der Frankenstein-Brüder, Henri, beteiligt sich an der Suche. Der junge Poet erweist sich jedoch als ängstlich und übernimmt meist die Wache, während sich Victor und Elizabeth in Gefahr stürzen. Die Zutaten für das Elixier sind tatsächlich ein wenig grotesk, wobei sie gleichzeitig relativ simpel sind. Nur der Weg dorthin ist steinig und teilweise grausig.
Bei der Suche stellt Victor nach Polidoris Anleitung alchemistische Elixiere her, wie beispielsweise ein Licht ohne Feuer und die Sicht des Wolfes. Seine oberste Priorität ist die Heilung seines Bruders, doch man spürt von Seite zu Seite mehr, wie sich Victor in den Versprechungen der Alchemie verliert. Selbst als Victor zwischenzeitlich durch einen modernen Arzt geheilt scheint, sucht er weiter nach dem Elixier des Lebens. Konrad unterstützt ihn fortan ebenfalls, was die Rivalität zwischen beiden verstärkt. Für Victor ist die Alchemie sein Projekt, über das er unter allen Umständen die Kontrolle wahren will. Auch bemerkt man zwischenzeitlich Anflüge eines hier noch jugendlichen Größenwahns, der später zur Erschaffung von Frankensteins Monster führen könnte. Victor bezeichnet seinen Bruder sogar manchmal als „mein Geschöpf“, sobald er ihn nur mit dem Elixier geheilt hätte.
„Düsteres Verlangen“ trägt also zu Recht den Untertitel „Die wahre Geschichte des Victor Frankenstein“, denn Kenneth Oppel hat hier eine Art Vorgeschichte zu Mary Shelleys Werk kreiert. Es treten die Figuren aus der Originalgeschichte auf und die innere Wandlung des jungen Victor Frankenstein wird so geschildert, dass man sich nach der Lektüre gut vorstellen kann, dass die Ereignisse aus Mary Shelleys „Frankenstein“ eintreffen werden. „Düsteres Verlangen“ ist allerdings ein Jugendbuch, bei dem jugendliche Helden spannende Abenteuer überstehen. Dazwischen führt der Autor sorgsam an die Psyche Victors heran, der zwischen der Liebe zu seinem Bruder, seiner Eifersucht und dem Wahn, etwas Unvorstellbares zu schaffen, zerrissen wird.
Das atmosphärisch ausgearbeitete historische Setting trägt sein Übriges dazu bei, dass der Roman auch erwachsenen Lesern Freude bereiten kann. „Düsteres Verlangen“ verfügt über die Emotionalität und Spannung, die junge Leser anspricht, und bietet darüber hinaus tiefergehende Gedanken. Das Cover mit dem Motiv wie aus einem Rorschachtest passt dabei perfekt zur Geschichte, in der Victors psychische Entwicklung im Vordergrund steht. Zudem sieht es einfach genial aus und wartet mit einem schönen Glanzdruck auf. Das Hardcover hat einen guten Preis, sodass man bei der Qualität des Inhalts bedenkenlos zugreifen kann.
Fazit
„Düsteres Verlangen – Die wahre Geschichte des Victor Frankenstein“ überzeugt mit seiner eindringlichen historischen Atmosphäre, in die sich phantastische Elemente nahtlos einfügen. Vielschichtige Charaktere und der düstere Charme dieses Werkes dürften sowohl junge und erwachsene Leser begeistern. Ein leidenschaftlicher Roman voller Licht und Dunkelheit, der Mary Shelleys Originalgeschichte durchaus gerecht wird.
Pro & Contra
+ historisches Setting mit viel Atmosphäre
+ vielschichtige Charaktere
+ spannende Handlung
+ düsterer Charme
+ Victors innere Wandlung
Wertung:
Handlung: 4/5
Charaktere: 4,5/5
Lesespaß: 5/5
Preis/Leistung: 4/5
Rezension zu "Ein dunkler Wille - Das Schicksal der Brüder Frankenstein"