Heyne (November 2008)
Paperback, Broschur, 784 Seiten, 13,5 x 20,6 cm
ISBN: 978-3-453-53298-4
€ 14,00 [D] | € 14,40 [A]
Genre: Horror
Klappentext
Es ist das Jahr 2033. Nach einem verheerenden Krieg liegen weite Teile der Welt in Schutt und Asche. Auch Moskau ist eine Geisterstadt. Die Überlebenden haben sich in die Tiefen des Metro-Netzes zurückgezogen und dort eine neue Zivilisation errichtet. Eine Zivilisation, wie sie es noch nie zuvor gegeben hat.
Dies sind die Abenteuer des jungen Artjom, der von seiner Heimatstation aufbricht, um die Metro von einer dunklen Bedrohung zu bewahren. Denn die letzten Menschen sind nicht allein dort unten …
Rezension
In der heutigen Zeit ist die Angst vor einem atomaren Krieg und die daraus folgende Auslöschung der Menschheit groß. Jeder Test mit nuklearen Waffen wird von den Medien genutzt, die Angst zu schüren. Und viele sind sich sicher, dass es passiert. Irgendwann – vielleicht ganz unerwartet – betätigt einer einen Knopf, startet die Triebwerke einer Langstreckenrakete mit Atomsprengkopf oder öffnet eine Flugzeugluke und lässt die A-Bomb herabfallen wie über Hiroshima und Nagasaki. Für viele ist das keine Frage des Ob, sondern des Wann.
2033 ist das bereits passiert. Zumindest wenn es nach Dmitry Glukhovsky in seinem Debütroman Metro 2033 geht. Die Hintergründe sind den Überlebenden kaum noch bekannt, schließlich ist es schon 20 Jahre her. Wer angefangen hat, welche politischen Gründe dahinter steckten, ist nur den Wenigsten bekannt. Sicher ist aber, dass die Erde nicht mehr bewohnbar ist. Von den über 10 Millionen Russen, die in Moskau gelebt haben, sind nur noch wenige Zehntausend übrig. Mehr konnten sich nicht in die Metrostationen retten. Die Vermutungen, dass es andernorts in ähnlichen U-Bahn-Netzen auch Überlebende gibt, liegt nah, aber niemand weiß etwas Genaues.
Einer der Überlebenden ist Artjom, noch in der „alten“ Welt geboren und aufgezogen von seinem Pflegevater, der ihm das Leben gerettet hat. Erinnern kann sich der 21-Jährige nicht mehr, wie es oben aussieht. Er hat sich dem Leben in der Metro angepasst, ebenso wie der Rest. An den ehemaligen Haltestationen leben die unterschiedlichsten Menschen. Ihre Infrastruktur ist simpel, aber sie haben Essen, Strom und Waffen. Auf Letzteres sind sie besonders angewiesen. An den Sicherheitsabsperrungen, an denen Tag und Nacht Wache gehalten wird, herrscht die Angst. Menschen verschwinden in den Gängen, spurlos, lautlos. Die Überfälle der Schwarzen ereignen sich immer öfter und werden immer schwerer abzuwenden.
Artjoms Leben nimmt eine entscheidende Wendung, als ein Mann, der sich selbst Hunter – der Jäger – nennt, ihn in seine Mission einweiht. Sollte er von dieser nicht zurückkehren, bittet er Artjom zur Polis zu reisen und von seinem Tod und dessen Grund berichten. Damit beginnt eine Reise durch eine neue Zivilisation.
Es ist beeindruckend, wie es Glukhovsky schafft, spannend und flüssig zu schreiben, ohne jemals einen erwähnenswerten Zeitsprung zu tätigen. Der Fokus von Hauptfigur Artjom wird nie verlegt, sein Weg zum Ziel nie unterbrochen, außer er schläft. Und selbst diese Lücken werden durch visionäre Traumsequenzen gefüllt. Auf Absätze wurde völlig verzichtet, was das Gefühl noch verstärkt. Außerdem sind die Kapitel mit einer Seitenzahl von durchschnittlich 38 Seiten recht hoch ausgefallen.
Auch Dialoge gibt es nicht zu knapp. Meistens unterhalten sich die Leute um Artjom herum und erlauben ihm und dem Leser, Fragmente der Geschichte der Metro und des Krieges zu sammeln und zu einem Ganzen zusammenzulegen.
Das Buch lässt sich in zwei Hälften aufteilen. In der ersten Hälfte nimmt sich der Autor sehr viel Zeit, die neue Art zu Leben zu beschreiben. Auf Artjoms Reise wird schnell klar, dass sich die Menschen auf verschiedenste Arten mit Situation anfreunden. Während die meisten so normal wie möglich leben und auf technische Errungenschaften nicht verzichten möchten, sich Leben als Händler oder Wachen aufbauen, verschlägt es andere in Sekten, die ein neues Weltbild verbreiten und sich Armer und Obdachloser annehmen, um sie mit ihrer Religion zu blenden. Auch Faschisten haben sich zusammengeschlossen und huldigen Adolf Hitler, indem sie dunkelhäutige Foltern und töten.
Tatsächlich ist es dem Leser möglich, sich vorzustellen, dass es genauso in so einem Fall aussehen könnte. Das ganze menschliche Verhalten scheint stimmig und man taucht tief in die Metro ein.
Beanstanden kann man lediglich, dass der Geschichtsstrang bis dorthin so geradlinig abläuft und ein Zufall den anderen hetzt, dass man befürchtet, dass Artjoms Abenteuer nicht das halten kann, was es verspricht.
Pünktlich zur Halbzeit zieht Dmitry Glukhovsky das Tempo immens an. Artjom erreicht endlich sein Ziel und erst jetzt wird klar, wie Artjom seine Station beschützen kann. Die eigentliche Mission beginnt erst und zeigt die unbekannte Seite der Metro.
Zusätzlich gelingt es dem Autor, die Beanstandung aus der ersten Buchhälfte zunichte zu machen. Denn gerade die Aneinanderreihung von Zufällen ist es, die die Frage nach der Existenz des Schicksals aufwirft. Es ist eine immer wiederkehrende Überlegung, ob der Mensch nun frei ist oder einem Schicksal unterliegt, ob die Geschehnisse und Zufälle tatsächlich Zufälle sind, oder es so kommen musste, damit Artjom seine Bestimmung erfüllen kann.
Mit jeder Seite wird dieser Debütroman besser. Die Effekte der Strahlung auf die alte Welt wirken eher wie eine Vision als eine Fiktion. Mutationen der Neugeborenen und die Veränderung der hierarchischen Struktur, deren Spitze nun nicht mehr der Mensch, sondern ganz andere Wesen beherrschen.
Auf dem Gipfel der Spannung auf den letzten Seiten gelingt es Glukhovsky noch, ein Ass aus seinem Ärmel zu ziehen, das macht spätestens jetzt das Buch zu einem Genuss, der noch viele Tage in Gedanken hängen bleibt.
Neben der guten Geschichte und den philosophischen Fragen, über die geistige Freiheit des Menschen, ist Metro 2033 auch eine Studie und Kritik der Spezies Mensch. Eine Rasse, die aus ihren Fehlern nicht lernt. Selbst nach der durch eigene Hand herbeigeführten, beinahe vollständigen Vernichtung der Menschheit gelingt es ihr nicht, ihrer Natur zu entfliehen.
Fazit
Metro 2033 von Dmitry Glukhovsky ist ein herausragendes Debüt, das mehr bietet als eine spannende und visionäre Geschichte. Freunde von Endzeitszenarien sollten unbedingt zugreifen. Die Vorfreude auf den Folgeband Metro 2034 ist garantiert.
Pro und Kontra
+ spannend
+ visionär
+ Studie der menschlichen Natur
+ tolles Ende
o lange Kapitel, keine Absätze
o Autor nimmt sich viel Zeit für Hintergründe
- erste Hälfte zieht sich stellenweise
Beurteilung:
Handlung 4,5/5
Charaktere: 4/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 5/5
Literatopia-Links zu weiteren Titeln von Dmitry Glukhovsky:
Rezension zu Metro 2033 (Comic)