Dark Inside (Jeyn Roberts)

Loewe, 1. Auflage Juni 2012
Originaltitel: Dark Inside
Aus dem Englischen von Bea Reiter
Klappenbroschur, 400 Seiten
14,95 € (D) | 15,40 € (A)
ISBN: 978-3-7855-7396-9
Leseprobe

Genre: Jugend-Dystopie


Über das Buch:

Aries kämpft sich nach einem Erdbeben durch zerstörte Straßen.
Clementine überlebt als Einzige ein Blutbad in der Gemeindehalle.
Mason verliert all seine Freunde bei einem Bombenanschlag.
Michael entkommt nur knapp dem Amoklauf zweier Polizisten.

Vier Jugendliche kämpfen in einer postapokalyptischen Welt um ihr Überleben. Sie können niemandem trauen. Nicht einmal sich selbst.

Erdbeben verwüsten ganze Kontinente, zerstören Städte und Häuser. Doch etwas regt sich, was tausendmal schlimmer ist: eine dunkle Kraft, die Menschen in rasende Bestien verwandelt.
Wer nicht befallen wird, kämpft um sein Leben. Keiner kann den Monstern entkommen, denn sie sind mitten unter uns: ein Freund, ein Familienmitglied, ein Kind. Ihre Tarnung ist perfekt.

„Dark Inside“ ist der erste von zwei Bänden.


Rezension:

„Kannst du es hören?“, fragte der Fremde. Er stand regungslos da, die Arme an den Seiten, die Augen geschlossen, das Gesicht nach oben zum Himmel gerichtet.
„Was?“ Sie spitzte die Ohren, konnte aber nichts Ungewöhnliches hören.
„Das Nichts. Keine Löschfahrzeuge, Rettungswagen, Streifenwagen. Keine Leute, Autos, Stereoanlagen, Computer. Die Dinge, mit denen wir die Stille unserer Einsamkeit ersetzen. Die Zerstreuung, mit der wir die Leere in unserer Seele übertünchen wollen. Es ist alles weg.“
„Willst du damit sagen, dass unsere Seelen leer sind?“
„Nein, ich will damit sagen, dass sie gefüllt worden sind.“
„Womit?“
Der Fremde lächelte. „Die Menschheit hat ein Heilmittel für eine Krankheit gefunden, von der sie nicht einmal wusste, dass es sie gibt.“
(Aries, Seite 60)


Ein Erdbeben erschüttert den amerikanischen Kontinent. Millionen Menschen sterben, Tausende werden in den kommenden Stunden ebenfalls ihr Leben lassen – alles ist außer Kontrolle und im Ausnahmezustand. Doch das scheint nicht das Schlimmste zu sein, was der Menschheit in diesen Tagen zustoßen könnte: Ein Virus oder irgendwas in der Art breitet sich aus und macht aus harmlosen Leuten, aus Ordnungshütern und besten Freunden mörderische Bestien, die Amok laufen und erst dann an ihrem Hauptmerkmal zu erkennen sind, wenn es zu spät ist. Schwarz geaderte Augen sieht man eben erst, wenn man dem gefährlichen Feind direkt gegenübersteht.
In dieser neuen Welt versuchen vier voneinander unabhängige Jugendliche, sich alleine, in kleineren oder größeren Gruppen durchzuschlagen. Aries, die mit Freunden im Bus unterwegs war, als das Erdbeben ihre Welt aus den Angeln hebt, und die jetzt nicht weiß, ob ihre Familie noch am Leben ist. Clementine, die von ihrer Mutter aus der Gemeindehalle gejagt wird, bevor dort ihre ganze Stadt niedergemetzelt wird, und die sich nun zu ihrem Bruder durchschlagen möchte. Mason, der ein Bombenattentat auf seine Schule nur deshalb überlebt, weil seine Mutter einen schweren Autounfall hatte und schließlich ihren Verletzungen im Krankenhaus erliegt. Und Michael, der auf dem Heimweg Zeuge einer sehr verwunderlichen Polizeiaktion wird und nicht weiß, was er davon zu halten hat.
Sie alle haben nur ein Ziel: Um jeden Preis zu überleben und auf keinen Fall den so genannten Hetzern in die Hände geraten, die überall ihr Unwesen treiben und in einigen Fällen wie ganz normale Menschen aussehen und handeln. Niemand weiß, was genau diese Personen befällt, wodurch es ausgelöst wird oder wie man es bekämpfen kann. Klar ist nur, dass es in jedem zu stecken scheint und irgendwann zum Ausbruch kommen kann. Also stellt sich die Frage: Wem ist eigentlich noch zu trauen in dieser neuen Welt?

Not just another Jugend-Dystopie – das denkt man heutzutage sicher nicht unbedingt selten, wenn man einen Buchladen betritt und sich in der Jugendbuchabteilung auf den neuesten Stand bringen möchte. Doch Dark Inside sticht bereits optisch aus der Vielzahl der umstehenden Büchern hervor. Es gibt kein farbenfrohes Cover, keine verspielte Schriftart und – für die Rezensentin ein bedeutender Punkt – kein dominierendes Frauengesicht, von dem man sich ununterbrochen angestarrt und dadurch genötigt fühlt, das Buch zu kaufen. Nein, Jeyn Roberts’ Debütroman besticht schon durch seine optische Aufmachung, die auf den ersten Blick schlicht gehalten scheint und seine perfekt zum Inhalt passenden Feinheiten erst offenbart, wenn man bereit ist, sich genauer damit zu befassen. Denn wie auch die Geschichte selbst lebt das Cover von den kleinen Details, die nicht sofort ins Auge fallen, sondern erst mit der Zeit wirklich wirken. Und gerade das macht Dark Inside zu einem wunderbar erfrischenden, gänzlich aus der Masse heraus stechenden und innovativen Leseerlebnis – denn wenn die Autorin eins schafft, dann ist das das Überraschen ihrer Leser. Wer hier etwas Typisches und schon x-mal Gelesenes erwartet, wird sicherlich enttäuscht sein. Alle anderen jedoch werden an dieser Dystopie ihre wahre Freude haben.

Denn neben dem fast lovestoryfreiem – ein bisschen Liebe muss immer sein, und die hier verwendete Dosis ist für das Szenario genau richtig – Plot sind auch die Charaktere sind unbedingt so, wie man sie erwarten würde. Wer den Klappentext liest, wird sofort Vermutungen anstellen, wer mit wem zusammenkommen könnte, schließlich gibt es hier zwei männliche und zwei weibliche Protagonisten – wie gemacht für ein gemischtes, klassisches Jugend-Dystopie-Doppel. Doch so viel kann man an dieser Stelle wohl schon verraten: Diese Erwartungen werden nicht erfühlt und es bleibt auch nicht bei diesen vier genannten Personen. Jeyn Roberts versteht es unheimlich gut, weitere Charaktere so in ihre Geschichte einfließen zu lassen, dass man sich irgendwann fragt, wie sie auf den ganzen vorhergehenden Seiten ohne diese ausgekommen ist. So richtig lernt der Leser zwar niemanden kennen, das fällt allerdings durch das hohe Erzähltempo kaum auf – auch hier hat die Autorin genau das richtige Maß gefunden, um die Charaktere dem Leser zwar näher zu bringen, aber auch genug Spielraum für weitere Überraschungen zu lassen. Besonders die wechselnden Sichtweisen sorgen hier für ein leichtes Durcheinander, das jedoch die (An)Spannung nur noch zusätzlich unterstreicht. Die einzelnen Kapitel werden nur aus der Perspektive von einem der vier Protagonisten erzählt, und dann gibt es noch einen fünften unabhängigen Erzähler, über den im Rahmen der Rezension nicht mehr verraten wird – jeder Leser sollte sich selbst überraschen lassen.

Vom ersten Anblick im Buchladen bis zur letzten gelesenen Seite beweist Jeyn Roberts mit ihrem Debüt, dass Jugend-Dystopien sehr viel mehr sein und bieten können, als das den Buchmarkt derzeit überrennende klischeehafte Massenprodukt zeigt. Dark Inside überzeugt mit schlichter Aufmachung, authentischen Charakteren, spannendem Plot inklusiver minimaler Liebesanteile und einem Ende, das zwar die Möglichkeit eines zweiten Bandes eröffnet, aber auch alleine stehen bleiben könnte. Der Leser bekommt durch dieses Buch viel Stoff zum Nachdenken, auch Erwachsene dürften nach der Lektüre noch einige Zeit gedanklich beschäftigt sein, und die einzige Frage, die wirklich offen bleibt, ist die nach dem deutschen Erscheinungstermin des zweiten Bandes.


Fazit:

Dark Inside ist eine Jugend-Dystopie, die sich in keiner Weise in den üblichen Einheitsbrei einreihen lässt und auch erwachsene Leser begeistern wird. Jeyn Roberts erzählt die Geschichte in einer postapokalyptischen Welt, die schon morgen Gegenwart sein könnte, aus der Sicht von vier grundverschiedenen Jugendlichen, die in keinerlei Verbindung zueinander stehen und vorerst nur eins gemeinsam haben: Sie haben überlebt. Mitreißend, beängstigend und erstaunlich authentisch – ein überraschendes und innovatives Debüt und ein echter Lesegenuss für aufgeschlossene Dystopien-Fans!


Wertung:

Handlung: 4/5
Charaktere: 5/5
Lesespaß: 4,5/5
Preis/Leistung: 4,5/5