Barrierefreies Budo (Norman Goly, Hrsg.)

Verlag: Books on Demand; Auflage: 1 (23. November 2006)
Taschenbuch: 108 Seiten; 14,80 €
ISBN-13: 978-3833464140

Genre: Sachbuch


Klappentext

Vorurteile sind immer ein Zeichen mangelnder Vernunft

Karate im Rollstuhl, geht denn das? Kann ein Blinder kämpfen lernen? Darf ein Einbeiniger einen Schwarzgurt tragen, wenn er nicht treten kann? Begreift ein geistig Behinderter überhaupt, was Budo ist? Fragen über Fragen! Genau solche sind es, welche immer wieder zu unsinnigsten Diskussionen führen. Oft enden sie in stereotypen Denkansichten oder sozial erwünschtem Mitleid.

Die Schüler, Freunde und Partner des Seishin Shintai Kyokai Kampfkunstdojo Stade e.V. räumen in ihrer „Edition 1“ mit Vorurteilen auf, indem sie aus eigener Erfahrung von echter Integration in den Kampfkunstunterricht berichten. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend meinte dazu: „Zweck und Zielstellung Ihrer Bemühungen finden unsere Anerkennung“


Rezension

„Integration hört nicht schon am Trainingsstundenende auf und Integration fängt nicht erst am Trainingstundenanfang an.“

Kampfkunst ist nur was für Menschen, die absolut fit sind und mindestens einen Doppelsalto können. Diesen Eindruck kann zumindest der gewinnen, der sich Filme aus Hongkong und vermehrt auch Hollywood anschaut. Dort springen durchtrainierte Menschen wild in der Gegend herum und besiegen ihre Gegner gleich dutzendweise. Eine erste Korrektur dieser Vorstellung erfährt jener, der sich in einem typischen Kampfkunstdojo umsieht. Dort trainiert alt neben jung, dick neben dünn, fit neben untrainiert und in der Regel haben alle Spaß dabei, nach ihren eigenen Möglichkeiten zu trainieren. Die gesetzten Ziele sind meist unterschiedlich. Der eine will sich einfach nur bewegen, der andere kämpfen und wieder einer seine Technik immer weiter verbessern oder sich verteidigen. Es gibt also so schon eine große Vielfalt an Menschen und Zielsetzungen in jedem Verein. Außergewöhnlich wird es allerdings, wenn in einem Verein körperlich und / oder geistig Behinderte mittrainieren (der Begriff wird hier verwendet, da er auch im Buch selbst von Betroffenen Verwendung findet und aus Sicht des Rezensenten nur dann diskriminierend ist, wenn er in diesem Sinne gebraucht wird). Ein, auch heute noch, ungewohntes Bild.
Meist sind es Vorurteile beider Seiten, die Integration im Training verhindern. Dahinter muss noch nicht mal böse Absicht stecken. Bei den einen mag im Kopf sein, dass sie nicht geeignet sind oder es  nicht schaffen, eine entsprechende Leistung zu erbringen und die anderen mögen durchaus Skrupel haben einen körperlich benachteiligten anzugreifen, zu schlagen oder zu treten, wie es im Kampfsport/-kunsttraining eben durchaus vorkommt. Barrieren bestehen, die hauptsächlich in den Köpfen der Menschen zu finden sind.

Norman Goly und seine Mitstreiter des Kampfkunstdojo Stade e.V. bemühen sich mittlerweile seit Jahren diese einzureißen. Dazu wurden unter anderem diverse Lehrgänge organisiert, an denen jeder, ob behindert oder nicht, teilnehmen kann und bei denen jeder mit jedem trainiert. Das vorliegende Buch Barrierefreies Budo stellt eine Sammlung von Erlebnisberichten von Schülern des Kampfkunstdojos Stade und Teilnehmer dieser Lehrgänge dar. Es will keine Anleitung sein, wie ein entsprechendes Training zu gestalten ist. Das wäre auch fast unmöglich, da auf die einzelnen körperlichen Gegebenheiten individuell eingegangen werden sollte, sondern zeigt viel mehr, wie sich Einstellungen ändern können. Wie Vorurteile von beiden Seiten abgebaut und der Respekt voreinander wachsen kann. Beide Seiten kommen zu Wort und es zeigt sich, dass sich die Schüler der Kampfkünste in einem Punkt immer gleichen. Jeder will tiefer eintauchen in die Materie, mehr verstehen, mit sich in Einklang kommen und vor allem eins haben: Spaß beim Training – miteinander und nicht gegeneinander. Lehrer und Schüler geben hier direkt ihre Gedanken wieder und deshalb weiß, dass Buch Denkanstöße zu geben, die man so in wissenschaftlichen Texten zum Thema Behinderung und Sport nicht finden kann, da sie nicht der emotionalen Seite, nicht von den Gefühlen beim Training an das Thema herangehen.

Vor allem eins wird klar: Statt sich immer neue Begrifflichkeiten auszudenken, mit denen Diskriminierung sprachlich vermieden werden soll und doch gerade dadurch gefördert wird, da sie immer wieder aufs Neue die Unterschiede in den Mittelpunkt stellen, sollte man nichts auf die Begrifflichkeiten geben und Integration einfach leben.


Fazit

Barrierefreies Budo ist insofern ein wichtiges Buch, da es zeigt, dass einzig die innere Einstellung uns daran hindert, Integration wirklich zu betreiben, statt sie nur auf dem Papier mit neuen Begriffen auszuleben.


Bewertung:

Informationsgehalt: 5/5
Aktualität: 5/5
Verständlichkeit: 5/5
Lesespaß: 4,5/5
Preis/Leistung: 4/5