Die Stadt des roten Todes - Das Mädchen mit der Maske (Bethany Griffin)

Goldmann (November 2012)
Originaltitel: Masque of the Red Death
Originalverlag: Greenwillow/HC
Aus dem Amerikanischen von Andrea Brandl
Paperback, Klappenbroschur, 352 Seiten,
€ 12,99 [D] | € 13,40 [A] | CHF 18,90
ISBN: 978-3-442-47819-4

Genre: Dystopie / Fantasy


Klappentext

Die Stadt ist von der Umwelt abgeschnitten, ganze Straßenzüge liegen in Ruinen. Der Regent feiert wilde Feste, während die Bevölkerung von einer schrecklichen Seuche dahingerafft wird. Nur eine kleine Oberschicht kann sich durch kostbare Masken vor der Krankheit schützen. So auch die junge Araby. Doch unter der Last einer großen Schuld sucht sie Vergessen in den Nachtclubs der Reichen. Dort begegnet ihr der faszinierende, verführerische William. Und Elliott, tollkühn, ein Revolutionär. Beide werben um Araby. Und sie muss sich entscheiden, ob sie sich dem Leben stellen und kämpfen will. Um ihre Liebe. Um Vergebung für ihre Schuld. Und um die Zukunft.


Rezension

Araby wird von ihrer Freundin April mittels schöner Kleider, Schminke und ausschweifenden Abenden vom schwärenden Tod abgelenkt, der die Stadt langsam dahinrafft. Tote werden nicht mehr bestattet, sondern mit einem Leichenkarren gesammelt. Die Gesunden tragen – sofern sie es sich leisten können – Masken, die sie vor der Seuche schützen. Da Araby die Tochter des Maskenerfinders ist, lebt sie in der Oberstadt und hat gleich mehrere Masken. Im Debauchery Club sucht sie mittels Drogen das Vergessen, ihre Röcke sind kurz geschnitten, damit jeder ihre Haut sehen kann und dass sie gesund ist. Die Stadt wird von einem arroganten Prinzen regiert, auf der anderen Seite gibt es verschiedene Widerstandsgruppen. Reverant Malcontent predigt, die Seuche sei eine Strafe Gottes und nur die Demütigen werden überleben. Der Neffe des Prinzen, Elliott, will hingegen aktiv gegen die katastrophalen Umstände vorgehen und bringt Araby damit in Gefahr …

Schon auf den ersten Seiten wird der Leser hart mit den furchtbaren Lebensumständen in der Stadt konfrontiert: Araby beobachtet von ihrer Kutsche aus, wie die Leichensammler ihrer Arbeit nachgehen. Auch als sie kurz darauf in den Gängen des Debauchry Clubs das Vergessen sucht, bleibt die Stimmung düster. Wer eingelassen werden will, muss sich untersuchen lassen, ob er die Seuche in sich trägt. Alle Gäste tragen wir Araby knappe Kleidung, sodass jeder erkennen kann, dass sie keine eiternden Wunden haben. Wer sich infiziert hat, wird von der Gesellschaft ausgeschlossen und sogar getötet. Araby hat sich mit der Seuche arrangiert und lebt in den Tag hinein – ihr Lebensmut ist ohnehin erloschen, als ihr Zwillingsbruder an der Seuche starb. Sie gibt sich die Schuld dafür, weil sie als Kind zuerst eine Maske bekommen hatte, welche nach der Erstanwendung nur noch vom Besitzer getragen werden kann. In ihrer empfundenen Schuld gestattet sie sich selbst kein Glück – und dieses ist in der vom Tod beherrschten Stadt ohnehin Mangelware.

Arabys beste Freundin April hingegen ignoriert die Seuche. Alles, was für sie zu zählen scheint, sind Amüsement und ihre Schönheit. Sie wirkt anfangs oberflächlich und dadurch unsympathisch, doch nach und nach versteht man die Gründe für ihr Verhalten und entdeckt ganz neue Seiten an ihr. Ihr Bruder Elliott hingehen ist ein Rebell, der Araby in seine Intrigen hineinzieht. Er will die Welt verändern und Masken für alle herstellen lassen, doch seine Mittel sind kriminell. Araby lässt sich von seinen Visionen einwickeln und folgt dem launischen Mann, der einer der interessanten Charaktere des Buches ist. Elliott ist schwer zu durchschauen und sorgt mit seiner lapidaren Art für diverse Schmunzelmomente. Will, der im Debauchry Club arbeitet und Araby mit seinen Tätowierungen fasziniert, ist trotz seiner toughen Ausstrahlung ein Familienmensch, der die Nächte durcharbeitet, um seine jüngeren Geschwister durchzubringen. Araby findet an beiden Männern Gefallen, obwohl sie sich geschworen hat, nie etwas zu tun, was ihr Bruder Finn nicht mehr erleben kann. Beide Männer bewegen etwas in Araby – auf ganz unterschiedliche Art.

Das Setting ist dystopisch, enthält aber auch Fantasyelemente. Der Prinz und sein Schloss wollen nicht recht in eine Dystopie passen, es gibt Dampfkutschen und die Stadt macht insgesamt einen mittelalterlichen Eindruck. Diese Kombination liest sich spannend, doch an vielen Stellen wirkt sie unstimmig. Während man sich die verseuchte Stadt gut vorstellen kann, bleibt die Umgebung vage. Wo sich diese Stadt genau befindet und was eigentlich mit dem Rest der Welt passiert ist, bleibt ungeklärt. Auch Arabys Affinität zu Drogen ist zwar ein interessanter Ausgangspunkt, doch dafür, dass sie sich unbekannte Substanzen spritzen lässt, kann sie erstaunlich lange darauf verzichten. In dieser Hinsicht mangelt es an Konsequenz. Insgesamt wird in „Die Stadt des roten Todes“ vieles angerissen, viel Neugier geschürt, aber auch vieles im Dunkeln gelassen. Das Ende ist ebenfalls offen, die Fortsetzung wird im April 2013 auf Englisch und vermutlich im Herbst / Winter auf Deutsch erscheinen.

Bethany Griffin hat eine ungewöhnliche Dystopie geschaffen, die in vielen Details fasziniert und in manchen Punkten eher irritiert. Die Welt hat einen düsteren Charme, ist jedoch zumindest im ersten Band nicht greifbar. Auch erscheint Araby zu sehr wie ein Spielball verschiedener Mächte, sie folgt ihrem Herzen, macht Fehler und wird ausgenutzt. Erst am Ende überwindet sie die Schranken, die sie sich selbst geschaffen hat. Im Großen und Ganzen hebt sich „Die Stadt des roten Todes“ durch das eigentümliche Setting von anderen Dystopien ab. Zwischen diversen Unstimmigkeiten gibt es viele Szenen, die direkt ins Herz treffen und mit einem schlichten Wortwechsel die ganze Grausamkeit dieser Welt zeigen. Da schimmert ein großes Talent der Autorin durch. Für Genrefans ist genug Romantik enthalten, doch sie kommt ohne Kitsch aus und lässt der finsteren Atmosphäre genug Raum zur Entfaltung. Das Cover spiegelt diese beklemmende Atmosphäre dabei vortrefflich.


Fazit

„Die Stadt des roten Todes – Das Mädchen mit der Maske“ ist eine ungewöhnliche Dystopie voll düsterem Charme, die von kleinen Unstimmigkeiten überschattet wird. Bethany Griffin hat eine spannende Welt geschaffen, die man in den Folgebänden gerne weiter erforschen würde. Romantisch, aber auch grausam – und mit vielen Szenen, die sich ins Gedächtnis brennen.


Pro & Contra

+ facettenreiche Charaktere
+ romantisch, aber nicht kitschig
+ authentische Reaktionen auf die Seuche
+ düster und dem Setting entsprechend grausam
+ durchweg spannend

- kleine Unstimmigkeiten
- der Weltentwurf ist noch zu diffus

Wertung:

Handlung: 3,5/5
Charaktere: 3,5/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 4/5