Die Frau, die vom HImmel fiel (Simon Mawer)

Deutsche Verlags- Anstalt (DVA, November 2012)
Gebundene Ausgabe, 384 Seiten, 19,99 Euro
ISBN 13: 978-3421045652

Genre: Romantik, Historik


Klappentext

Marian Sutro ist kein Mädchen wie die anderen. Soeben aus der Schule ins Leben entlassen, kauert die neunzehnjährige Londonerin nun vor der geöffneten Tür eines Flugzeugs der Royal Airforce, unter ihr das besetzte Frankreich, bereit, mit dem Fallschirm ins Ungewisse zu springen. Sie soll ihre Jugendliebe Clement aufsuchen, der in Paris für die Nazis als Wissenschaftler arbeitet. Wir sie ihre Aufgabe erfüllen? Wird sie Clement finden – und was wird dann mit Benoit, ihrem neuen Liebhaber?

„Leidenschaft plus Gefahr – was könnte aufregender sein?“ (The Times)


Rezension

Simon Mawer, der 1948 als Kind eines Royal Airforce Soldaten in England geboren wurde, kann bis heute einige Bestseller auf seinem Konto verbuchen, von denen zwei, einige, wichtige Literaturpreise erhalten haben. Der heute in Italien lebende Autor hat mit seinem neuen Roman Die Frau, die vom Himmel fiel ein Werk vorgelegt, das den Spagat zwischen Casablanca und Vom Winde verweht versucht.

Marian Sutro ist eine 19- Jahre alte Frau, die von der SOE (Special Operation Executive) angeheuert wird, um in dem von Nazis besetzten Frankreich geheime Operationen zu leiten. Diese manifestieren sich in verschiedenen Aufgaben, die weit über die übliche Spionage hinauslaufen. Die Vorgesetzten der WAAF (Woman’s Auxiliary Air Force), in der Marian selbst Mitglied ist, werden besonders auf sie aufmerksam, da sie neben zahlreichen Talenten, Kontakte zu Clement, einem Physiker und ihrer alte Jugendliebe, hatte. Dieser arbeitet momentan für die Nationalsozialisten und könnte den Engländern im weiteren Kriegsverlauf von großem Nutzen sein. Ihre Aufgabe ist es, ihn zu finden. Wobei nicht nur Politik und Geschichte vor dem Auge des Lesers stattfinden, sondern vor allem Marians Gefühlsleben, das eins um andere Mal auf die Probe gestellt wird, nachdem sie Benoit, der später ihr neuer Liebhaber wird, kennenlernt.

Der Roman besteht im Prinzip aus zwei großen Komponenten, die klar voneinander zu trennen sind. Mawer, dessen Mutter selbst in der WAAF tätig war, zeigt hier seine Liebe zum geschichtlichen Detail. Er übermittelt dem Leser den Eindruck, dass er Wert darauf legt, so viele Tatsachen wie nur irgend möglich über die Frauen, die vom Himmel fielen, zu übermitteln. Andererseits soll seine Geschicklichkeit in Bezug auf eine Verbindung zwischen Krieg und Liebe deutlich werden. Er greift also ein altbekanntes beliebtes Motiv auf, welches die Zerrissenheit der Charaktere zwischen der Aufgabe an sich und privaten Empfindungen in Zeiten des Zweiten Weltkrieges darstellen soll. Nach der Lektüre des Romans wird jedoch schnell klar, dass die Gewichtung auf der Liebesgeschichte liegt und weniger auf Marians schwieriger Aufgabe unerkannt im besetzten Frankreich zu agieren. Die Handlung nimmt etwa ab der Hälfte an Fahrt auf, doch bis zu diesem Zeitpunkt findet sich der Großteil in einem klischeehaften Liebesszenario wieder, welches die Leserschaft spaltet, da man sehr schnell den Eindruck erhält, weniger die Gefahren als Agentin zur damaligen Zeit,  sondern mehr die Gefühlswelt einer 19- Jährigen empathisch zu durchleben. Eine Handlung, die vor mehr als siebzig Jahren stattgefunden hat, wird im Präsens erzählt. Das Aufgreifen des Gegenwarts-Tempus soll die Handlung so authentisch wie möglich machen, doch ist es auch dieses Mal wieder so, dass sich der Roman aus diesem Grund im Verlauf sperrig  lesen lässt, was einen möglichen Lesefluss leider unterbindet.

Ein weiterer, kleiner Schwachpunkt ist die Verwendung der französischen Sprache, um bestimmten Redewendungen einen melodischen, teilweise auch intellektuellen Klang zu verleihen. Hier wird meist nur nicht darauf geachtet, dass es durchaus Leser gibt, die dieser Sprache nicht mächtig sind und sich so ab und an vor einem kleinen Rätsel wiederfinden, in dem man nur die Möglichkeit hat, die Bedeutung aus dem Kontext heraus zu schließen. Normalerweise könnte man solchen Problemen mit ein paar Fußnoten entgehen, die aber leider nicht gesetzt wurden. Im Großen und Ganzen erscheint der Schreibstil nicht allzu verschachtelt, sodass man Gedanken und Handlungen trotzdem folgen kann. Man lernt verschiedene Seiten an Marians Charakter kennen. Sowohl die starke, emanzipierte Frau, die es mit jeder Gefahr aufzunehmen weiß, als auch die gefühlvolle Verliebte, die versuchen muss, ihrem Herz zu folgen, welches sich zwischen der Liebe zu zwei Männern bewegt. Gerade das Wechselspiel der Gefühle lässt Marian naiv wirken, fast wie ein Fremdkörper, dem man ab und an eine derartige Mission als Agentin nicht zutrauen mag. Der Roman, der seitens der Literaturwelt unter anderem auch als Thriller bezeichnet wird, zeigt dies nicht wirklich; wenn dann nur gegen Ende, in der die Handlung den Höhepunkt erreicht zu haben scheint. Mawer versucht seiner Protagonistin die Aufmerksamkeit zu schenken, die die Frauen der SOE verdienen, die von 1941 bis 1944 ihr Leben für solche Missionen riskiert haben.

Leider wird der geschichtliche Aspekt durch eine kitschige Liebesaufmachung gestört, was der Gesamtsituation ein wenig Seriosität entzieht. Auch wenn sich der Roman in seinem Ursprungsgedanken nicht nur an eine weibliche Leserschaft richten soll, wird genau dies suggeriert, da der Autor zwar versucht Marian als vielschichtige, eigenständige und tiefsinnige Frau darzustellen, dann jedoch zu oft auf die emotionale Schiene gerät. Simon Mawer lässt den Leser merken, wie wichtig ihm die Nähe zu den historischen Details ist. Genau diese Liebe zur Geschichte wird leider zu sehr durch Marians Sutros oberflächliche Liebesmüh‘ geschmälert. Die Handlung in Die Frau, die vom Himmel fiel hätte weitaus besser durch nur dezente Andeutungen einer Liebesgeschichte funktioniert, denn so wäre die Konzentration und Zentralisierung auf die historischen Begebenheiten gewährleistet gewesen. Die Kunst, einen Spagat zwischen der Melancholie einer Ilsa Lund aus Casablanca und dem sowohl starken, faszinierenden und bissigen Charakter der Scarlett O‘ Hara aus Vom Winde verweht zu vollziehen, ist eine Herausforderung, der sich Simon Mawer zwar gestellt und das grundlegende Muster des Konzepts übernommen hat, jedoch an der Durchführung scheitert.


Fazit

Die Frau, die vom Himmel fiel richtet sich nur an einen kleinen Teil Geschichtsinteressierter, die über kitschige Liebespassagen den Blick für das historische Detail nicht verlieren. Simon Mawers Roman dürfte trotzdem nur den größeren Teil der weiblichen Leserschaft anregen, der sich vornehmlich in den Kreisen der Romantik bewegt.


Pro/Contra

+ Einblick in historische Vorkommnisse

o Verwendung altbekannter Erzählsituation

- Handlung im Präsens
- klischeebehaftete Liebesgeschichte
- offensichtliche Naivität der Protagonistin

Bewertung:

Handlung: 3/5
Humor: 0/5
Charaktere: 2/5
Lesespaß: 2,5/5
Preis/Leistung: 2/5