Theodor Pussel Gesamtausgabe Bd.1 (Frank Le Gall)

Verlag: Ehapa Comic Collection; Auflage: 1 (11. Oktober 2012)
Gebundene Ausgabe: 248 Seiten; 35 €
ISBN-13: 978-3770436644

Genre: Abenteuer


Klappentext

Frank Le Gall wandelt mit all seinen Figuren aus Theodor Pussel auf den Spuren seines zur See gefahrenen Großvaters, indem er sie benutzt, um sämtliche imaginären Landstriche noch einmal ausgiebig zu besuchen. Er lädt uns zu einem Abenteuer des 21. Jahrhunderts ein. Ein Comic zwischen Klassik und Moderne, Realität und Fiktion.


Rezension

Anfang der 1980er Jahre hatte Frank Le Gall gerade beim großen Comicmagazin Spirou Fuß gefasst und erste Geschichten gezeichnet. Allerdings sagte ihm damals die Ausrichtung der Comics nicht zu. Sowohl die der Erwachsenencomics, als auch die für Jugendliche. Aus seinem Faible für die Populärliteratur des 19. und 20 Jahrhunderts und einem Drang für Räume, Lichter und ferne Orte entstand schließlich Theodor Pussel. Mit ihm reiste er an exotische Orte, in den fernen Orient. Einem Orient, der in Kindheitsvorstellungen verankert und mysteriös und geheimnisvoll ist, eben  ein Ort an dem alles möglich ist. 1984 zeichnete Le Gall seinen Helden zum ersten Mal, ohne recht zu wissen, wo ihn das alles hinführen würde, nur der Ausgangspunkt lag fest. Theodor Pussels erstes Abenteuer basiert auf den Erinnerungen seines Großvaters, der einst selbst zur See fuhr und hat zugleich doch Anklänge der klassischen Abenteuerliteratur eines Jules Vernes.
Zwölf Abenteuer hat Theodor Pussel seitdem bestanden und die Ehapa Comic Collection bringt sie in Form einer Gesamtausgabe in drei dicken Bänden mit jeweils vier Geschichten heraus und setzt damit ihre gelungene Reihe franko-belgischer Gesamtausgaben, die unter anderem mit Jeff Jordan ihren Anfang nahm, fort.

Das Geheimnis des Kapitän Stien

Theodor Pussel ist ein junger Mann, der an einem Schreibtisch der Firma Seefracht- Verschiffung-Dünkirchen sitzt und sich fragt, ob er je die Gelegenheit haben wird, all die fernen Orte zu sehen, die er Tag für Tag in seinen Dokumenten lesen muss. Das Schicksal und sein Chef scheinen es gut mit ihm zu meinen. Er wird im Januar 1928 nach Indochina geschickt, offiziell um seine Ausbildung voranzutreiben, doch in Wirklichkeit unterstützt ihn sein Vorgesetzter Herr Dreher in seinem Verlangen, seine Sehnsucht zu stillen. Noch bevor er aufbricht, trifft Theodor Pussel zum ersten Mal auf Herrn November, einem geheimnisvollen Mann in Schwarz, der fortan großen Einfluss auf Theodors Leben haben wird. So fährt Theodor nach Indochina und gerät in ein großes Abenteuer, welches unter anderem damit beginnt, dass er seiner Mutter versprochen hat, das Grab seines Onkels aufzusuchen, Kapitän Stiens, der unter Seefahrern eine Legende war. Er verlässt das Schiff und damit beginnen die Schwierigkeiten und Herr November mischt auch noch mit.
Ein starker Auftakt der Reihe, der wie schon erwähnt, auf den Erinnerungen von Frank Le Galls Großvater basiert. Teilweise hat der Autor Texte aus dessen Tagebuch verwendet. Die Atmosphäre ist leicht melancholisch und spricht von der Sehnsucht nach fernen Orten und Geheimnissen. Am Ende wird es noch einmal richtig spannend und der Leser und Theodor Pussel dürfen einen ersten Blick auf Kapitän Stien werfen, der unter Umständen doch nicht so tot ist, wie man glauben mochte.

Mission Aru-el-Kader


Ursprünglich drei Kurzgeschichten, wurden diese zusammengefasst und mit einer Rahmenhandlung versehen, in der Herr Martin von seinem Freund Theodor Pussel und den Ereignissen im Singapur des Jahres 1928 erzählt.
Nachdem er glaubt, sein Schiff sei untergegangen, versucht Theodor irgendwie Geld für die Rückreise nach Europa zusammenzukratzen. Unter anderem trifft er auf den berühmten Piraten George Town, durch den er an ein Schiff gelangt, mit dem er zukünftig das Geld verdienen kann. Aber auch Herr November lässt es sich nicht  nehmen, Theodor wieder zu behelligen. Nach einem Streit mit ihm steht Theodor unter Mordverdacht und muss fliehen. Da trifft es sich, dass Lord Brooke, ehemaliger Radscha von Long Andju, einen Auftrag für ihn hat. Er soll dessen Tochter aus der Hand des neuen Radschas Aru-el-Kader befreien, der in Abwesenheit von Lord Brooke die Insel eroberte. Und wieder mischt sich der vermeintlich tote November ein. Aber auch Herr Martin, der Erzähler, greift entscheidend ein und hilft Theodor Pussel.
Drei Geschichten, die jede für sich gelesen werden können, aber erst zusammen so richtig Spaß machen, da nur so das große Ganze durchscheint. Mehr als nur Übergangsgeschichten zum nächsten Album, sondern beste Unterhaltung, die auch ein bisschen Mitdenken vom Leser verlangt und viele Fragen und Rätsel aufwirft. Vor allem eine: Wer oder was ist Herr November? Ist er wirklich Theodors personifiziertes Schicksal, wie er behauptet?

Das Schicksal der Maria Verita

Theodor Pussel setzt alles daran, Lord Brookes Auftrag zu erfüllen und reist mit seinem Schiff Maria Verita und einer Mannschaft alter Haudegen nach Long Andju. Auch für ihn persönlich steht viel auf dem Spiel, winkt doch als Belohnung die Überfahrt nach Europa. Schnell wird klar, die Mission wird schwieriger als gedacht. Zu viele Interessensgruppen haben es auf die Macht auf der Insel abgesehen. So kann Theodor Pussel am Ende nur beobachten, wie sich die Gewalt entlädt. Schließlich gibt es nur noch das Rätsel zu lösen, wo und wer Maria Verita ist. Ein kleinwenig desillusioniert nimmt Theodor dann sein Schicksal an, indem er Herrn November an Bord seines Schiffes bittet.
Theodor macht in diesem Abenteuer, welches von Anfang bis Ende spannend inszeniert ist, die bisher größte Entwicklung durch. Er akzeptiert Herrn November, auch wenn er weiß, dass dieser ihn immer wieder in Schwierigkeiten bringen wird. Aber ab jetzt, wird er sie eher begrüßen, statt an ihnen zu verzweifeln.

George Towns Geheimnis


Lord Brooke, Theodors Auftraggeber, steckt in großen Schwierigkeiten. Wenn er seine Belohnung sehen will, muss Theodor ihn befreien, wodurch er wieder an Bord von George Towns Schiff gelangt. Ebenso zwei weitere wichtige Persönlichkeiten. Durch den Umgang mit ihnen zeigt sich die Skrupellosigkeit des Piratenkapitäns. George Town verlangt von Theodor seine Memoiren aufzuschreiben und hält ihn zu diesem Zweck gefangen, verspricht aber auch, Theodor bei der Befreiung Lord Brookes zu helfen. Da aber auch Herr November seiner Lieblingsbeschäftigung nachgeht und die Mannschaft gegen ihren Kapitän immer weiter aufwiegelt, steigt die Anspannung an Bord des Schiffes, bis sie geradezu körperlich fühlbar ist. Ein Sturm zieht auf und die Fäden laufen in den auf das Schiff krachenden Wellen zusammen.
Ein bisschen Schatzinsel, ein bisschen Meuterei auf der Bounty und etwas Seewolf, dazu noch Herr November und fertig ist ein weiteres grandioses Abenteuer von Theodor Pussel, in dem man  viel über seine Gedankenwelt erfährt.

Frank Le Gall hat es mit Theodor Pussel geschafft, eine Comicreihe zu kreieren, die in der Tradition großer Abenteuerromane verhaftet ist und bestens unterhält. Immer leicht melancholisch aber trotzdem doch auch mitunter unbeschwert, sucht Theodor Pussel seinen Weg im Leben und nach Hause. Er stolpert mehr über die Geschehnisse, ist ihr Beobachter, als dass er sie wirklich beeinflusst. Vor allem Herrn November ist dies geschuldet, der wohl einer der faszinierendsten Charaktere ist, die ihren Weg auf ein Blatt Papier gefunden haben. Er treibt die Handlung weiter und sein Spiel mit Theodor Pussel, zu welchem Zweck oder ob nur zu seiner eigenen Unterhaltung ist nicht ersichtlich und wird es höchstens erst ganz am Ende werden. Aber das ist auch nicht wichtig. Wichtig ist nur, dass er vorhanden ist. Denn mit seinem feinen unterschwelligen Humor bereichert er  die Geschichten ungemein und gibt Le Gall eine Fülle von Möglichkeiten an die Hand, Theodor Pussel immer wieder aufs Neue in Abenteuer zu stürzen, die dieser sonst nicht annehmen würde.

Zeichnerisch gibt sich Le Gall auch keine Blöße. Von Anfang an ist sein Theodor Pussel schön anzusehen, auch wenn er sich optisch im Laufe der Geschichten ändert. Anfangs noch eher schmächtig wird er im Verlauf immer etwas runder und kräftiger. Man kann sehr gut die Entwicklung von Le Gall nachvollziehen, auch an anderen Dingen. Die Hintergründe werden z.B. detailreicher und die äußeren Umstände, Wetter und Tageszeiten, werden immer mehr zu einem Teil der Geschichte und treiben sie weiter. Die Stimmungen der Zeichnungen greifen die Geschichte auf und andersrum. Beides beeinflusst sich und bildet so eine feste Einheit.

An Bonusmaterial wurde, wie bei Ehapas Gesamtausgaben üblich, nicht gespart. Unveröffentlichte Zeichnungen, Skizzen und Fotos plus Vorwort und Einführung in die einzelnen Abenteuer runden das Gesamtpaket perfekt ab. Auch wenn der Autor der Artikel nahezu in einen Interpretationsrausch geraten zu sein scheint und bei weitem über das Ziel hinausschießt. Informativ sind sie aber dennoch.


Fazit

Theodor Pussel
ist großes Abenteuer, welches von Sehnsucht nach fernen exotischen Orten spricht. Immer eine Spur melancholisch und mit feinsinnigen Humor versehen, sollte jeder Anhänger von ungewöhnlichen Erzählungen unbedingt zu greifen. Ein wirklich Perle im Bereich der Abenteuercomics.


Pro & Contra

+ Herr November
+ stimmungsvolle Zeichnungen
+ kreativ und geheimnisvoll

Bewertung:

Handlung: 5/5
Charaktere: 5/5
Zeichnungen: 4/5
Humor: 4/5
Lesespaß: 5/5
Preis/ Leistung: 5/5


Literatopia-Links zu weiteren Titeln von Frank Le Gall:

Rezension zu Theodor Pussel Gesamtausgabe Bd.2
Rezension zu Theodor Pussel Gesamtausgabe Bd.3