Auf der Suche nach Peter Pan (Cosey)

Cross Cult (März 2009)

Hardcover A4, in Farbe, 160 Seiten
Preis: 26 Euro
ISBN: 978-3-941248-33-5

Genre: Drama/ Selbstfindung


Klappentext

Die Walliser Alpen, kurz vor dem Ausbruch des 2. Weltkrieges. Unter dem Vorwand, an seinem neuen Roman zu arbeiten, lässt sich der englische Schriftsteller Melvin Woodsworth in einem verschneiten, von der Zeit vergessenen Schweizer Bergdorf nieder. In dem Gebirge hatte einst sein Bruder, ein glückloser Komponist, den Tod gefunden. So wird die Suche nach Inspiration zu einer Begegnung mit der Vergangenheit und in der Gestalt der geheimnisvollen Evoleta auch mit der Zukunft…

Bernard „Cosey“ Cosandey hat sich mit „Auf der Suche nach Peter Pan“ als einer der wichtigsten europäischen graphischen Erzähler etabliert. Cross Cult präsentiert den kunstvollen, vielfach ausgezeichneten Comic-Roman als neu übersetzte Gesamtausgabe, inklusive einem ausführlichen Anhang und bisher unveröffentlichtem Zusatzmaterial.


Rezension

Wenn wir träumen, betreten wir eine Welt, in der nur wir Schlüssel und Wege kennen, die uns dahin führen, wo wir hin wollen. Die Suche nach dem Vollkommenen, nach dem Glück geschieht an einem ungestörten Ort, der frei von jeglichen Störfaktoren ist. An genau so einem Ort befindet sich Melvin Woodsworth. Er zieht sich zurück in ein abgelegenes Dörfchen in den Schweizer Bergen und sucht nach dem gewissen „Etwas“, das ihm den richtigen Weg weisen soll. Dabei hört er gedanklich stets die Musik, die sein toter Bruder komponiert hat. Sie begleitet ihn auf jeder Wanderung, selbst als er eines Tages die junge Evoleta kennenlernt. Das Dorf, in dem sich Woodsworth eingerichtet hat, wird von Tag zu Tag mehr von einem Gletscher bedroht, der begonnen hat auseinanderzubrechen. Die Dorfbewohner werden evakuiert, nur Melvin entscheidet sich zu bleiben. Zum einen will er die geheimnisvolle Frau wiedersehen und zum anderen die friedliche Ruhe genießen, die das Dörfchen, trotz der Gefahr, ausstrahlt.

Coseys Auf der Suche nach Peter Pan ist ein Comic der besonderen Art. Er beruhigt und lädt auf eine melancholisch spannende Reise ein, die jeden mitreißt, der sich von stereotypischen Alltagssituationen lösen kann bzw. will. Ein Dorf, dessen Name erfunden, aber eine Zusammensetzung aus real existierenden Ortschaften ist, ist Schauplatz eines Abenteuers, was als solches nicht direkt identifizierbar ist. Auf der Suche nach sich selbst, sowohl Vergangenheit, Gegenwart als auch Zukunft, liegen viele von Melvins Antworten in diesem abgelegenen Dorf. Die Menschen um ihn herum nehmen ihn in ihre kleine Gemeinschaft auf und sehen den Neuling als einen der ihren. Cosey setzt viel auf die Kraft der Ruhe und er weiß Charakteristika wie Herzlichkeit, Wärme, Geborgenheit und traurige Melancholie in Szene zu setzen. Überall wird der Leser, genau wie Melvin, von der Musik des verstorbenen Bruders begleitet. Von Seite zu Seite schwebt die klassische Komposition von Lied zu Bild und bildet ein Ganzes, sodass der Leser am Ende der Lektüre das Gefühl hat, Teil einer abgeschlossenen Geschichte zu sein, die rein inhaltlich gesehen nicht am Ende ist. Besonders angenehm gestaltet sich Auf der Suche nach Peter Pan durch eine einerseits gut durchdachte Panelaufteilung, andererseits durch eine tragbare Menge an Text, die den Leser nicht ermüdet, sondern ihn dazu auffordert, weiter zu lesen und vor allem über Dinge nachzudenken, die über den üblichen Horizont herausragen. Diese Graphic Novel ist realistischer als manch eine Dokumentation. Die Einblicke in Melvins Gedankenwelt präsentieren eine Art von Philosophie, wie sie jeder betreiben kann, der sich sonst nicht in derartigen Gefilden bewegt.

Ein Punkt über den man sich bei Auf der Suche nach Peter Pan sofort einig ist, dass die Zeichnungen das Herzstück des Comics sind. Sie überliefern haargenau die Stimmung eines jeden Panels und sind dafür verantwortlich, dass die Geschichte von Seite zu Seite spannend bleibt. Ohne großartige, blendende Effekthascherei zeichnet Cosey alltagsgetreu und so realistisch, dass man sich als Leser ein ums andere Mal dabei ertappt, sich selbst in der Geschichte zu sehen. Die Zeichnungen machen deutlich, wie viel Arbeit in der Geschichte, den Gedanken und der Komposition steckt. Mit liebevoller Hand streicheln die einzelnen Panels über den menschlichen Geist und bescheren einen perfekten Abend. Ein heißes Getränk, eine Decke und eine Reise in ein Schweizer Bergdorf helfen bei der Flucht aus dem Stress in das Vergnügen.

Auch wenn der Comic Nichts mit Barries Original Peter Pan zu tun hat, so wird man beim genaueren Hinsehen immer mal wieder Parallelen finden, denn nicht umsonst ist über jedem Kapitel ein Zitat eben dieses Romans zu finden.  Den einzigen Vorwurf, den man Cosey machen könnte, ist das im Gegensatz zum Rest der Geschichte, relativ einfach gestaltete Ende, doch wer den Comic gelesen hatte, wird erkennen, dass dies die perfekte Konsequenz dessen ist, was sich vorher abgespielt hat.

Die Gesamtausgabe von Auf der Suche nach Peter Pan hält noch Einiges an Bonusmaterial bereit. Neben Informationen zum Autor und Comic, verstecken sich hier noch ein Interview, die Cover zu den damals publizierten Einzelheften und ein historischer Rückblick auf ein Dorf in den Schweizer Alpen.


Fazit

Ein philosophischer, melancholischer Comic, der mit einfachen, aber perfekten Zeichnungen in einer preislich angemessenen Gesamtausgabe in jedes Bücherregal gehört.


Pro/ Contra

+ wunderschöne Zeichnungen
+ Ruhe und friedliche Melancholie
+ gedankliche Reise
+ raus aus dem Alltag

Bewertung:


Handlung: 4,5/5
Charaktere: 4,5/5
Zeichnungen: 5/5
Lesespaß: 4,5/5
Preis/ Leistung: 5/5