Das Haus am Abgrund (Susanne Gerdom)

gerdom s-das haus am abgrund

Bloomoon (arsEdition) Verlag, 2013
Taschenbuch, 390 Seiten
14,99 Euro [D] 15,50 Euro [A]
ISBN: 978-3-7607-8666-7

Genre: Fantasy/ Jugendthriller/ Mystery


Klappentext

Das Haus rief nach ihr …

Es war totenstill. Sie konnte das leise rauschen der Wellen hören, das Wispern des Windes in den Ästen der Bäume. Sie war allein in dem riesigen, düsteren Haus. Die Halle, in der sie stand, war so prachtvoll wie schrecklich. Sie kannte dieses Haus so gut wie ihre eigenen Hand und es war ihr gleichzeitig vollkommen fremd.

Novembertochter, flüstere das Haus leise. Winterkind. An deinem sechzehnten Geburtstag gehörst du endlich mir.


Die Autorin

Susanne Gerdom lebt und arbeitet als freie Autorin und Schreibcoach mit ihrer Familie und vier Katzen am Niederrhein. Sie schreibt seit mehr als einem Jahrzehnt Fantasy und Romane für Jugendliche und Erwachsene.


Rezension

Adrian ist krank, sein Ende absehbar. Denn in seinem Kopf wächst ein Tumor. Aus diesem Grund sind seine beiden Väter mit ihm ans Meer gezogen. An Cornwalls malerischer Küste soll sich Adrian entspannen und im Kreis der Familie seine letzten Tage und Wochen verleben. Leider ist seine Zeit weniger friedlich als angedacht. Halluzinationen machen ihm das Leben schwer, und dann ist da noch das Haus: Heathcote Manor. Über dem Dorf thronend übt es nicht nur auf Adrian eine ungewöhnliche Anziehung aus. Bei seinen Recherchen stößt er auf die 15 jährige November, die letzte Erbin des Erbauers. Zusammen wollen sie das Geheimnis um Heathcote Manor lösen; das Haus aber hat eigene Pläne, und es schreckt nicht davor zurück, die Menschen im Dorf einzuspannen.

»Ich dümpelte eine Zeit lang auf der Oberfläche des Schlafes, wie ein Boot, das sich von der Leine gerissen hat. (…)
 
Ich seufzte, drehte mich auf die Seite und legte die Wange in die Hand. Blasse Augen betrachteten mich ohne Regung.
 
„Master Adrian?“
Moriarty saß auf dem Stuhl neben meinem Bett, die Hände in grauen Handschuhen akkurat auf seinen Oberschenkeln ausgerichtet. Der Hut neigte sich, als Moriarty sich ein wenig vorbeugte und wisperte: „Es ist wirklich dringend. Ich belästige Sie nur sehr ungern erneut, Master Adrian, aber wenn Sie mir kurz ihr Gehör schenken könnten ...“ Er sah mich erwartungsvoll und hoffnungslos zugleich an.« (Zitat, Seite 78)

Mit dem tödlich erkrankten Teenager Adrian schickt Susanne Gerdom einen ungewöhnlichen Protagonisten ins Feld. Körperliche Schwäche, Anfälle, Schmerzen und zu all dem plagen ihn Halluzinationen, die er in Lemuren und Lars einteilt. Der Ursprung dieser Begriffe wird zwar nicht aufgeklärt. Aber es wird schnell klar, dass die Lars eher positive Zeitgenossen sind, so zum Beispiel der alte Japaner Roshi, der immer einen weisen Spruch für Adrian bereit hält. Den diversen Lars gegenüber steht lediglich ein Lemur, der Joker. Dieser ist in seiner Heimtücke und Boshaftigkeit jedoch ausreichend, um Adrians Leben ungemütlich zu machen. Neu im Bunde ist der mysteriöse Moriarty, der als Leichenbestatter gekleidet immer öfter an Adrians Seite auftaucht, um nebulöse Warnungen auszustoßen. Trotz all der Leiden und Halluzinationen stellt sich Adrian tapfer dem Kommenden und versucht an Novembers Seite, mit der er sich die Erzählperspektive und eine seltsame Verbundenheit teilt, hinter das Rätsel des Hauses zu kommen. Über Tagebucheinträge, Träume und Visionen breitet sich ihnen nach und nach die düstere Geschichte des Hauses aus; und sie erfahren, dass sie mehr verbindet, als nur diese Zeitlinie.

Diese Wechsel der Erzählperspektive sind am Anfang noch gut gesetzt, im späteren Verlauf überschneiden sich allerdings Tagebucheinträge und Visionen verschiedener Zeiten, ab und an kommt es zudem zu einem Wechsel der gewählten Zeitform, so dass man als Leser schnell den Überblick verliert. Ebenso verwirrend sind auch die Gedächtnislücken, die Adrian und November immer wieder befallen, sobald sie ein weiteres düsteres Detail über die Geschichte des Hauses erfahren. So stehen sie auf der einen Seite unter dem Einfluss Heathcote Manors, unerklärlicherweise allerdings nicht genug, um sie in ihren Recherchen zu behindern.

Trotz diverser Hinweise und Hilfestellungen wirken die beiden dann auch erstaunlich begriffsstutzig und hadern nach 250 Seiten immer noch mit dem Verständnis der Vorgänge und die ausstehenden Konsequenzen, während der Leser sich bereits die finale Auflösung herbeisehnt. Dadurch dass gewisse Einzelheiten zu früh bekannt gemacht werden, wirkt die Handlung irgendwann, trotz flüssigem, teils recht adjektiv-lastigem Stil, nur noch künstlich gestreckt, und der Lesespaß leidet.

Das letztendliche Finale bietet zwar einige Überraschungen, wirkt durch die Einflechtungen verschiedener Zeitstränge aber verwirrend und teilweise absurd. Das setzt sich leider bis ins Nachspiel fort, wo Gerdom durch eine ungewöhnliche Wendung plötzlich die Grundlage ihrer eigenen Geschichte ungeschickt ins aus hebelt.


Fazit

Mit Das Haus am Abgrund liefert Susanne Gerdom eine düstere Geistergeschichte, die insbesondere durch ihre Charaktere und Stimmung zu überzeugen weiß. Leider dümpelt die Geschichte zu lange in den gleichen ruhigen Fahrwassern und liefert am Ende ein Finale, das den ein oder anderen Leser verwirrt und vielleicht auch vor den Kopf gestoßen zurücklassen wird. Hier wären etwas weniger Länge sowie Zeit- und Perspektivwechsel sicherlich mehr gewesen!


Pro & Contra

+ Adrians Charakterdesign und seine Halluzinationen
+ Cover
+ atmosphärischer Schreibstil

o Geschichte braucht zu viel Zeit

- Zeitverwirrungen
- unlogisches Ende

Wertung: alt

Handlung: 3/5
Charaktere: 4/5
Lesespaß: 3/5
Preis/Leistung: 3,5/5


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