Der schreckliche Papst Bd.1 - Giuliano della Rovere (Jodorowsky, Theo)

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Splitter Verlag (Juli, 2010)
Gebundene Ausgabe, 53 Seiten; 13,80 €
ISBN-13: 978-3868691610

Genre: Historik


Klappentext

Am 18 August 1503 findet der Borgia Papst Alexander VI. unter mysteriösen Umständen den Tod. Schon bei Tagesanbruch beginnt das Wettrennen auf den päpstlichen Stuhl. Um an ihr Ziel zu gelangen, ist den Anwärtern jedes Mittel recht. Selbst vor Mordversuchen schrecken die exklusiven Anwärter des dekadenten und machthungrigen Zirkels im Vatikan nicht zurück. Kardinal Giuliano della Rovere, ein Erzfeind des einflussreichen Borgia- Klans, wäre sogar bereit, seine Seele dem Teufel zu verkaufen, um an das höchste Amt zu gelangen…


Rezension

Nachdem Rodrigo Borgia mysteriösen Umständen geschuldet stirbt, balgen sich erneut die Kardinäle um den Stuhl Petri. Della Rovere, der wohl größte Erzfeind des verstorbenen Papstes und des immer noch sehr mächtigen Borgia Klans, will mit allen Mitteln Stellvertreter Gottes auf Erden werden. Er schmiedet perfide Pläne, die er zusammen mit seinem ständigen Begleiter und Liebespartner Aldosi auf geschickte Weise durchführt. Letztendlich gelingt es ihm durch List und Tücke das Amt des Papstes zu bekleiden und kann in seiner Regenschaft endlich gegen die noch lebenden Borgias vorgehen. Della Rovere, der sich von nun an Julius II. nennt, erscheint in diesem Band als Person hin und her gerissen zwischen Politik, Macht und privaten Liebeleien. Weniger scheint er ein Papst zu sein, der der Kirche und ihrem Ansehen dienen will, sondern mehr ein Mann der Macht und des eigenen Vorteils. Der Leser muss selbst entscheiden, wie er Julius II. gegenüberstehen will. Seine homosexuellen Exzesse und  machtgierigen, rein egozentrischen Prioritäten schmälern das hochehrwürdige Amt zwar, doch erscheint Vieles davon durchaus vertretbar, da er gewiss nicht der Einzige gewesen sein dürfte, der diesen Weg gegangen ist.

Geschichtlich betrachtet gibt Der schreckliche Papst eine Fülle von Informationen an, mit denen man sich in etwa die Zeit nach dem großen Borgia Papst vorstellen kann. Nicht alle Fakten sind korrekt oder aus Geschichtsbüchern 1:1 übernommen, jedoch ist der Lerneffekt trotzdem vorhanden. Dieser Comic hat das Zeug dazu die Leserschaft zu spalten. Entweder man lässt sich von den wunderbar detaillierten Zeichnungen Theos in den Bann ziehen oder wird von manch einer Darstellung abgestoßen, da sie eventuell als geschmacklos verurteilt werden könnte. In diesem Falle ist für beide Lager Verständnis entgegen zu bringen. Einerseits sind Theos Zeichnungen einfach nur wunderschön anzusehen. Sie unterstreichen in jedem Panel geschickt Situation und Text, sodass man das Gefühl hat, etwas „Ganzes“ zu lesen. Andererseits jedoch ist es die hohe Anzahl an homoerotischen Szenen, die manch einen abschrecken könnten. Zu oft wird ihnen Ausdruck verliehen, was den Gesamtablauf der Geschichte unterbricht und etwas stört. Ein ums andere Mal scheinen sie gezwungen und unnötig. Positiv zu vermerken ist die Tatsache, dass das Cover dieses Bandes hält, was es verspricht. Sex, Macht und Religion. Trotzdem wären weniger Panels in der Art wünschenswert, da Autor und Zeichner Gefahr laufen, einen historischen Porno zu kreieren, wie dies beispielsweise beim „Caligula“-Film der Fall war.

Neben den zahlreichen homoerotischen Situationen gibt es leider noch einen Punkt, der negativ angemerkt werden muss: Jodorowsky springt in seiner Geschichte zu schnell von einer Situation in die andere, sodass es ein ums andere Mal sehr abgehackt wirkt. Ein paar weitere Panels hätten einem flüssigen Ablauf gut getan und der Leser würde so nicht ins Stocken geraten. Darüber hinaus erscheint der Text teilweise lieblos daher geschrieben, ohne vorher über einen tieferen Sinn nachgedacht zu haben. Jodorowsky fährt im Schrecklichen Papst eine Linie, die für die noch kommenden Bände zwei Optionen offen lässt: Entweder er konzentriert sich mehr auf historische Ereignisse und wertet seinen Text dementsprechend auf, oder er legt es erneut auf die Homoerotik an, die leider nicht zielführend ist, um die Geschichte eines Papstes und seinen kirchlichen Errungenschaften eine Stimme zu verleihen. Die Zeichnungen Theos dagegen können eigentlich nicht besser werden. Ohne seine großartige Arbeit würde man den Schrecklichen Papst wohl in einer speziellen Ecke des örtlichen Comic-Buch-Ladens finden. Die Bildgewalt, die Theo der Vatikanstadt und ihren Verantwortlichen schenkt, ist atemberaubend. Es gibt ein paar Zeichnungen, die man sich gerne groß ausdrucken und an die Wand hängen wollen würde. Man merkt, dass sich dieser Künstler während seines Studiums auf historische Zeichnungen spezialisiert hat und der perfekte Arbeitspartner für Jodorowsky ist, der schon mit Moebius und anderen Größen der Comic- Literatur zusammengearbeitet hat.


Fazit

Sobald man den Schrecklichen Papst in den Händen hält und die erste Seite aufschlägt, befindet man sich direkt im Vatikan des 15. Jahrhunderts. Wie in einem Strudel wird der Leser in diese ereignisreiche Epoche gesogen, um Augenzeuge der Machenschaften innerhalb verschlossener Gemäuer werden zu können.  Jodorowsky und Theo haben es verstanden hier eine Mischung aus Geschichte, Faszination, Ekel, Perversion und Empathie zu kreieren, die jeden faszinieren oder zumindest neugierig machen dürfte, der diesen Comic zum ersten Mal erblickt.


Pro/Contra

+ fantastische Zeichnungen
+ realistische Bezüge
+ Macht und Intrigen
+ viele historische Bezüge

- Text nicht immer passend, teilweise zu oberflächlich
- übertriebenes Maß an (Homo)Erotik
- Potenzial nicht ausgeschöpft

Bewertung: alt

Handlung:3,5/5
Charaktere: 3/5
Zeichnungen: 5/5
Lesespaß: 3/5
Preis/Leistung: 2,5/ 5