Die Frau ist frei geboren - Olympe de Gouges (Catel Muller, Jose-Louis Bocquet)

frau ist frei geboren olympe de gouges

Splitter Verlag (Januar 2013)
Hardcover mit Schutzumschlag; 480 Seiten (s/w); 36,80 €
ISBN: 978-3-86869-561-8

Genre: Historik, Drama


Klappentext

„Die Frau ist frei geboren und bleibt dem Manne gleich in allen Rechten.
Die Frau hat das Recht, das Schafott zu besteigen. Gleichermaßen muss ihr das Recht zugestanden werden, eine Rednertribüne zu besteigen.“
Olympe de Gouges, Mensch und Bürgerin: Die Rechte der Frau -  1791


Informationen zu den Autoren

Catell Muller wurde in Straßburg geboren, wo sie später Kunst studierte. Seit 1990 arbeitet sie als Illustratorin für Romane und Kinderbücher. Mittlerweile hat sie auch verschiedene Comicstoffe für Erwachsene gezeichnet, zum Beispiel „Le Sang des Valentines“ über den ersten Weltkrieg. Nach ihrer preisgekrönten Graphic Novel „Kiki vom Montparnasse“ (Carlsen) widmet sie sich nun gemeinsam mit Autor Jose-Louis Bocquet dem Leben der charismatischen Olympe de Gouge und zeichnet ein wunderbares Frauenportrait und eine leidenschaftliche Hommage an einer der wichtigsten Figuren des Feminismus.

Jose-Louis Bocquet war immer schon ein Comic-Fan. Mit 13 Jahren soll er sein erstes Fanzine herausgebracht haben. Danach hat er im Comic fast alles gemacht: er war Händler, Lektor, Kritiker und Autor. Als Szenarist hat er bei Verlagen wie Dupuis, Albin Michel, Glenat, Casterman und anderen veröffentlicht. Für „Kiki vom Montparnasse“ und „Olympe de Gouges“ erhielt er gemeinsam mit Zeichnerin Catel Muller zahlreiche Preise in Frankreich.


Rezension

Die Frau ist frei geboren – Olympe de Gouges erzählt die Geschichte einer Frau zur Zeit Frankreichs während  seiner wohl bedeutendsten Revolution. Zusammen mit Rousseau, Voltaire, Robespierre, Danton und der Nationalversammlung, hat diese Frau dieses Jahrhundert geprägt, wie keine zweite. Sie ist wohl die Art Frau gewesen, die man sich als Frau heutiger Zeit als Vorbild nehmen sollte. De Gouges hat sich nicht von der männlich herrschenden Klasse unterdrücken oder davon abbringen lassen, ihren Willen durchzusetzen und ihre Träume zu realisieren. Sie hat es mit verbaler und charismatischer Präsenz geschafft, Dinge zu thematisieren, ohne sich dafür nackt auszuziehen, mit nur einem Protestschild in ihren Händen. Wahrlich war auch sie nicht ohne Fehler, doch war sie bereit ihren Intellekt für die gute Sache zu nutzen, hat kleinere Schriften, Flugblätter und sogar eigene Bühnenstücke veröffentlicht, die schon damals aufgeführt wurden. Hin und her gerissen zwischen dem Zwang eheliche Pflichten zu erfüllen und der Wunsch sowohl nach Selbstständigkeit, als auch  persönlicher Freiheit, ließ sie sich nicht von ihren Ambitionen abbringen, die Revolution im Vaterland zu unterstützen und voranzutreiben.
Olympe de Gouge ist eine faszinierende Persönlichkeit, die es als Frau in dieser Zeit aus eigener Kraft geschafft hat, sich gegen jeglichen Widerstand durchzusetzen. Nicht einmal ein Robespierre konnte mit seiner wohl bekannten Eloquenz diese starke Frau aufhalten.

Das Leben der Marie Gouze (1748-1793), wie Olympe de Gouges vorher namentlich bekannt war, wird in diesem Comic in vielen kleinen Kapiteln veranschaulicht. Von der Jugend bis hin zum Tod kann der Leser diese abwechslungsreiche Persönlichkeit in einer Epoche des Umbruchs begleiten und an den Geschehnissen teilhaben. Den Beginn der Geschichte wird im Haus Popignan 1748 gemacht, in der man sogleich erfährt, dass Olympes Mutter, die zu diesem Zeitpunkt schon längst mit Marie schwanger ist, eine Affäre mit einem Dramatiker hat.  Das nächste Kapitel springt in das Jahr 1753. Und genau von diesem Zeitpunkt an, geht es um Marie bzw. Olympe, ihr Leben, ihre Wahrnehmungen und vor allem ihre Ansichten betreffs der politischen Vorkommnisse, der Zwangsheirat, verstaubten und längst veralteten Ansichten gegenüber dem weiblichen Geschlecht, sowie die Faszination für Literatur und Theaterbesuche.

Olympe muss sich dem Druck der Familie einmal beugen und wird verheiratet. Aus dieser für sie nicht glücklichen Ehe, geht ein Sohn hervor, der später einer der einzigen Menschen ist, der ihr nicht mehr von der Seite weicht. Ihr Ehemann, der alles andere als ein Musterbeispiel moralischen und ethischen Verhaltens ist, stirbt und von da an, hat Olympe nicht mehr geheiratet. Sie pflegt zwar Beziehungen zu anderen Männern,- weswegen sie sich den Missmut der Gesellschaft zuzieht, da es nicht üblich ist, sich als unverheiratete Frau mit einem Mann zu treffen-, doch sie will schlichtweg frei sein. Selbst über Körper und Geist bestimmen. Kommen und gehen, wann es sie danach verlangt. Hätte sie das eheliche Versprechen erneut abgegeben, so wäre es in ihren Augen wohl kaum möglich gewesen Bühnenstücke zu schreiben und sich der Politik des Vaterlandes Frankreich zu widmen.

Nicht nur inhaltlich ist diese Graphic Novel etwas besonderes, sondern vor allem zeichnerisch ist sie ein wahrer Augenschmaus. Auf den ersten Blick ist der Leser geneigt Catel Mullers Zeichnungen als einfach, reizlos oder gar plump abzustempeln. Doch beim genaueren Hinsehen, wird klar, dass ihre Zeichnungen wunderschön, äußerst detailiert und sehr realistisch sind. Es sind die kleinen Nuancen, die jedes Panel aufwerten, denn lange nicht mehr hat es Zeichnungen von solcher Freude für die kleinsten Details gegeben. Man fühlt sich von der ersten Zeichnung an, als würde die Gegenwart um einen schwinden und das Frankreich des 17. Jahrhunderts sich ringsherum aufbauen. Nicht nur die Details sind ein Fest für die Augen. Catel Muller versteht es wie kaum jemand anderes mit Schattierungen umzugehen. Nie ein Strich zu viel oder zu wenig, immer perfekt angesetzt. Es gibt wirklich Nichts, was an den Zeichnungen auszusetzen wäre, lediglich der Vorwurf, warum dieser Comic nicht in einem riesigen Format gedruckt wurde, um noch mehr von diesen fantastischen Bildern aufzusaugen. Als Beilage zu den fabelhaften Darstellungen Mullers fungieren die wirklich wohl überlegten Szenarien von Jose-Louis Bocquet, der es geschafft hat, sowohl den Zeichnungen als auch der Geschichte perfekte Akzente zu setzen. Jede Seite ist gespickt mit neuen und wertvollen Informationen, die den Spaß am Lesen garantieren. Es scheint so, als könne Bocquet mit seinem Text jeden Einzelnen von Catel Mullers Panels zusätzliche Gewichtung verleihen.

In dieser Graphic Novel geht es um die Französische Revolution. Auch wenn nicht immer alle Daten korrekt sind und der Geschichte angepasst wurden, ist dies ein Werk für jeden, der vernarrt in Geschichte und Comic Literatur ist. Mit geschichtlichen Vorkenntnissen liest sich die Geschichte aus einem anderen Blickwinkel, denn man erhält zusätzliche Informationen und andere Sichtweisen aus dieser Epoche. Doch auch jemand, der sich nicht mit diesen Inhalten beschäftigt hat, kann den Geschehnissen sehr gut folgen und viel dazu lernen.
Denn nicht nur Inhalt, Text und Zeichnungen sind sehr gut aufeinander abgestimmt, sondern ein liebevoller und sehr aufwendiger Bonusteil rundet das gesamte Werk ab. Der Bonusteil umfasst fast 70 Seiten Biographien der Persönlichkeiten, die im Leben von Olympe de Gouge eine Rolle spielen. Im Comic selbst sind eine Präambel und 17 gesetzliche Artikel abgedruckt, die durch die Nationalversammlung zur damaligen Zeit erlassen werden sollten.


Fazit

Olympe de Gouge ist ein Pflichtkauf. Dieser Comic bildet das Schmuckstück jeder Sammlung, dessen Preis mehr als nur gerechtfertigt ist. Selbst bei einem noch viel höheren Preis, hätte es sich gelohnt zuzugreifen und zu genießen. Selten zuvor gab es ein Künstler- und Autorenteam, das so liebevoll mit Thema, Inhalt, Zeichnungen und Gestaltungen umgegangen ist. Splitter legt ein qualitativ sehr wertvolles Produkt, mit hochwertigem Papier vor, das jeden Leser sofort in seinen Bann zieht. Dieses Meisterwerk sollte den Weg in Schulen und Universitäten finden, da jede Generationen hiervon profitieren und seine Sinne beglücken kann. Besonders denjenigen Frauen, die sich stark der Emanzipation und Gleichstellung der Frau widmen, sei gesagt, dass neben der „Emma“ hier gezeigt wird, wie sich eine Frau durchsetzen kann, ohne als rückständig zu gelten oder als lächerlich unglaubwürdige Frauenrechtlerin abgestempelt zu werden.


Pro/Contra

+ Zeichnungen, besonders die Schattierungen
+ Inhalt perfekt ausgearbeitet
+ für jeden zugänglich
+ neue Perspektiven
+ Druck geschichtlicher Dokumente
+ beeindruckende Szenarien
+ liebevoller und aufwendiger Bonusteil

Bewertung: alt

Handlung: 5/5
Charaktere: 5/5
Zeichnungen: 5/5
Lesespaß: 5/5
Preis/Leistung: 5/5