Long John Silver Bd.1 - Lady Vivian Hastings (Xavier Dorison, Mathieu Lauffray)

Verlag: Carlsen Verlag GmbH; (April 2009)
Softcover: 64 Seiten; 12 €
ISBN-13: 978-3551734419

Genre: Piraten/ Abenteuer


Klappentext

Es ist ruhig geworden um den berüchtigten Piraten Long John Silver. Nach seiner Rückkehr von der Schatzinsel hat er in Bristol ein Wirtshaus eröffnet, doch für einen Mann wie Silver ist das kein Weg, um alt zu werden.

Als ihn die schöne Lady Hastings aufsucht, um ihn für die Suche nach dem sagenhaften Reichtümern der verschollenen Stadt Guyanacapac anzuwerben, kann er nicht ablehnen. Silver bricht auf zu einer letzten Reise, zu seinem größten Abenteuer.


Rezension

Long John Silver
– so gut wie jeder dürfte diesen Namen kennen. Robert Louis Stevenson schuf diesen skrupellosen, aber dennoch auch etwas moralischen Mann für sein wichtigstes Werk: Die Schatzinsel, einem Klassiker des Abenteuer- und Jugendromans. Hierin erzählt er die archetypische Geschichte einer Piratenschatzsuche. Verrat, Freundschaft und Intrigen sind vorhanden und die Frage, ob alle wieder zurückkehren werden, steht recht schnell im Raum. Seit Erscheinen des Romans haben sich immer wieder Autoren der Figur des Long John Silver gewidmet und  Fortsetzungen von Stevensons Geschichte geschrieben. Xavier Dorison und Mathieu Lauffray schließen sich diesem Kreis jetzt an. Allerdings wollen sie ihren Comic als Hommage verstanden wissen und nicht als Fortsetzung. Zu groß ist der Respekt der beiden Autoren vor den Fähigkeiten des Autors, dass sie sich gar nicht erst mit ihm messen wollen. Dabei ist diese Angst unbegründet. Gemeinsam erzählen sie ein Abenteuer, das fast auf Augenhöhe mit Stevensons Klassiker ist.

Lady Vivian Hastings hat zwei Probleme. Zum einem steht sie kurz vorm Bankrott, Schmuck musste sie schon verkaufen und trotzdem ist ihre finanzielle Situation nicht wesentlich besser geworden, zum anderem ist sie schwanger. Ein wirklich großes Problem, denn ihr Mann, Lord Byron Hastings, ist vor 3 Jahren nach Südamerika aufgebrochen, um dort nach Guyanacapac, eine legendäre Stadt voller Reichtümer, zu suchen. Eigentlich könnte sie jetzt den Mann heiraten, von dem sie das Kind erwartet und von dem sie sich ein sicheres Leben verspricht, würde nicht genau im letztem Moment eine Nachricht ihres verschollenen Ehemanns eintreffen und all ihre Pläne auf den Kopf stellen. Plötzlich sieht sie sich der Tatsache gegenüber, dass der Bruder ihres Mannes sie enteignet und alles Geld in ein Schiff nach Südamerika investiert werden soll. So ist Lady Vivian Hastings gezwungen, nach drastischen Mitteln zu greifen. Zunächst sucht sie Dr. Livesey auf, um von ihm den Aufenthaltsort Long John Silvers zu erfahren, dann schließt sie mit eben jenem einen Vertrag ab, der Beide reich machen und sie von der Last ihres Gatten und dessen Bruder befreien soll. Dr. Livesey sieht sich in der Zwickmühle, darf er Silver und Lady Hastings verraten oder bleiben seine Lippen verschlossen. Am Ende bricht die Neptune unter einem ähnlich unglücklichen Stern auf, wie einst die Hispianola.

In Long John Silver – Lady Vivian Hastings spielt das eigentliche Abenteuer – die Reise nach Südamerika und die Suche nach Guyanacapac – noch keine wirkliche Rolle. Vielmehr stehen die Vorbereitungen und persönlichen Gründe der Figuren für diese Reise im Vordergrund. Dabei ist es nicht Long John Silver, der die Hauptrolle hier einnimmt, sondern die titelgebende Lady Hastings. Sie bekommt den meisten Raum und Dorison/ Lauffray nutzen diesen, um eine facettenreiche Frau zu porträtieren, die einerseits schon immer unter ihrem Mann zu leiden hatte, zum anderem aber auch hart und berechnend sein kann. Sie weiß, was sie will und wie sie es erreichen kann und ist dabei durchaus gewillt über Leichen zu gehen. Äußerlich schön, sieht es in ihrem Inneren teilweise recht häßlich aus. Für ihren Plan braucht sie einen ebenso skrupellosen Mann und diesen findet sie in Long John Silver. Als ehemaliger Pirat genießt er einen gewissen Ruf, den er in seiner Kneipe kultiviert hat. Äußerlich hart und zu allem bereit, porträtieren die Autoren ihn als sehr ambivalenten Charakter. Sicher er hat schlimmes getan, aber er weiß durchaus zwischen Recht und Unrecht, Gut und Böse zu unterscheiden. Die Rettung Jim Hawkins war vor Jahren kein Zufall und auch die Autoren von Long John Silver zeigen eine zutiefst moralische Seite von ihm, auch wenn sich diese in einem Gewaltausbruch zeigt. Silver war schon immer ein Mann, der seinen eigenen Weg ging und seinen eigenen Gesetzen folgte. Dies tut er auch weiterhin. Durch nichts lässt er sich in seinem Vorhaben bremsen, selbst eine schwere Krankheit kann ihn nicht davon abhalten, in See zu stechen. Warum genau bleibt vorerst die Frage. Vielleicht sucht er wirklich den Tod. Eine Vermutung, die Doktor Livesey äußert, der Silver nicht widerspricht.
Neben diesen bestimmenden Charakteren gibt es noch eine Vielzahl weitere, die die Geschichte vorantreiben und mit denen die Autoren den Grundstein für ein äußerst spannendes Abenteuer legen. Intrigen zeichnen sich ab, denn niemand an Bord der Neptune scheint das zu sein, was er vorgibt, zuallererst natürlich Long John Silver, der Schwächen zeigt, die nicht zu ihm passen. Inhaltlich ist Lady Vivian Hastings, alles in allem ein gnadenlos guter Auftakt, der genau die richtige Stimmung einfängt. Robert Louis Stevensons Klassiker wird auf unaufdringliche Art, aber mit höchstem Respekt, von Xavier Dorison weitergeführt und würdig ausgebaut.

Dazu tragen auch die Zeichnungen von Mathieu Lauffray ihren Teil bei. Perfekt fängt er in seinen Bildern die düstere Stimmung um Silver ein. Die verschiedenen Facetten des alten Piraten weiß er glaubwürdig darzustellen. Egal ob Silver als Rauhbein oder gutmütiger Tavernenbesitzer auftritt, nie besteht für den Leser ein Zweifel, dass er ist, was er in dem Moment vorzugeben scheint. Lauffray fängt die ganze Palette seiner Persönlichkeit ein und lässt immer die dunkle Seite Silvers durchscheinen, während seine gute unter der Oberfläche auf ihre Gelegenheit wartet. Zeichnungen und Text ergänzen sich hier. Aber nicht nur die Figurendarstellung ist als gelungen zu bezeichnen, auch alles andere weiß Lauffray in atmosphärischen Bildern zu verpacken. Schiffe, Hafenanlagen, Urwald oder geschützte Bucht, alles wird von ihm in beeindruckenden Bildern gezeigt. Bei Kampfszenen konzentriert er sich aufs wesentliche und lässt sie dadurch dynamisch wirken. Visuell insgesamt ebenso ein Erlebnis wie inhaltlich.

Erschienen ist Long John Silver bei Carlsen in einem Softcover, welches durchaus stabil ist und so schnell keinen Schaden nehmen dürfte. Allein das Coverbild verleitet schon zum Kauf. Selten ist ein Titelbild so atmosphärisch und passend zum Inhalt.


Fazit

Long John Silver ist eine großartige Verbeugung vor Die Schatzinsel. Dabei sind Autor Xavier Dorison und Zeichner Mathieu Lauffray mutig genug, nicht nur einfach die Geschichte von Robert Louis Stevensons Roman zu kopieren. Lady Vivian Hastings verspricht noch großartige Abenteuerunterhaltung, in der vermutlich so gut wie jeder noch durch die Hölle gehen dürfte. Leseempfehlung für alle Fans der Schatzinsel und Piraten.


Pro & Contra

+ spannende Geschichte
+ Long John Silver verschiedene Facetten
+ Atmosphäre

Bewertung:

Handlung: 4,5/5
Charaktere: 5/5
Zeichnungen: 4,5/5
Lesespaß: 5/5
Preis/Leistung: 4/5


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Tags: Piraten