Unsere Highlights aus 5 Jahren Literatopia (Teil 1)

Liebe LeserInnen,

in diesem Jahr wird Literatopia 5 Jahre alt - Anlass genug, um einen Blick zurückzuwerfen und Euch die Bücher nochmals vorzustellen, die uns besonders in Erinnerung geblieben sind. Die uns überrascht oder auch einfach nur total begeistert haben. Zwischen vielen guten und einigen weniger guten Büchern war ab und an auch ein Titel dabei, der auch nach 5 Jahren noch klar im Gedächtnis verankert ist und an den wir gerne zurückdenken. Bücher, die einen Ehrenplatz im Regal bekommen haben und die wir jedem ans Herz legen wollen.

Wir möchten diesen Blog nutzen, um euch während des ganzen Jahres unsere persönlichen Highlights aus 5 Jahren Literatopia vorzustellen. Heute mache ich den Anfang und möchte zuerst das Buch erwähnen, das dieser Idee eine konkrete Gestalt verliehen hat: "Der Nachtzirkus" von Erin Morgenstern.

Der Roman stand schon lange auf meiner Wunschliste und als ich die ersten Seiten endlich gelesen hatte, war mir sofort klar, dass dies ein Buch werden wird, das mich lange nicht mehr loslässt. Und so war es dann auch: ich habe jede Seite dieses kreativen und höchst charmanten Romans genossen, der mit einem magischen Zirkus und liebenswerten Charakteren verzaubert. Der Cirque de Rêves erinnerte mich stark an den Cirque du Soleil, wobei Erin Morgenstern ihren Zirkus gänzlich in Schwarz-, Weiß- und Grautönen gehalten hat. In vielen Szenen erlebt man den Zirkus, als wäre man wirklich dort, und wandert durch Eisgärten, Wolkenlabyrinthe und Spiegelzelte. Dazu gibt es eine zauberhafte Liebesgeschichte, die tief berührt und ohne oberflächlichen Kitsch auskommt.

Ein Buch, das sich immer wieder in meine Gedanken stiehlt, ist "Letzten Endes" von Ronald F. Currie. Der Klappentext klang skurril und das Interesse war sofort geweckt, doch letztlich war dieser Roman ganz anders, als ich erwartet hatte. Es geht um Junior, der bereits im Mutterleib Stimmen hört, die ihm das Ende der Welt verkünden. Die Stimmen sind dabei sehr konkret und kommentieren Juniors Leben, erklären ihm, wie seine Eltern ticken und was mit seinem Bruder los ist. Juniors Familie ist eine typisch amerikanische Katastrophe: die Mutter trinkt, während sich der Vater in Arbeit flüchtet. Sein Bruder Rodney ist geistig behindert, aber sportlich sehr begabt. Junior hingegen ist hochintelligent und erlebt sein Leben als sinnlos - denn wozu soll er sich anstrengen, wenn die Welt sowieso untergeht?

"Letzten Endes" schildert Juniors Lebensgeschichte vom Mutterleib bis zum Ende der Welt, zeigt seine Verzweiflung, seine Sinnlosigkeit und sein Aufbegehren gegen des Unvermeidliche. Ronald F. Currie überrascht dabei mit einem grandiosen Ende, das erschüttert, nachdenklich und irgendwie auch versöhnlich stimmt. Wenn man auf der letzten Seite angekommen ist, wird sich das eigene Weltbild verändert haben ...

Eine meiner liebsten Entdeckungen während der letzten fünf Jahre ist die Arbeit von Benjamin Lacombe, von dem vergangenes Jahr mit "Das Elfen-Bestimmungsbuch" ein phantastisches Meisterwerk erschienen ist. Bisher illustrierte Benjamin Lacombe Edgar Allan Poes "Unheimliche Geschichten" und inszenierte "Schneewittchen" in gleichermaßen düsteren wie traumhaften Bildern. Mit dem "Elfen-Bestimmungsbuch" erschafft er gemeinsam mit Sébastian Perez eine ganz eigene, unheimliche Geschichte über kleine Wesen, die wie Pflanzen aussehen und die der Protagonist Alexander Bodganowitsch als die Elfen der keltischen Sagen erkennt. In wissenschaftlichen Aufzeichnungen und Briefen entdeckt der Leser diese phantastischen Wesen und erlebt, wie Bodganowitsch sich zunehmend in der mysteriösen Elfenwelt verliert. Die Illustrationen von Benjamin Lacombe fangen die verträumte und auch düstere Atmosphäre der Geschichte wunderbar ein, wobei das Buch mit einer wundervollen Gestaltung brilliert. Große Farbseiten, scherenschnittartige Lasercuts, halbtransparente Seiten - "Das Elfen-Bestimmungsbuch" ist ein echtes Kunstwerk!

Gesa Schwartz legte Anfang 2010 mit "Grim - Das Siegel des Feuers" ein Wahnsinnsdebüt hin und begeisterte mich mit ihrem leidenschaftlichen, kreativen Schreibstil. Der zweite Band der Trilogie, "Grim - Das Erbe des Lichts",  knüpfte nahtlos an die Qualität des Debüts an und ich fragte mich, ob da überhaupt eine Steigerung möglich ist. Denn ihren Stil hatte Gesa Schwartz bereits gefunden und ihre Welt war so detailverliebt und voll magischer Kreaturen, das man nicht recht wusste, in welche Richtung ein neuer Phantastik-Roman gehen könnte.

Mit "Die Chroniken der Schattenwelt - Nephilim" gelang es Gesa Schwartz jedoch, die Erwartungen zu übertreffen und den Leser erneut in den Bann der Schatten zu ziehen. Nando ist der Sohn des Teufels und hadert mit diesem Schicksal, das ihn in tiefste Dunkelheit stürzen kann. Im Herzen ist er gut, doch die Ablehnung, die ihm entgegenschlägt und die Einflüsterungen Luzifers verdunkeln seine Seele und so wird man neben äußeren Kämpfen vor allem von diesem inneren Kampf Nandos gefesselt.

"Blutmusik" von Greg Bear ist für mich bis heute einer der Science-Fiction-Romane, die man unbedingt gelesen haben sollte. Der Roman ist 1984 erschienen und wurde zuletzt 2008 von Heyne in der Reihe "Meisterwerke der Science-Fiction" veröffentlicht. Trotz seines Alters ist "Blutmusik" auch heute noch aktuell, vielleicht sogar aktueller als damals. 

Der Roman beginnt mit einem biologischen Experiment, das außer Kontrolle gerät: dem Biologen Vergil ist es gelungen, "intelligente" Zellen zu erschaffen. Als sie zerstört werden sollen, spritzt er sich die Zellen ins Blut und hört schließlich ihre Gedanken. Vergil stirbt und andere Charaktere erleben, wie die Welt nach und nach von den Zellen verändert wird und zu einem grotesken Alptraum wird. "Blutmusik" ist ein unheimlich kreatives Gedankenexperiment, das anfangs als SF-Thriller daherkommt, sich in blanken Horror wandelt und am Ende mit einer eigenwilligen Interpretation der Quantenphysik überrascht. Der Roman ist einfach herrlich abgedreht, so etwas hatte ich noch nie gelesen.

Es gibt noch eine Hand voll anderer Romane, die mich in ähnlicher Weise begeistert haben, aber diese 5 sind mir schlichtweg zuerst eingefallen und sollen daher hier stehen. Aber die anderen Bücher möchte ich zumindest kurz erwähnen: "1Q84", "Wo die verlorenen Worte sind", "Die Mechanik des Herzens", "Stadt der Finsternis - Die Nacht der Magie" und "Cocoon - Die Lichtfängerin".

Viele Grüße von Eurer

Judith