Die Zwölf (Justin Cronin)

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Goldmann (Januar 2013)
Hardcover, 832 Seiten
ISBN: 978-3442311798
€ 22,99 [D]

Genre: Horror


Klappentext

Die Zwölf bedrohen die Welt - und nur Amy kann sie besiegen

Zu Anfang waren es zwölf Kriminelle, die auf die Todesstrafe warteten. Doch dann wurden sie auserwählt für ein geheimes Experiment. Es sollte den Fortschritt bringen, aus ihnen sollten mehr als nur Menschen werden. Doch es schlug fehl. Jetzt sind es diese Zwölf, die das Leben auf der Erde bedrohen und das Ende der Menschheit bedeuten könnten. Und die letzte Hoffnung ruht auf einem Mädchen. Amy ist die Einzige, die sich der Macht der Zwölf entgegenstellen kann. Aber der Gegner ist stark, und ihre Kraft scheint mehr und mehr zu schwinden …


Rezension

Mit „Der Übergang“ erschien im Sommer 2010 ein Debütroman, der es in sich hatte. Auf über 1000 Seiten erzählt Justin Cronin von Amy Bellafonte, das Mädchen von Nirgendwo, das die einzige Hoffnung für die sterbende Welt ist. Nach dem missglückten Forschungsversuch „Project Noah“ kommen zwölf zum Tode verurteilten Gewalttäter und „Zero“, das erste Versuchsobjekt und Anführer aller, auf freien Fuß. Der Virus hat sie zu mächtigen Kreaturen gemacht, die nicht weiter vom menschlichen Dasein entfernt sein könnten. Amy, die mit einer abgewandelten Form des Virus infiziert wird, bleibt von einer Verwandlung verschont, bevor sich das allerdings jemand zu Nutze machen kann, steht die Forschungsanlage bereits in Flammen. Der FBI-Agent, Brad Wolgast, rettet das Mädchen und versteckt sie. Anschließend springt das Buch 93 Jahre in die Zukunft und erzählt vom Kampf der neuen Generation, die sich an die alte Welt nur noch aus Erzählungen erinnert, gegen Babcock, einen der Zwölf. Das Ende war für sich abgeschlossen und dennoch war ein zweiter Band unausweichlich.

Mit „Die Zwölf“ meldet sich Cronin endlich zurück und spinnt die postapokalyptische Geschichte weiter. Die erste Überraschung kommt nach nur wenigen Seiten. Nur ein kurzer Blick wird auf Amy Bellafonte gewährt, bevor der Leser eine Zeitreise zurück macht, nur wenige Tage nach dem Ausbruch des Virus. Wie eine Flutwelle wurde Amerika von den Virals überrannt. Die „Vampire“ kamen aus dem Nichts und haben wie ein gigantischer Schwarm Heuschrecken den größten Teil der menschlichen Zivilisation vernichtet. Wer nicht in Stücke gerissen wird, verwandelt sich und stärkt den Schwarm in seinem unerbittlichen Feldzug. Die wenigen, vermeintlich glücklichen Überlebenden folgen dem Verlangen, andere zu finden und sich mit ihnen zusammen zu tun. Während es den meisten darum geht, den Weltuntergang zu überstehen, haben manche ganz andere Probleme. Horace Guilder der Verantwortliche hinter den fehlgeschlagenen Forschungsarbeiten mit dem exotischen Virus, müsste sich eigentlich vor einem Tribunal verteidigen. Nun da die Welt brennt und Amy seine persönliche und einzige Hoffnung ist, macht er sich lieber auf die Suche nach ihr. Zur selben Zeit versucht Danny einfach nur seinen Fahrplan als Busfahrer einzuhalten, womöglich warte ja doch jemand auf ihn. Irgendwo in einem Motel wacht Lawrence Grey zur selben Zeit auf. Gerade war er noch Hausmeister in der Einrichtung für Project Noah und im nächsten Moment ist er hier. Auch er sucht nach einer sicheren Zuflucht, findet dabei stattdessen Lila Kyle, die im Haushaltswarenladen nach der richtigen Farbe für ihr Babyzimmer sucht. Anstatt die offenbar geistig verwirrte Frau zurückzulassen, bleibt Grey bei ihr.

Das erste Drittel des Buches liest sich wie ein klassischer Endzeitroman. Schön dabei ist, dass sich sehr schnell und mit einer bewundernswerten Leichtigkeit eine schöne Weltuntergangsstimmung einstellt, alle Grundzutaten sind da und diese sind auch gekonnt umgesetzt. Allerdings fühlt man sich stark an den aktuellen Serienhit „The Walking Dead“ erinnert oder sonst einen Film oder Roman dieses Genres. Diese Passagen bieten nichts Neues, was die Geschehnisse angeht. Es gibt das Militärlager, in dem alle Sicher sein sollen, den vorlauten Idioten, den Aufmüpfigen, den Ex-Soldaten, der versucht den Tag zu retten. Die einzige wirklich nennenswerte Person ist die der Lila Kyle, ihr geistiges Zurückziehen vor dem Schrecken ist eine willkommene Abwechslung im Einheitsbrei der Charaktere. Aber über allem steht die Frage, warum erzählt Cronin das eigentlich? Und auch wenn es schwer zu glauben ist, gelingt es ihm tatsächlich einen Bogen zu schlagen zu den Geschehnissen 97 Jahre später, also zu der Zeit nach dem ersten Roman. In dieser hat sich einiges getan. In aller Stille und Heimlichkeit ist eine merkwürdige Stadt erbaut worden, die über keine der gängigen Abwehrmethoden gegen die Virals verfügt, als müsse man sich vor ihnen dort nicht fürchten. Eine mutige Entscheidung gerade jetzt, da von einer Frau erzählt wird, die die Kreaturen beherrschen soll und sie auf unschuldige Menschen hetzt. Irgendetwas geht vor sich und es kann nichts Gutes sein.

Die ominöse Stadt ist wohl das spannendste an der Geschichte, nach und nach werden die Geschehnisse in ihr offenbart, ohne alles preiszugeben. Obwohl das Buch eine Vielzahl an Ereignissen bereithält, führen deren Ergebnisse doch alle letztlich zu dieser Stadt. Was ein zwiespältiges Gefühl hinterlässt. Man kann die Tatsache hinnehmen, dass alles kommt, wie es kommen musste, um das in dieser Form unausweichliche Ende herbeizuführen. Immerhin kommt Cronin beinahe ohne Längen aus und die einzelnen Erzählstränge bieten genug spannende Passagen. Allerdings ist es sehr einfach, sich auf Gott und Schicksal zu stützen, um die einzelnen Stränge zu verbinden. Jeder hätte auch ohne den anderen funktioniert, denn nur die Charaktere stehen in Verbindung miteinander, nicht aber ihre Taten. Somit haben Entscheidungen keine Auswirkung auf die anderen. Aber es ist nur ein kleines Manko, dafür hält der Roman einfach zu viele Überraschungen parat. Besonders die Verknüpfung zu dem oben erwähnten Rückblick ins Jahr Null ist besonders kreativ gelöst. Zusätzlich ist „Die Zwölf“ ein ganz anderes Buch als es „Der Übergang“ war. Letzterer handelte von der Reise eine Gruppe durch Gefahrenland und deren Kampf ums Überleben. Eine klassische Story in einem postapokalyptischen Umfeld, die ihre Spannung aus der allgegenwärtigen Bedrohung durch die Virals bezieht. In „Die Zwölf“ rutschen die Virals in den Hintergrund und es geht um etwas Größeres, als blutige Kämpfe gegen kleine Gruppen von Monstern.


Fazit

Die Zwölf“ ist unverkennbar von Justin Cronin. Die Charaktere sind wieder ein wichtiger Teil - nicht nur Vampirfutter - und mit viel Liebe zum Detail gestaltet; die Weltuntergangsstimmung ist grandios und Amy Bellafonte ist eine liebenswerte Weltenretterin. Und dennoch ist der zweite Teil völlig anders geworden, als erwartet. Ob besser oder schlechter muss jeder für sich entscheiden.


Pro und Kontra

+ sehr durchdachte „Vampire“
+ spannend
+ ausgezeichnete Charakter
+ keine Klischees
+ viele interessante Ideen

Beurteilung:alt

Handlung: 4,5/5
Charaktere: 5/5
Lesespaß: 5/5
Preis/Leistung: 4,5/5


Rezension zu Der Übergang (1) von Justin Cronin

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