Der Pfad der Winde (Brandon Sanderson)

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Heyne (August 2011)
Hardcover, 784 Seiten,
ISBN: 978-3-453-26768-8
€ 21,99 [D] | € 22,70 [A]

Genre: Fantasy


Innerer Klappentext

Roschar ist eine sturmumtoste Welt. Jahrtausendlang wurde Roschar von den Herolden und ihren Strahlenden Rittern regiert, übermenschlichen Kriegern, deren magische Splitterklingen jedes Leben auslöschen konnten. Doch die Herolde sind verschwunden, und nun droht Roschar zu zerfallen. Für eine Weile sah es jedoch aus, als könnte in den Ländern von Roschar wieder Frieden einkehren. Ein Pakt sollte zwischen dem mächtigen Königreich Alethkar und dem Barbarenvolk im Osten geschlossen werden. Die Hoffnung erstarb allerdings, als die Barbaren den König durch einen Assassinen, bewaffnet mit einer magischen Splitterklinge, ermorden ließen. Seitdem herrscht Krieg in Alethkar, ein Krieg, der immer hoffnungsloser zu werden scheint. Nur Großprinz Dalinar, der Bruder des ermordeten Königs, hält noch an der Vision des Friedens und der Einheit fest - denn die Erscheinungen, die ihn während der gewaltigen Großstürme heimsuchen, warnen vor den Bringern der Leere, bedrohlichen Kreaturen voll tödlicher Macht. Nur wer das uralte Geheimnis um die Herkunft der Splitterklingen lüften und die Menscheit wieder vereinen kann, wird der endgültigen Vernichtung widerstehen können ...


Rezension

Brandon Sanderson verfasste schon in seiner Schulzeit phantastische Geschichten, studierte englische Literatur und unterrichtet derzeit Kreatives Schreiben. Bekannt geworden durch sein Debüt Elantris, begeisterte er mit seiner Jugendbuchreihe „Alcatraz“, seiner Mistborn-Trilogie und seinem bravourös gelungen Einzelroman Sturmklänge auch hierzulande seine Leserschaft. Mit Der Weg der Könige erschien im April 2011 der erste Teil seines Reihenauftakts zum Stormlight Archive. Ein Roman, der seine Längen besaß, dennoch aber Großes erahnen ließ. „Der Pfad der Winde" setzt diesen nun fort und schließt damit den ersten originalsprachigen Band „The Way of Kings“ als Ganzes ab. 

>> Die Baracken standen an der westlichen und nördlichen Seite des Platzes. Die von Brücke Vier befand sich etwas abseits von den anderen, als sei Pech eine ansteckende Krankheit. Ansteckung durch Nähe, wie Kaladins Vater gesagt hätte. „Wir existieren, um getötet zu werden“, bemerkte Kaladin. Er blinzelte und blickte auf die wenigen anderen Gefährten von Brücke Vier, die teilnahmslos im Regen saßen. „Falls wir nicht schon tot sind.“ <<

Die Tage werden nicht weniger blutig und tödliche Intrigen reifen heimlich heran - Roschar steht immer noch vor der Vernichtung und nur die Ahnung jener, lässt sich für manche erfassen. Dalinars Visionen werden inzwischen drängender, gar brachial, verlieren aber an nach und nach an Verlässlichkeit. Für den kampferprobten Großprinzen und Splitterträger wird es deshalb immer schwieriger, Feind von Freund zu unterscheiden. Wider der Einwände seines Sohnes Kapsal, geht er ein waghalsiges Bündnis ein. Eines, das Roschar entweder vereinigen oder ihm selbst, und damit vielen seiner Gefolgsleute, den Kopf kosten kann. 

Währenddessen kämpft der Sklave Kaladin immer noch um Brücke Vier. In den Köpfen seiner Männer weicht langsam die Hoffnungslosigkeit, gleichzeitg keimt der Gedanke an Flucht. Doch können sie es wagen, Hellherrn Sadeas den Rücken zu kehren? Am Scheidepunkt ihres Schicksals wartet jedoch eine ganz andere Entscheidung, die ihnen einen unerwarteten Verbündeten beschert. Kann Kaladin, der von den Hellherrn bisher nur bitter enttäuscht wurde, je wieder einen von ihnen vertrauen? Ist es die Zeit, sich davonzustehlen und das eigene Leben zu retten, oder als Einheit gemeinsam Großes zu erreichen? Oder bei dem Versuch zu sterben ... 

Brandon Sanderson meldete sich einmal mehr zurück. Bereits vier Monate nach dem erscheinen von „Der Weg der Könige" durfte der geneigte Leser den nächsten Band „Der Pfad der Winde" in den Händen halten. Die Vorfreude auf jede einzelne Seite war vorprogrammiert. Welchen Weg würde Brandon Sanderson in seiner neuen, bisher so undurchblickbaren Reihe einschlagen? Wo in Roschar würde sich die Handlung um ihren Mittelpunkt drehen? Und vor allem: wann würden Großprinz Dalinar, Sklave Kaladin und Schallan endlich aufeinander treffen? Zwischen verdorrten Ebenen, dunklen Schluchten und schlammtiefen Intrigen kristallisiert sich mit voranschreitender Seitenanzahl einmal mehr heraus: wer auf schnelle Antworten pocht, ist mit diesem Autor falsch beraten. Neugierde muss warten, denn die Zügel dieser Geschichte erweisen sich immer noch als straff gespannt und Brandon Sanderson wäre nicht Brandon Sanderson, wüsste er sich die Zeit, bis zu diesen Antworten, nicht hochkarätig zu vertreiben. Schnell und ohne größeren Schwierigkeiten steigt man wieder in seine Geschichte ein, liest von Seite zu Seite und muss bewundernd feststellen, dass viele Details im Kopf des Lesers (trotz oder gerade aufgrund ihrer Vielfalt) selbst über lange Zeiträume erhalten bleiben. Eine Tatsache, die sicherlich der bildgewaltigen Sprache geschuldet ist. Egal ob prachtvolle Roben, tosende Sandstürme, ausgedehnte Gefechte oder simple Beschreibungen scheinbar banaler Gewichtigkeiten: kein Bestandteil dieser Welt bleibt verschont. Diese Vorgehensweise kann die Zeit beim Lesen durchaus lang erscheinen lassen, ist aber nur ein gering zu zahlender Preis für den tiefgründigen und präzise durchdachten Inhalt, der geboten wird. Im Vergleich zum ersten Teil des ersten Bandes bietet „Der Pfad der Winde", bedingt durch spannender werdenden Handlungsstränge, ein höheres Tempo. Die Lage in Roschar spitzt sich zu. Dieses Wissen bleibt vor allem dem Leser und Großprinz Dalinar vorenthalten, denn in weiten Teilen des Landes erkennt niemand sonst die drohende Gefahr. Sie kündigt sich durch Kleinigkeiten an. Details, die am Rande stehen, während Dalinar, Kaladin und Schallan sich mühen, in dieser Welt zu bestehen.

Dalinar hat vor allem mit den Intrigen des Adels, die hinter seinen Rücken geschmiedet werden, aber auch mit sich selbst zu kämpfen. Nicht Wenige versuchen den Großprinzen loszuwerden, dessen Einfluss auf den König erst in Frage gestellt wird, dann aber stetig steigt. Der nachvollziehbare Zweifel an sich selbst, der ihn beinahe dazu gebracht hätte, zurückzutreten, scheint endlich überwunden. Tatendrang herrscht vor und letztendlich präsentiert sich dem Leser eine gnadenlose, epische Schlacht. Eine, in der Kaladin auch ums nackte Überleben kämpft. Durch seinen Einsatz rückt Brücke Vier vermehrt in ein politisches Rampenlicht. Kaladin und sein tollkühnes Verhalten schürt das Interesse seines Herrn, Sadeas. Ein Widersacher, der die Sympathie des Lesers gewinnt. Ebenso gerne verfolgt man Szeth (ein innerlich zerbrochener Auftragsmörder wider Willen) und auch Schallan, die in Der Pfad der Winde" mit einer deutlich geringeren Seitenanzahl auskommen muss. Inzwischen ist ihr Verrat an ihrer Herrin aufgeflogen. Das Schicksal ihrer verarmten Adelsfamilie scheint besiegelt, doch letztendlich eröffnet sich für Schallan ein weitere Möglichkeit, dem Untergang zu entgehen: sie studiert die Strahlenden und das, was sie der Welt hinterlassen haben. Doch dafür muss die junge Dame eine Reise antreten, die ihr Leben möglicherweise für immer verändern wird. Gerne muss man zugeben: Brandon Sanderson hat ein sehr feines Gespür für seine Protagonisten und die Zeit, die er sich in dieser Reihe nimmt, sticht ungemein positiv in deren Entwicklung hervor. Sie sind so vollends ausgeformt, das es dem Leser unmöglich gemacht wird, sie wieder zu vergessen.

„Was schätzen wir?“, flüsterte Schelm.
„Erfingsungsgabe. Originalität. Neuartigkeit. Aber am meisten ... die Zeitlosigkeit.“

Schwer zu vergessen ist ebenso dieses Zitat. Der Nebencharakter Schelm, der den Brückenschlag zu Brandon Sandersons theologischer Obsession bildet, stellt hier eine durchwegs interessante Frage, mit der man sich im Grunde lange beschäftigen kann. Mag sie jeder Leser im ersten Moment auch anders beantworten, so trifft Zeitlosigkeit" den Nagel zum Erfolg präzise auf den Kopf. So erfinderisch, originell und neuartig Brandon Sanderson Romane auch sind, diese Buchreihe, sticht auch auf andere Weise hervor. Nicht ausschließlich, weil die Handlung episch und der gewählte Stil (eine Komposition aus wortgewaltigen, dann aber auch sehr massentauglich kurzweiligen Satzfolgen) ansprechend ist. Nicht nur deshalb, weil Michael Siefener als Übersetzer (wie eigentlich immer) ausgezeichnete Arbeit leistet. Nein. Brandon Sanderson präsentiert mit „The Way of Kings“ nochmal etwas gänzlich anderes: eine ungewöhnlich hohe, gar zeitlose Leidenschaft zur Literatur und zu seinen Charakteren. Er vermittelt in Wort und Schrift ein Lebensgefühl von literarischer Unendlichkeit - eine bildgewaltige, kreative Macht, Welten zu erschließen, die Generationen überdauern.

Über das Hörbuch: Mit knapp vierundzwanzig Stunden ist das ungekürzte Hörbuch ein langlebiger Begleiter für weite Autostrecken, entspannende Abende oder sonnige Wiesentage. Detlev Bierstedt erzählt angenehm, sehr bedacht und weiß die Geschichte als Sprecher gut in Szene zu setzen. Seine Stimme ist zudem sehr wandelbar und nie übertrieben. Als Hörer erhält man durch sein langsames Sprecher entweder die Möglichkeit, die Geschichte (fast schon übertrieben) langezogen auf sich wirken zu lassen, oder doppelt so schnell voranzukommen, in dem man die Geschwindigkeit erhöht und selbst dann immer noch in der Lage ist, dem Geschehen zu folgen. Mit einem Preis von 24,95 ist die Audio-Fassung teurer als das gebundene Buch, seinen Preis für Sanderson-Liebhaber jedoch durchaus wert, die ihre Augen gerne einmal entspannen möchten.    

Die Gestalt schwieg eine Weile. Dann sagte sie mit klarer, fester Stimme: Leben vor Tod. Stärke vor Schwäche. Reise vor Ziel. Sprich die alten Eide nach und gib den Menschen die Splitter zurück, die sie einst besessen haben. Er wandte sich zu Dalinar um und sah ihn an. Die Strahlenden Ritter müssen wieder auferstehen. Die Menschen müssen sich ihnen gemeinsam entgegenstellen. Ihr dürft nicht mehr im Streit miteinander liegen, wie es in der Vergangenheit der Fall gewesen ist. Er hat erkannt, dass ihr zu euren eigenen Feinden werdet, wenn er euch nur genug Zeit gibt. Er weiß, dass er gar nicht gegen euch kämpfen muss. Eure Legenden sagen, dass ihr gewonnen habt. Aber die Wahrheit ist, dass wir verloren haben. Und dass wir wieder verlieren werden ... .

(Seite 762)


Fazit

„Der Pfad der Winde“ setzt den ersten Teil des Reihenauftaktes geradezu wundervoll fort. Egal ob gebunden als Buch, oder ungekürzt als Audio-Book, Brandon Sanderson präsentiert mit „The Way of Kings“ eine ungewöhnlich tiefe Liebe zu seinen Geschichten und Charakteren, wie man sie selten findet. Er führt seine Handlungsstränge bedacht fort, weiß Action ebenso zu gut in Szene zu setzen wie emotionsgeladene Momente und vermittelt letztendlich das Gefühl, dass gerade die Stormlight-Archive-Reihe noch Generationen überdauern und beschäftigen wird. Meisterlich, zeitlos und für jeden Fantasy-Fan ein wahres Muss! Brandon Sanderson ist der neue Tolkien!


Pro und Kontra

+ wunderbare, einzigartige Ideen
+ bemerkenswerte Fantasy
+ voller epischer Details
+ einfach "Sanderson"
+ toll gestaltetes Hardcover
+ farbig ausgemalte Welt
+ tolle, sehr ausgereifte Protagonisten
+ fulminantes Ende
+ angenehmer Stil

o überschäumende, geschmacksabhängige Details

Wertung: sterne5

Handlung: 4,5 / 5
Charaktere: 5 / 5
Lesespaß: 4,5 / 5
Preis/Leistung: 5 / 5


Interview mit Brandon Sanderson (deutsch / englisch)

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