Anna Schneider (01.05.2013)

Interview mit Anna Schneider

Literatopia: Hallo, Anna! Kürzlich ist bei Thienemann Dein Jugendthriller „Blut ist im Schuh“ erschienen – was kannst Du uns darüber verraten?

Anna Schneider: „Blut ist im Schuh“ ist mein Debüt, das ich als Auftragsarbeit für das Imprint „Planet Girl“ geschrieben habe. Es handelt sich um den dritten Teil einer Reihe von Märchenthrillern, die von unterschiedlichen Autoren verfasst wird.

Literatopia: „Blut ist im Schuh“ – diesen Satz kennt man aus Grimms „Aschenputtel“. Welche Märchenelemente finden sich in Deinem Roman? Gibt es überhaupt welche?

Anna Schneider: Die Analogie zu „Aschenputtel“ ist nicht nur im Titel gegeben. Im Buch tauchen verschiedene Motive aus dem Original auf: Die böse Stiefmutter und die Stiefschwestern, Tauben, der Ball usw. Einige Kapitel sind zusätzlich mit Zitaten aus dem Märchen überschrieben. Da ich die Geschichte in die heutige Zeit übertragen habe, gibt es natürlich auch einige Abweichungen. So wohnt „der Prinz“ in meinem Buch in einem normalen Haus und seinem Vater gehören keine Ländereien, sondern die Fahrschule des Ortes.

Darüber hinaus habe ich auch andere Märchen angerissen – aber nur im Kopf des Bösen, der im Original überhaupt nicht vorkommt.

Literatopia: War das Thema „Aschenputtel“ vom Verlag vorgegeben? Oder hast Du das Märchen selbst ausgewählt? Wenn ja – warum?

Anna Schneider: Das Märchen habe ich selbst ausgewählt. Ich wollte gerne eine Geschichte über Patchwork-Familien schreiben, weil dieses Thema heute viele Jugendliche betrifft. Inzwischen werden ungefähr die Hälfte aller Ehen in Deutschland nach wenigen Jahren geschieden und mehr als die Hälfte der Mütter und Väter hat laut Statistik schon nach einem Jahr wieder einen neuen Partner. Aus meiner Sicht muss es in diesen neu zusammengewürfelten Familien zu Anfang Konfliktpotential geben, eine Rangelei um Liebe und Loyalität. Das alles konnte ich wunderbar in der Geschichte von Aschenputtel unterbringen. Dazu gab es dort diesen Ball, einen tollen Jungen und es ging um SCHUHE. Das schien mir perfekt für ein Buch, das sich vor allem an Mädchen richtet.

Literatopia: Die düstere Sarah und die freundliche Amelie könnten kaum unterschiedlicher sein – haben sie trotzdem Gemeinsamkeiten, die sie verbinden?

Anna Schneider: Die haben sie durchaus, denn beiden fehlt zum Beispiel eine intakte Familienstruktur. Diese Gemeinsamkeit erkennen sie leider nicht, weil sie sehr unterschiedlich mit ihren Problemen umgehen. Mehr möchte ich hier nicht verraten, weil das vermutlich schon zu sehr in die Handlung des Buches hineinführen würde.

Literatopia: Bereits auf den ersten Seiten macht man Bekanntschaft mit einem Stalker – wieso hast Du Dich für dieses Thema entschieden? Und wie hast Du recherchiert, um das Stalking glaubhaft darzustellen?

Anna Schneider: Gute Frage! Zum einen kenne ich Menschen, die schon einmal Opfer eines Stalkers geworden sind. Die Schilderungen von Betroffenen helfen immer sehr gut, um sich in die Situation der betroffenen Mädchen hineinversetzen. Zum anderen habe ich Kontakte zur Polizei und zu Psychologen, mit denen ich solche Themen ebenfalls diskutiere und sie so auch aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten kann.

Literatopia: Wenn Du Dich so intensiv mit der Thematik befasst hast – hat das Deinen Blick auf Deine Mitmenschen verändert? Hast Du Dich während der Recherche manchmal selbst beobachtet gefühlt?

Anna Schneider: Nein, diese Recherche hat meinen Blick nicht wirklich verändert, denn einige Fakten waren mir schon länger bekannt. Sie hat ihn allenfalls im Bereich der Zwischentöne geschärft. Und nein, ich fühlte mich nicht beobachtet.

Literatopia: Was reizt Dich persönlich an Krimis und Thrillern? Und wo liegt Deiner Meinung nach die besondere Herausforderung bei einem Jugendthriller?

Anna Schneider: Die Antwort wirkt vielleicht ernüchternd, aber ich schreibe im Spannungsbereich, weil ich das selbst gerne lese. Insofern kann ich mir vorstellen, was der Leser von einem Buch dieses Genres erwartet. „Blut ist im Schuh“ war mein erster Versuch im Jugendbuch. Wenn ich für ein jüngeres Publikum schreibe, ist für mich der zentrale Unterschied, alles im Gewaltbereich weniger konkret zu schildern. Insofern muss die Gefahr allein durch die Grundstimmung des Buches sowie auf psychologischer Ebene erzeugt werden. Die positiven Rückmeldungen, die ich von erwachsenen Lesern meines Buches bekommen habe, zeigt, dass diese Art zu schreiben nicht nur bei Jugendlichen Anklang findet und durchaus Interesse an „unblutigen“ Spannungsromanen besteht.

Literatopia: Obwohl Du schon lange schreibst, ist „Blut ist im Schuh“ tatsächlich Dein Debütroman – wie fühlt es sich an, endlich ein ganz eigenes Buch in Händen zu halten? Und wie steinig war der Weg bis dahin?

Anna Schneider: Es fühlt sich surreal an. Ich habe schon als kleines Mädchen von einem eigenen Buch geträumt, es dann aber viele Jahre aus den verschiedensten Gründen verdrängt. Als ich das erste Mal mein Buch auf der Messe in Leipzig in der Hand hielt, war das wie ein Traum. Und noch heute muss ich es von Zeit zu Zeit anfassen, um zu glauben, dass es wirklich wahr ist.

Mein Weg war bislang nicht sehr steinig, denn immerhin habe ich es geschafft, dass bereits mein erstes Jugendbuchmanuskript in einem sehr renommierten Verlag erschienen ist.

Literatopia: Wie ist das Feedback zu „Blut ist im Schuh“? Liest Du Rezensionen im Internet?

Anna Schneider: Überwältigend gut. Damit habe ich offen gestanden nicht gerechnet und verdrücke immer mal wieder ein Freudentränchen. Ich lese die Rezensionen sehr gerne und freue mich, wenn ich die Leser unterhalten konnte. Auch die weniger begeisterten Rückmeldungen schaue ich darauf hin an, was ich konstruktiv ins nächste Werk daraus mitnehmen kann.

Literatopia: „Blut ist im Schuh“ macht optisch einiges her und wartet mädchentypisch mit Pastellfarben und schickem Schnörkeldruck auf den Buchrändern auf. Wie gefällt Dir die Gestaltung? Und ist sie nicht etwas zu „lieb“ für einen Thriller?

Anna Schneider: Diese aufwendige Aufmachung ist natürlich toll und gibt dem Buch eine ganz besondere Note. Die Verzierungen der Seiten und der Buchschnitt sind für mich die besonderen Highlights.

Mir gefiel im übrigen gerade dieser Gegensatz: Außen lieb, innen böse.

Literatopia: Wie organisierst Du Dich beim Schreiben? Hast Du alles im Kopf oder nutzt Du Plotskizzen und Charaktersteckbriefe?

Anna Schneider: Ganz ehrlich: Von allem etwas. Zuerst ist da eine Idee. Die ist meist recht winzig, aber dann rankt sich immer mehr darum: passende Figuren, Orte, Nebenstränge. Ich entwerfe tatsächlich immer einen Kapitelplan und auch Charaktersteckbriefe. Meist hat aber das Endprodukt mit dem, was dort steht ,nur in Fragmenten noch etwas miteinander zu tun. So kann es mir durchaus passieren, dass am Ende ein vollkommen anderer der Mörder ist, als ich es vorab geplant habe.

Literatopia: Bereits als Jugendliche hast Du Gedichte verfasst und sogar veröffentlicht – wie denkst Du heute über diese frühen Werke? Und wie schätzt Du den Stellenwert von Lyrik in der heutigen Zeit ein?

Anna Schneider: Ich mag meine Gedichte auch heute noch und freue mich, dass ich von Zeit zu Zeit eines im Internet wiederfinde. Gedichte waren für mich ein Weg, mich mit meinem Innenleben zu beschäftigen. Ich habe nur selten Tagebuch geschrieben, dafür aber diese Form geliebt, meinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Zu Anfang hatten meine Lektorin und ich sogar die Idee, in „Blut ist im Schuh“ einige meiner Gedichte zu verwenden, die Amelie schreiben sollte. Vielleicht nehmen wir diese Idee noch einmal in einem anderen Buch auf.

Leider ist Lyrik ein echter Randbereich, aber ich finde diese reduzierte Form der Beschreibung, den fast akrobatischen Umgang mit Sprache sehr schön. In den letzten Jahren begeisterte mich das Rilke-Projekt I - IV, in dem Musik und Text zusammengeführt wurde. „Die Welt Die Monden ist“ mochte ich auf diesen CDs besonders. Es gibt noch weitere Projekte, wie z.B. „Poembeat“, die ich mit Interesse verfolge.

Literatopia: Was genau ist denn „Poembeat“? Und was hältst Du eigentlich von Poetry Slams?

Anna Schneider: „Poembeat“ ist ein Musiker, der versucht, Poesie und Musik zusammenzubringen. Er benutzt gesprochene Texte und versucht, das Ungesagte, das was zwischen den Zeilen steht, hörbar zu machen.
Poetry Slams kenne ich nur „theoretisch“, muss aber zugeben, dass ich noch nie einen erlebt habe. Aber ich denke, dass das eine gute Sache ist.

Literatopia: Bist Du über die Lyrik zum Geschichtenschreiben gekommen oder hast Du auch schon vorher längere Texte verfasst?

Anna Schneider: Mein allererster Text war eine Geschichte, damals auch mehrere Seiten lang. Ich habe immer wieder Anlauf genommen, aber ich glaube, mir fehlte viele Jahre die innere Ruhe, um lange Texte zu schreiben.

Literatopia: Seit Kindertagen bist Du ein großer Bücherfan – was tummelt sich denn alles in Deinen Regalen? Liest Du alle Genres oder hast Du bestimmte Vorlieben? Hast Du vielleicht ein Lieblingsbuch oder einen Lieblingsautor?

Anna Schneider: Meine Lieblingsautorin ist seit langem schon Charlotte Link. Jedes Buch liegt mit dem Erscheinungstermin bei mir und ich reserviere dann extra Zeit, um es zu genießen. Wie schon gesagt, ich lese viele Krimis, aber auch mal etwas Lustiges, etwas mit Liebe oder eine Biographie.

Literatopia: Was planst Du in naher Zukunft? Arbeitest Du bereits an einem neuen Roman?

Anna Schneider: Ich arbeite an mehreren Projekten: Mein zweiter Jugendthriller ist in der Schreibphase, für den dritten steht das Konzept und es gibt einen Psychothriller für Erwachsene, der gerade mit einer längeren Leseprobe auf Verlagssuche geht. Und dann habe ich noch ganz viele Ideen, denn mein ganz große Ziel ist in jedem Fall, vom Schreiben leben zu können.

Literatopia: Herzlichen Dank für das schöne Interview, Anna!

Anna Schneider: Bitte! Sehr gerne!!!


Autorenfotos: Copyright by Anna Schneider

Autorenhomepage: www.schneideranna.com  

Zur Rezension zu "Blut ist im Schuh"


Dieses Interview wurde von Judith Gor für Literatopia geführt. Alle Rechte vorbehalten.