Und nebenan Vampire (Sabine Jacob, Thomas Jordan, Doris Winter)

und nebenan vampire

TextLustVerlag (August 2012)
Kaffeepausengeschichten, Band 5 (Dark Fantasy)
Cover- und Innengrafik: Crossvalley Smith
Coverlayout: Atelier Bonzai
Paperback, 60 Seiten, 4,95 EUR
ISBN 978-3-943295-23-8

Genre: Dark Fantasy


Klappentext

Schon lange haben sich die Vampire der modernen Welt angepasst. Unerkannt leben sie unter uns, als harmlos scheinende Mitbürger, als Nachbarn, Kollegen oder Firmenchefs. Ihre langen Zähne sind jedoch spitz wie eh und je, ihr Blutdurst ungebrochen. Wer ihre Aufmerksamkeit erregt, gerät leicht in Gefahr, und wenn dann ihr wahres Gesicht erkannt wird, ist es vielleicht schon zu spät. Lesen Sie in drei gruselig humorvollen Geschichten von Begegnungen mit den Vampiren nebenan.

Die Autoren und ihre Geschichten:

Sabine Jacob — Coctailfieber
Thomas Jordan — Im Dunkel
Doris Winter — Genau wie Vlad

Jede Geschichte mit Tipps für einen besonderen Lesegenuss.


Rezension

Thomas Jordan — Im Dunkel

Wieder einmal wurde Viktor von Julia auf eine dieser abgefahrenen Szene-Partys geschleift – dieses Mal Gothic. Dort treffen sie auf das Pärchen Valerie und Jon; die extravagante Valerie hat es Viktor auf den ersten Blick angetan, und doch zwingt er sich dazu, sich nicht weiter mit diesen merkwürdigen Pärchen zu treffen. Auch Julia scheint nicht ihre Finger von Valerie lassen und zu können; dann bekommt Viktor einen panischen Anruf von Julia. Eine Kettenreaktion von Ereignissen setzt sich in Gang, die Viktor an seinem Verstand zweifeln lassen.

Der Ich-Erzähler Viktor ist ein normaler Typ, der sich in der Gothic-Szene auskennt und sich willig von Julia zu solchen Partys schleifen lässt. Viktor hat keine besonderen Vorlieben und scheint in manchen Situationen ein wenig phlegmatisch zu sein, doch wenn es um Julia geht, versteht Viktor keinen Spaß. So fühlt er sich erst von Valerie angezogen, doch als Julia sich verändert, sieht er, dass etwas nicht mit rechten Dingen vor sich geht und schreitet zur Tat.

Viktor handelt vollkommen logisch und schon in den ersten Seiten tritt sein lässiger Charakter zu Tage, der für manchen Leser allerdings auch befremden wirken kann – er ist äußerst lässig. Der Spannungsbogen trägt den Leser ohne Unterbrechungen bis zum Ende und der Stil ist solide und schnörkellos.

Eine Geschichte für Leser, die gerne in neue „Szenen“ eintauchen und sich auch auf befremdliche Charaktere einlassen können. Der ‚Virus‘ Vampir von einer vollkommen anderen Seite betrachtet.

Sabine Jacob — Coctailfieber

Die Näherin Brigitte – nur Bridget genannt – wird nach einem Faux pas (wieder einmal hatte sie am Abend zuvor zu viele Cocktails getrunken) von ihrem Chef nach Rumänien geschickt. Sofort denkt Bridget, dass sie befördert wurde und kann es kaum erwarten in das merkwürdig dämmrige Flugzeug einzusteigen und die Karriereleiter endlich hoch zu fliegen. Bridget malt sich schon in den buntesten Farben ihr neues Leben am Laufsteg der Modewelt aus, da begegnet sie ihrem Ex-Lover Giovanni im Flugzeug, der – nachdem er ebenfalls nach Rumänien geschickt wurde – sich mit keinem Wort bei ihr gemeldet hatte.

Bridget muss platinblond sein, denn so viel Naivität und Ichbezogenheit, wie sie an den Tag legt, kann ohne diese Haarfarbe nicht begründet werden. Sie ist sehr von sich selbst überzeugt und käme auch nie auf die Idee die Entscheidung ihres Chefs zu hinterfragen, geschweige denn es merkwürdig zu finden, dass alle Vorhänge im Flugzeug zugezogen sind – oder dass alle Passagiere die gleiche Kleidung tragen und kreidebleich sind. Bridget ist allerdings nicht die einzige Schwäche der Kurzgeschichte, denn der Spannungsbogen wird immer wieder von Fragen durchbrochen, die nicht beantwortet werden – und damit für sehr viele Missverständnisse am Ende sorgen. Der Cocktail Bloody Mary jedoch ist an dieser Stelle sehr gut platziert – er ist der Dreh- und Angelpunkt der Geschichte.

Sabine Jacob erschafft mit handwerklich solidem Stil eine Geschichte rund um eine naive, selbstverliebte Näherin, die sich für etwas Besseres hält, als sie tatsächlich ist. Der Lesegenuss wird allerdings von einigen ungelösten Fragen und Logiklücken durchbrochen.

Doris Winter — Genau wie Vlad

Wenn Lisa nicht gerade bei ihren anderen Freundin im Forum ist, denkt sie an ihre verflossene Liebe Martin, der sie mit einer Frau betrog. Auf dem Nachhauseweg von einem Klassentreffen – zu dem Lisas Schwester sie gezwungen hatte – wird Lisa von einer Bande von Jugendlicher angegriffen. Ein gut aussehender Mann rettet Lisa und verführt sie dazu mit ihm zu kommen. Plötzlich ist selbst Martin vergessen …

Lisa hat ein gebrochenes Herz, nachdem ihr Ex-Freund sie betrogen hatte. Sie zieht sich in die Welt des Internets und der Foren zurück, wo sie sich sicher und geborgener fühlt als in der Realität, in der ihr wehgetan wurde. Bis an diese Stelle ist der Charakter der Lisa sehr glaubwürdig nachvollziehbar. Allerdings als der gut aussehende Mann sie vor den Rowdys rettet, scheint sie nicht nur vergessen zu haben, dass sie bisher nur zwei Männer in ihrem Leben hatte (und Martin immer noch kräftig hinterherweint), sondern offensichtlich auch ihr Hirn. Lisa wirkt plötzlich sexbesessen und nicht mehr schüchtern und introvertiert wie auf den ersten Seiten der Kurzgeschichte – was besser zu einem Social-Media-Abhängigen passen würde. Auch kommt die Wende und das Ende der Kurzgeschichte sehr plötzlich – man erwartete eigentlich etwas vollkommen Anderes.

Doris Winter kann mit Worten großartig umgehen und erschafft einen verletzlichen Charakter, der ab der Mitte jedoch nicht mehr überzeugen oder den Leser mitreißen kann.


Fazit

„Und nebenan Vampire“ ist ein eher schwächerer Band der Kaffeepausengeschichten mit drei Kurzgeschichten, die das Thema Vampir anschneiden, jedoch nicht vollends ausschöpfen. Alleine die Kurzgeschichte ‚Im Dunkel‘ ist eine Empfehlung wert, denn sie wartet mit einem Antihelden auf, der sich – als einziger – bewusst ist, was es heißt das Geheimnis der Vampire zu kennen.


Pro & Contra

+ unterschiedliche Herangehensweisen
+ die Szene der Gothics näher betrachtet
+ angenehme Sprache und Sprachbilder

o nicht so innovativ und kreativ wie die anderen Kaffeepausengeschichten-Bände

- schwache Spannungsbögen
- Charaktere nicht gründlich skizziert

Bewertung:

Handlung: 3,5/5
Charaktere: 3,5/5
Lesespaß: 3,5/5
Sprache: 4/5
Preis/Leistung: 4/5

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Tags: Vampire