Gundel Limberg (15.06.2013)

Interview mit Gundel Limberg

gundel limbergLiteratopia: Hallo Gundel! Erzähl uns doch bitte zuerst etwas über Dich - wer bist Du und was schreibst Du?

Gundel Limberg: Wer ich bin? Unter anderem eine Autorin, die mit zwei alienhaften Katzen mitten in einem multinational geprägten Stadtteil Frankfurts lebt, der gleichzeitig eine bildhübsche eigene Fachwerkinnenstadt besitzt. Vielleicht erklärt das, weshalb ich so viele verschiedene Genres bediene. Mein Umfeld ist bunt und bewegt und bietet so viele Anregungen, dass bei mir von Fantasy über Krimi und Science Fiction fast alles möglich ist.

Literatopia: Wie viele bist Du eigentlich? Und woher stammen Deine Pseudonyme?

Gundel Limberg: Es sind zurzeit nur noch zwei, da ich die beiden Science-Fiction Pseudonyme verschmolzen habe. B. C. Bolt wird damit zur Hybridexistenz, da sie gleichzeitig Verlagsautorin (bei Bookshouse) und Independent Publisher ist. Ann-Merit war mein Versuchsballon, mit dem ich damals gestartet bin, ehe ich mich überhaupt bei Verlagen beworben habe. Ich begann damals bei BOD, weil kdp noch gar nicht zur Verfügung stand. Als Autorin mit keinerlei Erfahrung und ebenso wenig Geschick im Veröffentlichen erzeugte ich zwei gute Bücher in hässlichem Gewand, die auch noch viel zu teuer waren – und der Vertrag läuft ewig. Also brachte Ann-Merit Blum ihr drittes Buch bei kdp heraus. Zu dieser Zeit war ich als Gundel Limberg bereits in einem kleinen Verlag untergekommen. Ich muss allerdings zugeben, dass ich zurzeit in Verlagsverhandlungen bin, die mir ein weiteres Pseudonym bescheren werden – für Krimis und Thriller. Verlage wünschen sich, dass ihr Autor entweder Romantasy oder Umweltthriller schreibt. Also spaltet man sich.

Literatopia: Vergangenen Herbst ist von Dir "Meleons Magische Schokoladen" erschienen - was kannst Du uns über den Inhalt verraten?

Gundel Limberg: 1873 wird Isabell, die Protagonistin, gerade 20 Jahre alt. Als Arzttochter darf sie nichts von dem, was sie gerne tun würde. Da eröffnet ganz in der Nähe ein Schokoladengeschäft. Die Schokolade ist so wunderbar, dass Isabell beschließt, die Herstellung zu erlernen. Ihre Eltern verbieten es prompt, doch Meleon, ihr neuer Lehrherr, überwindet den Widerstand erstaunlich leicht: kein Wunder, ist er doch ein dunkler Magier, der keine Skrupel hat, seinen Willen durchzusetzen. Auf der Flucht vor gefährlichen Gegnern ist er aus einer anderen Welt in die verstaubte deutsche Kleinstadt geflohen und ehe Isabell es sich versieht, findet sie sich mitten im Krieg zweier Schwarzmagier wieder, der buchstäblich keinen Stein auf dem anderen lässt.

Literatopia: Auf Deiner Website heißt es "Meleons magische Schokoladen" sei ein Buch für das Sofa, den Liegesessel oder das kuschelige Bett. Welche Schokolade würdest Du passend dazu empfehlen?

Gundel Limberg: Je nach Wetterlage empfehle ich heiße Trinkschokolade oder beste Pralinen. Vielleicht auch selbstgemachtes Schokoladeneis. Kreationen, wie Meleon sie herstellt, sind in dieser Welt selten zu finden, am ehesten aber in den örtlichen Schokoladengeschäften, wo man noch selbst fertigt. Essentiell für Meleon ist der Bruch: dunkle, heiße Trinkschokolade mit kühler Sahnehaube oder weiße Schokolade mit herber Mohnfüllung …

Literatopia: „Meleons Magische Schokoladen“ ist über Amazon CreateSpace als Indie-Publikation erschienen. Wie läuft das genau ab? Und warum hast Du Dich entschieden, den Roman selbst zu veröffentlichen?

maleons magische schokoladenGundel Limberg: Das läuft so ab, dass ich das Manuskript schreibe und es dann lektorieren und korrigieren lasse, ein Cover in Auftrag gebe (ja, ich habe aus „Meister der Zeit“ gelernt, das ein grauenhaftes Cover hat). Dann muss das Manuskript konvertiert werden, um auf Readern lesbar zu sein. Für „Meleon“ habe ich auch das in Auftrag gegeben. Ich wollte ein Buch, das rund herum stimmt. Amazon bietet ein übersichtliches Verfahren, um das Buch dann hochzuladen und zu veröffentlichen, was zwischen 12 und 24h dauern kann.

Ann-Merit ist als Indie auf die Welt gekommen, ohne diesen Begriff zu kennen. Ich glaube, sie möchte eine unabhängige Autorin bleiben. Bei „Meister der Zeit“ war es der erste vorsichtige Versuch, sich zu beweisen, ehe man einen Verlag belästigt. Inzwischen kann Ann-Merit gut auf eigenen Beinen stehen und weiß, was sie will: Romantasy schreiben, die im 19. Jahrhundert spielt und immer um eine Errungenschaft dieses Jahrhunderts kreist. Bei „Meister der Zeit“ um die Modernisierung der Uhr und die Erkundung des Zeitbegriffs – bei „Meleon“ um das Conchieren – das Verfahren, um der Schokolade Schmelz und Cremigkeit zu verleihen. Für einen Verlag wäre das zu viel Cross-over.

Literatopia: Die Romantic History ist gerade wieder im Kommen - beobachtest Du diesen Trend? Und könntest Du Dir vorstellen, einen historischen Liebesroman ohne Fantasyelemente zu schreiben?

Gundel Limberg: Ich tue mich schwer damit, nicht weil ich die Fantasyelemente vermisse, sondern weil der historische Roman es verdient hätte, als eigenständiges Genre wieder gestärkt zu werden. Leider ist der romantische Roman vor historischer Kulisse eben zumeist das: Kulissenroman. Ich freue mich auf eine neue Generation von Romantic History Romanen, die hier einen neuen Maßstab setzen, fühle mich selbst aber eigentlich mehr zum historischen Roman hingezogen.

Literatopia: Du bist Teil Qindie-Autorennetzwerks - erzähl uns bitte etwas darüber. Was zeichnet Qindie aus?

Gundel Limberg: Qindie ist entstanden, weil der Indie-Markt geradezu explodiert. Viele Autoren lassen sich von der Begeisterung darüber, wie leicht das Veröffentlichen geworden ist, fortreißen. So müssen Leser gewissermaßen knietief durch Angebote waten und werden nicht selten enttäuscht, weil das Buch ihren Erwartungen nicht entspricht. Qindie sammelt Autoren, bietet ihnen ein Verfahren, um festzustellen, ob ihr Buch die Mitglieder (Leser, Blogger, Autoren) handwerklich überzeugt und zusätzlich ein wachsenden Netzwerk, wo sie Hilfe finden, wenn sie bestimmte Dinge nicht können. So wie ich. Konvertieren liegt mir nicht – auf Qindie finde ich jemanden, der mich unterstützt. Und gemeinsam zeigen wir Lesern, dass Qualität und Indie keine Gegensätze sind.

Literatopia: Wie bist Du zu Qindie gekommen? Und wie hast Du die erste Zeit erlebt?

Gundel Limberg: Bevor Qindie aus der Taufe gehoben wurde, hatte ich mich mit Susanne Gerdom, der Hauptinitiatorin, darüber unterhalten, dass wir eine bessere Vernetzung der unabhängigen Autoren fördern sollten. Es entstand ein schnell wachsender Kreis, aus dem dann die Gründungsgruppe wurde. Ich bin also von Anfang an dabei, wenn auch weniger aktiv als andere, die ihre gesamte Freizeit aufwenden, um Qindie zu einem Erfolg zu machen. Die erste Zeit war spannend und natürlich von Diskussionen geprägt. Ich habe nie vorher eine Gruppe von Leuten erlebt, die debattiert und dann binnen sechs Wochen sowas auf die Beine stellt. Qindie ist noch ganz jung und entwickelt sich rasant. Das allein ist schon enorm spannend und aufregend.

Literatopia: Glaubst Du, gedruckte Bücher werden irgendwann ganz verschwinden? Oder wird sich eher ein Gleichgewicht zwischen Print und eBooks einstellen?

luzidGundel Limberg: Nun, irgendwann verschwinden sie auf jeden Fall und werden nur noch in Museen zu sehen sein. Aber nicht so bald. Einige Jahre des Schmökerns werden uns bleiben. Außerdem gibt es bestimmt eine Retrophase, in der es wieder modern sein wird und eine hastig aus dem Boden gestampfte Buchindustrie hübschen Models richtige, gedruckte Bücher in die Hand gibt oder auf den gebräunten Bauch legt.

Literatopia: In „Luzid – Dunkle Träume im 3. Reich“ begibst Du Dich in die Vergangenheit. Wie hast Du recherchiert? Und was sind das für „dunkle Träume“?

Gundel Limberg: Oh, Luzid ist etwas ganz anderes als meine anderen Bücher. Unbescheiden nenne ich es meinen „Zauberberg“. Benjamin, ein Engländer, muss die Kriegsjahre 1939 bis 1945 in Deutschland verbringen. Man rekrutiert ihn zwangsweise für ein Traumlabor. Dort lernt er die Welt der Traumreiche kennen, in denen der Krieg mit anderen Mitteln fortgesetzt wird. Im Wachleben kommt er ins Internierungslager, in den Traumreichen versucht man ihn ideologisch zu unterwerfen. Aber Benjamin meistert das luzide Träumen und baut dem Widerstand eine eigene Zuflucht: Inclusior. Für „Luzid“ habe ich mich intensiv mit wissenschaftlicher Traumforschung beschäftigt. Vieles, was das Buch behauptet, ist tatsächlich möglich. Dann kamen die Recherchen über das 3. Reich. Damit kannte ich mich bereits gut aus, musste aber tausenderlei Details recherchieren und habe dann auch Zeitzeugen befragt, weil die besser als jedes Buch wussten, wie der Zusammenbruch ablief. Manches von dem, was sie erzählten, war so phantastisch, dass ich es nicht erwähnt habe – ich denke nur an ein Gefangenenlager in einem Schlachthaus, wo überall Rinderknochen lagen … „Luzid“ ist für mich das, was viele Autoren gern „ihr Baby“ nennen, also Herzenssache. Leider hat der Verleger einen schweren Schlaganfall erlitten, sodass der Verlag eingestellt werden musste. Es sind noch Exemplare auf amazon am Lager und ich werde wahrscheinlich mit „Luzid“ auch zu kdp gehen, wenn keine Exemplare mehr übrig sind.

Literatopia: Da hast Du Dich ganz schön ins Zeug gelegt! Gab es bei den Zeitzeugen eine Geschichte, die Dich besonders berührt hat?

Gundel Limberg: Da gab es viele. Eine hat mich besonders berührt, weil sie die vielschichtige Realität der Entnazifizierung zeigt. Der damals Siebzehnjährige steht in einer langen Reihe von Männern, die ihre Hemden ausziehen müssen, damit geprüft werden kann, ob sie eine Tätowierung am inneren Oberarm tragen (Angabe der Blutgruppe - Kennzeichen ihrer Mitgliedschaft in der SS). Er sticht durch seine Jugend heraus und wirkt noch ganz, als sei er wenige Tage vor Kriegsende zwangsrekrutiert worden. Er grinste und albert herum, zieht kurz und hastig das Hemd hoch und lässt es wieder fallen. Dier amerikanische Offizier grinst ebenfalls und nimmt sich den nächsten in der Reihe vor. Was er nie erfahren wird: der Junge hat die Tätowierung. Siebzig Jahre später erzählt mir der Junge von damals stolz diese Geschichte. Er ist inzwischen ein alter Mann, zu dessen Lichtblicken seiner Vergangenheit es gehört, wie er den Ami damals genarrt hat. Vom Krieg selbst, wie er ihn wenige Monate lang erlebt hat, will er nichts erzählen. Sein späterer Beruf bis zur Pensionierung: Polizist.

Literatopia: Spritzig, romantisch, phantastisch oder politisch – wie schreibst Du am liebsten?

Gundel Limberg: Am liebsten politisch und kritisch. Aber wer will das lesen? Nicht ganz so viele. Glücklicherweise liebe ich es auch, spitzig zu schreiben. Und romantisch. Also gibt es eben von allem etwas.

Literatopia: Seit wann greifst Du eigentlich zur Schreibfeder? Gehörst Du zu denen, die "schon immer" geschrieben haben? Oder gab es einen bestimmten Auslöser?

Gundel Limberg: Ich habe mit 14 meinen ersten Roman begonnen: angeregt durch Däniken. Dann kam die Phase der Kriminalromane, gefolgt von der Science-Fiction-Welle. Ich schrieb, was ich auch las. Aber ich hielt das Schreiben ganze 20 Jahre lang geheim, weil von zu Hause aus in allem Perfektion erwartet wurde und ich wusste, dass ich diesem Anspruch niemals genügen würde. Das musste das Leben erst abschleifen. Daher habe ich mich auch erst spät um Veröffentlichung bemüht.

gundel limberg2Literatopia: Was liest Du persönlich gerne? Welche Genres tummeln sich in Deinen Regalen? Und hast Du vielleicht ein Vorbild?

Gundel Limberg: Leute, die mich besuchen, sagen immer, mein Wohnzimmer sähe aus wie eine Bibliothek – das ist das Ergebnis meines Studiums: Literaturwissenschaft. Da kommen einige tausend Bände zusammen und der Reader war nötig, um die Flut räumlich einzudämmen. Ich lese aber zu über 50 Prozent Sachbücher und zu 30 Prozent aus meinem Bestand: Klassiker, SF und Fantasy der 80er … Harry Potter ist vollzählig versammelt, ebenso Agatha Christie oder Isaac Asimov. Nur 20 Prozent sind Bücher der letzten 5 Jahre, darunter Fantasy, Krimi und Steampunk.

Literatopia: Hast Du auch alles gelesen, was bei Dir aus den Regalen quellt? Oder sammelst Du auch ganze Reihe, um sie "irgendwann" zu lesen?

Gundel Limberg: Alles gelesen? Auf gar keinen Fall. Aber die ungelesenen Bücher sind entweder geerbte Klassiker (wer hat schon wirklich alle Werke von Goethe oder gar Heine lückenlos gelesen) oder neue geschenkte, zum Beispiel Schwedenkrimis. Die warten in meinem Regal auf Opfer, denen ich sie mitgeben kann. Was ich selbst kaufe, lese ich sofort. Und schnell.

Literatopia: Was erwartet uns in Zukunft von Dir? Schreibst Du bereits an einem neuen Roman?

Gundel Limberg: Ich schreibe eigentlich immer, von gelegentlichen Schreibblockaden unterbrochen. Im Augenblick ist der zweite Teil von „Der Navigator“ an der Reihe, dann nehme ich mir wieder den zweiten Teil von „Meleon“ vor. Und ich überarbeite einen Thriller, der nächstes Jahr bei Bookshouse erscheinen wird.

Literatopia: Herzlichen Dank für das Interview!

Gundel Limberg: Ich bedanke mich. Die Fragen waren spannend und haben mich durchaus herausgefordert.


Autorenfotos: Copyright by Gundel Limberg

Autoremhomepage: www.romanluzid.de


Dieses Interview wurde von Judith Gor für Literatopia.de geführt. Alle Rechte vorbehalten.