Im Land der weiten Fjorde (Christine Kabus)

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Verlag Bastei Lübbe, April 2013
Klappbroschur, 587 Seiten, € 9,99
ISBN 978-3404167586

Genre: Belletristik


Klappentext

Nach dem Tod ihrer Mutter erfährt Lisa, dass diese als kleines Kind adoptiert wurde. Ein Medaillon mit einem vergilbten Foto ist die einzige Spur zu ihren Vorfahren. Sie führt Lisa nach Norwegen, in den beschaulichen Ort Nordfjordeid. Die Menschen dort reagieren indes sehr unterschiedlich auf die Ankunft der jungen Deutschen. Während sie in der warmherzigen Nora sogleich eine Vertraute findet, begegnet der alte Finn ihr mit kaum verborgener Ablehnung. Und auch der wortkarge Reitlehrer Amund scheint Vorbehalte gegen Lisa zu haben. Doch je länger sie in das Leben am Fjord eintaucht, desto sicherer ist sie, dass sie auf der richtigen Fährte ist und in der Familiengeschichte ihrer Mutter dunkle Geheimnisse schlummern, deren Schatten bis in die Gegenwart reichen…


Die Autorin

Christine Kabus, 1964 in Würzburg geboren, arbeitete nach ihrem Studium der Germanistik und Geschichte als Dramaturgin und Lektorin bei verschiedenen Film- und Theaterproduktionen, bevor sie sich 2003 als Drehbuchautorin selbstständig machte. Schon als Kind zog sie der hohe Norden in seinen Bann; neben der skandinavischen Literatur begeisterte sie vor allem die ursprüngliche, mythische Landschaft Norwegens. Sie begann, die Sprache zu lernen und sich intensiv mit der Geschichte Norwegens zu beschäftigen. Im Land der weiten Fjorde ist eine Hommage an dieses faszinierende Land.


Rezension

Na sowas. Lisa, eine erfolgreiche Fotojournalistin, kommt von einem Auftrag wieder nach Frankfurt in ihre Wohnung, wo ein merkwürdiger Brief auf sie wartet. Von einem Anwalt bekommt sie ein Medaillon und einen Brief ihrer kürzlich verstorbenen Mutter, in dem sie ihr mitteilt, dass sie als Kind adoptiert wurde. Lisa muss sich erst einmal neu orientieren, immerhin sind nun ihre Onkel, die Brüder ihrer Mutter, gar nicht ihre Blutsverwandten. Nie hat ihre Mutter sie das spüren lassen oder auch nur eine winzige Andeutung gemacht. Eine fast zerfledderte Postkarte in dem Medaillon führt sie nach Norwegen, in einen kleinen Ort, der schon seit Jahrzehnten für seine Pferdezucht bekannt ist. Um erst einmal anonym Eindrücke zu sammeln, gibt sie sich als Photographin aus, die alte Bauernhöfe für einen Bildband photographieren will. Schon beim ersten Bauernhof stößt sie auf die Vergangenheit, denn auf einem Bild sieht sie sich selbst – genauso wie in dem Medaillon, aus dem ihr ein Gesicht entgegenstrahlt, welches auch ihr eigenes sein könnte. Allerdings erkennen ihr Gesicht auch einige andere Leute, besonders Finn, der Besitzer des Hofes, der ihr offen seine Abneigung ins Gesicht schleudert. Doch jetzt ist Lisas Neugier erst recht geweckt.

Von Tekla und Nora dagegen wird sie freundlich aufgenommen, die beiden erkennen die Familienähnlichkeit und versuchen, zu vermitteln und zu helfen, soweit es ihnen ermöglicht wird. Tekla ist Finns Tochter und Nora die Tochter ihrer Freundin, die auch eine ganze Zeit auf dem Karlssenhof gelebt hat. Immer tiefer geraten sie in die Familiengeschichte und schon bald hat Lisa einen Namen – Mari, Finns Schwester, die damals etwas Verbotenes tat. Sie liebte einen Deutschen, der als ein Teil der Besatzungsarmee bei ihnen stationiert war. Doch Mari sieht in ihm nicht den Feind, sondern einen jungen Mann, den die Umstände in eine Rolle gedrängt haben, die ihm so gar nicht zusagt. Anstatt seinen Charakter und sein Wesen zu erkennen, wird er gehasst – nur weil er die falsche Staatsangehörigkeit hat. Immer wieder abwechselnd erzählen Mari und Lisa ihre Geschichte. Mari, wie sie den jungen Deutschen kennen und lieben lernt, und was sich daraus in den Kriegswirren entwickelt, Lisa, wie sie nach und nach die Herkunft ihrer Mutter entschlüsselt und eine völlig neue Familie entdeckt.

Lisa ist eine sehr selbstständige Protagonistin, manchmal etwas herrisch und unentschlossen, aber loyal ihren Freunden gegenüber. Ihre Welt stürzt nicht völlig ein, als sie von einer fremden Familie hört, eher wird ihre Neugier geweckt. Sie wittert ein Geheimnis und stürzt sich mit ganzem Herzen in die Aufdeckung. Begleitet wird sie dabei von Nora, die auf der Reise völlig unerwartet selber Familiengeheimnisse aufdeckt. Lisa kann sich die Abneigung von Finn nicht erklären, der Leser erfährt durch Maris Erzählungen zumindest ansatzweise, was sich damals abgespielt hat. Christine Kabus’ Protagonisten sind nicht immer sehr ausgewogen, sie handeln unverständlich oder auch manchmal sehr zickig. Lisas Art, mit ihrem Freund umzugehen ist nicht gerade die Feinste, sie erklärt sich aber aus ihrem bisherigen Leben. Hier ist sie sehr nach ihrer Mutter geraten, die es auch nie lange an einem Ort festhielt. Nur gegen Norwegen hatte sie eine unerklärliche Abneigung, die sich Lisa aber auch schon bald erklären kann. Mit Amund gibt es noch einen weiteren sehr geheimnisvollen Nebencharakter, dessen Lebensgeschichte schon fast ein eigenes Buch sein könnte. Zumindest nicht alle Ereignisse sind vorhersehbar, durch die ständigen Zeitsprünge in die Vergangenheit wird die Spannung konstant aufrecht erhalten, man leidet mit den Protagonisten und wartet mit angehaltenem Atem auf die Auflösung dieses verzwickten Geheimnisses. Besonders schön zu wissen, dass es ein weiteres Buch mit Nora geben wird, in dem sie ihren Geheimnissen auf den Grund gehen kann.


Fazit

Die Liebe zu Norwegen schimmert in Im Land der weiten Fjorde durch jede Zeile. Christine Kabus schildert atemberaubende Landschaften, welche durch das stimmungsvolle Cover absolut unterstützt werden. Gerne würde man seine Koffer nehmen und Lisa, Amund und Nora in Norwegen besuchen, mit ihnen Familienfeste feiern oder einfach nur eine Zeit lang auf dem Hof mit den Pferden verbringen und die gigantische Atmosphäre genießen.


Pro und Contra

+ sympathische Charaktere
+ interessanter Plot
+ Zeitsprünge in die Vergangenheit
+ geheimnisvoll
+ gefühlvolles Setting

- Längen im Mittelteil
- Krieg
- sprunghaftes Benehmen der Protas

Wertung  sterne4

Handlung: 4/5
Charaktere: 4/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 4/5