Doctor Who - Rad aus Eis (Stephen Baxter)

rad aus eis

Cross Cult (Mai 2013)
Hardcover mit Schutzumschlag
430 Seiten, 22,00 EUR
ISBN: 978-3-86425-195-5

Genre: Science Fiction


Klappentext

Das Rad. Ein Ring aus Eis und Metall, der sich um einen der Saturnmonde dreht, ist die Basis einer Minenkolonie, die die rohstoffhungrige Erde mit Nachschub versorgt. Kein guter Ort, um aufzuwachsen. Die Kolonie wird seit einiger Zeit von Problemen geplagt. Vielleicht sind es Kobolde, vielleicht auch nur eine Pechsträhne. Aber die Instrumente versagen immer häufiger, Diebstähle und Gaunereien stehen auf der Tagesordnung. Außerdem gehen Gerüchte um, dass an Bord des Rades seltsame Kreaturen lauern …


Rezension

Der Doktor reist mit seinen Gefährten Zoe und Jamie ohne festes Ziel, als plötzlich das Raum-Zeit-Schiff TARDIS eine eigenwillige Entscheidung trifft und sie in eine Zeit führt, in der Menschen in einem Saturnmond Bergbau betreiben. Irgendjemand hat die Zeit manipuliert und als der Doktor und seine Begleiter auf dem Rad – einem Ring aus Eis und Metall, der eine Kolonie beherbergt – ankommen, ist die Lage bereits kritisch. Es scheint Sabotageakte zu geben und die angespannte Leitung der Kolonie macht Jugendliche dafür verantwortlich. Die Menschen beschuldigen sich gegenseitig, während mysteriöse blaue Puppen ihr Unwesen auf dem Saturnmond Mnemosyne treiben. Sie dienen einem Wesen, das für die Erfüllung seiner Aufgabe das ganze Sonnensystem opfern würde ...

Die Besatzung der TARDIS, die wie eine Polizeinotrufzelle aussieht, wird recht unfreundlich empfangen. Das Misstrauen auf dem Rad ist spürbar, doch es gibt auch Menschen, die den Doktor und seine Zeitreisegefährten willkommen heißen. Beispielsweise eine ausrangierte künstliche Intelligenz, die über einen stabilen, spinnenähnlichen Körper verfügt und aushilft, wo sie kann. Zudem ein sechzehnjähriges Mädchen, das ein geheimnisvolles Artefakt um den Hals trägt und ihr rebellischer Bruder, der es satt hat, als Sündenbock herzuhalten.

Die Geschichte wird hauptsächlich aus der Sicht von Jamie und Zoe erzählt: Der Schotte Jamie stammt aus dem 18. Jahrhundert, kann kräftig zupacken und geht mit (für ihn) futuristischer Technik recht pragmatisch um. Für Zoe hingegen ist die Kolonie auf dem Rad quasi Vergangenheit und sie hat daran zu knabbern, dass die Leute dort noch so "primitiv" sind. Beide sind interessante Persönlichkeiten, die die Geschichte maßgeblich vorantreiben und zu den Nebencharakteren Beziehungen aufbauen. Über den Doktor erfährt man hingegen fast nichts – er mischt einfach nur überall mit und scheint immer mehr zu wissen, als die anderen. Typisch "Doctor Who" eben, doch all jene, die die BBC-Serie nicht kennen, werden sich erst einmal wundern. Einen gewissen Charme kann man dem Doktor jedoch nicht absprechen.

Die Technologie der Saturnkolonie ist erstaunlich und wirkt, als hätte man sie vom heutigen wissenschaftlichen Stand aus in eine mögliche Zukunft übertragen. Wobei das Rad mit seinen bewohnbaren Blasen reichlich bizarr wirkt. Einiges ist auch recht unappetitlich – so werden beispielsweise menschliche Ausscheidungen recycelt. Neben lebensnotwendigen Einrichtungen gibt es zudem Spielereien wie Weltraumscooter, die an die Zukunftsvisionen der 19060er erinnern. Dennoch macht "Rad aus Eis" einen keinen altbackenen Eindruck, sondern kommt modern und unterhaltsam daher. Stephen Baxter kombiniert dabei "Science" und "Fiction" gekonnt und schafft ein authentisches Setting, das man sich sehr gut vorstellen kann.

Ein Manko sind allerdings die Dialoge, die meist zu gekünstelt wirken. Umgebungsbeschreibungen und handbuchartige Erläuterungen technischer Details werden oftmals in Gespräche verpackt, was sich in der Masse ziemlich schräg liest. Auch fordert der Doktor seine Mitstreiter oftmals zum Denken auf, er lobt sie und bringt sie auf Ideen – dabei ist klar, dass er die Lösung längst kennt. Dass er nicht damit rausrückt, macht den Leser irgendwann wahnsinnig. "Rad aus Eis" bekommt dadurch einen lehrerhaften Stil, der sich holprig liest. Gelungen ist hingegen das Einstreuen aufeinanderfolgender Kurzkapitel (Intermezzo), die wichtige Charaktere und Umstände näher beleuchten. Diese Sequenzen lesen sich durchweg gut und verleihen der Story Tiefe.

Während "Doctor Who" in England und Amerika zweifellos Kultstatus hat, erlangte die Fernsehserie in Deutschland erst In den späten 1980ern beziehungsweise ab 2008 mit der Ausstrahlung neuer Folgen auf ProSieben größere Bekanntheit.  Wer "Doctor Who" nur ab da oder gar nicht kennt, muss sich die ersten einhundert Seiten erst einmal durchbeißen. Der Einstieg in das Abenteuer fällt zwar leicht, doch die Protagonisten werden als bekannt vorausgesetzt. Da Zoe und Jamie mitmischen, handelt es sich um die zweite Reinkarnation des Doktors – davon gab es im Laufe der Serie mehrere ("Doctor Who"-Neulingen sei empfohlen, bei Interesse die entsprechenden Wikipedia-Einträge zu lesen).

"Rad aus Eis" liest sich auch ohne Vorkenntnisse gut, sofern man seine Neugier zügeln und sich auf die eigentliche Story konzentrieren kann. Ein Vorwort oder Nachwort mit wichtigen Details zur Serie wären jedoch hilfreich gewesen. In punkto Cover und Qualität des Hardcovers gibt es jedoch nichts zu meckern – der Roman ist schlichtweg toll verpackt und verleiht der 1960er Jahre SF-Serie einen modernen Anstrich.


Fazit

Als "Doctor Who"-Neuling muss man sich erst einmal in dieses komplexe Universum einlesen, während der Kenner sofort merkt, dass er es hier mit dem zweiten Doktor zu tun bekommt. Gemeinsam mit Zoe und Jamie erlebt dieser ein packendes Weltraumabenteuer in den Ringen des Saturn, das mit vielen Wendungen, spannenden Technologien und einem stimmungsvollen Setting überzeugt – und über die leider sehr unnatürlich wirkenden Dialoge hinwegtröstet.


Pro & Contra

+ geschickte Erzählweise
+ spannendes, authentisches Setting
+ viele Wendungen
+ originelle Hard-SF im eigenen Sonnensystem
+ modernes "Doctor Who"-Abenteuer
+ tolle Hardcoverausgabe

o Vorwissen ist hilfreich, aber nicht zwingend notwendig

- gekünstelte Dialoge
- kein Vor-/Nachwort

Wertung:

Handlung: 4/5
Charaktere: 4/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 4/5

Rezension zu "Die letzte Arche"