Alisik - Herbst (Helge Vogt und Hubertus Rufledt)

Carlsen (Juni 2013)
Softcover, ab 12 Jahren
112 Seiten, 7,99 EUR
ISBN:  978-3-551-77026-4

Genre: Dark Romance / Mystery


Klappentext

Alisik ist ein Mädchen, das nach ihrem Tod zwischen dieser Welt und dem Jenseits strandet, ohne Erinnerung an ihr Leben. Schnell wird ihr klar, dass sie nicht eines natürlichen Todes gestorben ist, und sie versucht, mehr über ihr Schicksal in Erfahrung zu bringen. Dabei hilft ihr der blinde Ruben, der sie als einziger wahrnehmen und mit ihr sprechen kann. Sie wäre gerne mehr für ihn als eine gute Freundin, aber eine Tote und ein Blinder – wie soll das gehen?


Rezension

Als Alisik in einem Sarg erwacht, kann sie nicht glauben, dass sie tot ist. Auch der freundliche Empfang der anderen Postmortalen kann den Schock kaum lindern – zumal es sich um höchst skurrile Gestalten handelt, die ihr Leben nach dem Tod mit einem speziellen Humor nehmen. Sie alle warten darauf, dass entschieden wird, ob sie in die Lichtwelt dürfen oder die Ewigkeit im Dunkelreich fristen müssen. Denn sie alle haben Schuld auf sich geladen – wahrscheinlich auch Alisik. Sonst würde sie nicht auf dem Friedhof warten müssen, bis Herr Todt über ihr weiteres Schicksal entschieden hat. Doch sie kann sich an nichts erinnern. Was ist in ihrem Leben nur passiert, dass sie nun auf dem Friedhof gefangen ist? Die Begegnung mit dem blinden Ruben reißt Alisik aus ihrer Traurigkeit: Der junge Mann nimmt sie wahr und spricht mit ihr. Allerdings bemerkt er nicht, dass sie tot ist – und er darf es auch nicht bemerken …

In Anlehnung an die Jahreszeit, in der Alisiks Geschichte beginnt, heißt der erste Band „Herbst“. Auch wenn die Protagonistin den Sommer lieber mag, so ist sie letztlich froh, dass die Tage kürzer werden und sie so früher aufstehen und später ins Bett gehen kann. Denn Alisik und die anderen Postmortalen bevölkern nur nachts den alten Friedhof, den sie eigentlich nicht verlassen dürfen. Doch daran halten sich nicht alle – und Alisik lässt sich schnell mitreißen und nutzt jede Gelegenheit, den öden Friedhof zu verlassen. Ein Ausflug ins Kaufhaus oder auch ein Konzertbesuch bieten Abwechslung im eintönigen Geisterleben, doch Alisik muss aufpassen, nicht erwischt zu werden.

Auf dem Friedhof „leben“ fünf weitere Postmortale, die teilweise schon Jahrhunderte auf die Herrn Todts Entscheidung warten. Die ältere Dame Ottilie Samtkraut erfüllt dabei eine mütterliche Rolle, vor allem für Alisik, die sich zuerst ihr anvertraut. Ihnen Gesellschaft leisten zudem vier Herren aus verschiedenen Zeiten: Frings, Hitzkopf, General Grabbe und Spitzhut. Teilweise bestehen sie nur noch aus Knochen und unterscheiden sich deutlich von Alisik, die eigentlich noch wie ein lebendiges Mädchen aussieht – abgesehen von ihrem erschreckend blassen Teint. Frings sorgt für die Unterhaltung der anderen Postmortalen, schließlich hat er einmal im Zirkus gearbeitet, und er ist derjenige, der Alisik dazu motiviert, den Friedhof auch einmal zu verlassen. Über ihn und Ottilie erfährt man etwas mehr, die anderen Nebencharaktere bleiben noch relativ blass. Über sie wird man hoffentlich in den nächsten Bänden mehr erfahren.  

Da Alisik sich zunächst mit ihrer Geisterexistenz abfinden muss, gestaltet sich der Anfang von „Herbst“ vergleichsweise ruhig – sofern man beim Schock über den eigenen Tod von Ruhe sprechen kann. Dennoch liest sich der Comic spannend, da die Postmortalen allesamt interessante Gestalten sind und das Kennenlernen so viel Freude bereitet. Erst als Ruben auftritt, wird die gleichermaßen düstere wie farbenfrohe Welt der Postmortalen erschüttert: Alisik ist überglücklich, jemanden in ihrem Alter gefunden zu haben. Die anderen auf dem Friedhof sind zwar sehr nett, doch aus Alisiks Sicht alte Leute. Die Handlung wird dabei immer wieder kurzen Sequenzen unterbrochen, die eine Katastrophe für den Friedhof ankündigen. Vor jedem Kapitel gibt es zudem eine einleitende Seite, auf der meist Alisik in einer Art Tagebucheintrag über ihr Geisterleben schreibt.  Die Dialoge wirken größtenteils natürlich, manchmal sind sie jedoch auch ein wenig gekünstelt.

„Alisik“ gehört zu den wenigen Comics, bei denen das Cover nicht zu viel verspricht – nahezu jedes Panel reicht an das traumhafte und leicht morbide Titelbild heran. Kühle Farben dominieren die Seiten und erzeugen eine unwirkliche Atmosphäre. Die Szenen bei Nacht sind passenderweise auf schwarzen Hintergrund gedruckt, die wenigen Szenen bei Tag auf weißen. Auch sie sehen gut aus, doch der Comic entfaltet seinen ganzen Charme erst in der Nacht. „Alisik“ spricht dabei nicht nur  Comic- sondern auch Mangafans an, denn die Optik erinnert an einen aufwendig gezeichneten und komplett farbigen Manga. Und gerade weil dieser Comic so schön ist, ist es schade, dass er nur als Softcover erschienen ist. Die zauberhaften Zeichnungen hätten ein großformatiges Hardcover verdient.


Fazit

„Alisik“ verzaubert mit einem leicht morbiden Charme und einer bittersüßen Liebesgeschichte, die in „Herbst“ ihren zarten Anfang nimmt. Bunt trifft auf kühle Farben und so entsteht eine unwirkliche Atmosphäre, die sowohl Comic- als auch Mangafans in ihren Bann zieht. Im ersten Band muss Alisik zunächst lernen, sich mit ihrer Existenz als Geist abzufinden, entsprechend verläuft die Geschichte noch relativ ruhig. Doch die Schicksale der Postmortalen und Ausflüge in die Welt der Lebenden sorgen für gute Unterhaltung. Ein schöner Auftaktband mit viel Liebe zum Detail!  


Pro & Contra

+ traumhafte, düsterbunte Zeichnungen
+ sympathische Protagonistin
+ skurrile Postmortale
+ leicht morbider Charme
+ bittersüße Liebesgeschichte
+ abwechslungsreiche Erzählweise

- Dialoge manchmal etwas gekünstelt

Wertung:

Handlung: 4/5
Charaktere: 4/5
Zeichnungen: 5/5
Lesespaß: 4,5/5
Preis/Leistung: 4/5

Interview mit Helge Vogt und Hubertus Rufledt (Juli 2013)

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