Der Kommandant und das Mädchen (Pam Jenoff)


Mai 2009; 412 Seiten
ISBN 978-3-89941-609-1
8,95 EUR [D] 9,20 EUR [A]

Genre: Historik / Liebe

Klappentext

Krakau 1941: Die Jüdin Emma muss zusehen, wie ihre Eltern über Nacht in das polnische Ghetto verschleppt werden. Ihr Mann Jakub ist bereits im Widerstand untergetaucht. Emma flüchtet sich in das Haus von Jakubs Tante und wechselt ihre Identität: Aus der Jüdin Emma wird die Katholikin Anna. Bald bekommt sie einen heiklen Auftrag: Der deutsche Wehrmachtsoffizier Georg Richwalder findet Gefallen an ihr, und diese Sympathie soll sie sich für den Widerstand zunutze machen. Sie nimmt eine Stelle als Sekretärin im Krakauer Hauptquartier der Deutschen an, schmuggelt Passierscheine nach draußen, bespitzelt ihren Kommandanten. Die Ereignisse spitzen sich zu, als Emma merkt, dass sie sich in den Mann verliebt hat, der ihr Volk, ihren Ehemann, ihre Eltern verfolgt und tötet …


Rezension

Mit „Der Kommandant und das Mädchen“ wagt die Autorin Pam Jenoff sich an einen Debüt-Roman, dessen Inhalt durchaus als heikel bezeichnet werden kann. Höchst eindringlich werden menschliche Gefühle zerrissen, Hoffnungen vernichtet und erschütternde Schicksale erzählt. Und doch bleibt trotz aller Widrigkeiten eine Frage, die nicht an Kraft verliert: Was ist ein Mensch tatsächlich bereit zu geben, zu verlieren, für die, die er liebt?

Viel? Alles? – Sich selbst? Die Konsequenzen, die ein Opfer mit sich bringt, sei es noch so selbstlos, werden zumindest bald der Jüdin Emma zeigen, …

Emma ist Jüdin, eine liebende Tochter und noch nicht lange verheiratet. Ihrem Land und ihrer Familie treu ergeben, hasst sie die Deutschen und deren brutale Kompromisslosigkeit. Als quasi über Nacht ihr Mann verschwindet mit dem Entschluss, für den Widerstand zu arbeiten, will auch sie nicht weiter tatenlos zusehen. Kurz darauf beginnt die junge Polin mit Georg Richwalder ein gefährliches Spiel. – Der Einsatz? Das eigene Leben und die Zukunft ihrer Familie.

… dass nichts kontrollierbar ist. Schon gar nicht die eigenen, menschlichen Empfindungen.

Kraftvoll und durchtränkt von Verzweiflung liest sich Emmas Geschichte, deren Leben in die Klauen politischer Ränke fällt. Ihre Empfindungen geraten mit voller Wucht an den Leser, näher gebracht durch immer wiederkehrende Gedankenstürme und Überlegungen. Diese lesen sich zwar manchmal träge, bauen jedoch in vielen Situationen extreme Spannung auf. Hochdruck, der sich durch jede einzelne Seite zieht, auch ohne dass oft tatsächlich etwas passieren muss. Der Leser sieht sich mit Unmenschlichkeiten konfrontiert, bangt und hofft. Und dann, gefüllt mir der gleichen Wut im Bauch wie die Protagonisten, lernt er die andere Seite kennen – den Kommandanten Georg Richwalder. Ein Mann, der seine Familie verlor und dem danach nichts geblieben ist außer seinem Rang. Sein Land. Seine Befehle.

Ein Mann, der sich an diese klammert, sich umringt sieht von eigenen Feinden und in Emma, bzw. ihrem Pseudonym Anna, eine Frau findet, die er zu lieben lernt. Doch in Zeiten, wo eine schwangere Jüdin ohne Vorwand auf offener Straße erschossen wird, wo Menschen, die ein falsches Wort sagen, in Arbeitslagern landen und wo die Furcht vorherrscht wie nichts anderes – gibt es da eine Chance in die Seele eines Feindes zu blicken? Könnte man es vor sich selbst rechtfertigen, Mitleid zu empfinden? Oder gar Zuneigung? Bald wird Emma klar, dass sie ihre Rolle gut gespielt hat. So gut, dass es ihr schwer fällt, sich an das eigene Selbst zu erinnern und sich fragt: Wenn die Normalität sich ändert, tut der Mensch dies vielleicht auch?

Zum Ende hin befindet sich nicht nur die junge Polin im Zwiespalt. – Sie hat den Leser von ihren Fragen völlig überzeugt. Was kann man und darf man im Krieg? Wie sehr ist man sich selbst? Und schafft man es in extremer Not, seiner Sache wirklich treu zu bleiben?


Fazit

Als Expertin für den Holocaust in Polen weiß Pam Jenoff sehr genau, was sie erzählt, und diese Tatsache liest man aus dem Roman heraus. Kraftvoll und authentisch schildert die Autorin das leidvolle Schicksal unterschiedlichster Menschen. Die wenigen Längen und kleinen Widersprüchen zum Ende hin verschwimmen in der eigenen Gedankenflut, der man sich schließlich nach der letzten Seite ausgeliefert sieht. - Ein Buch über Liebe, Schicksal und Leidenschaft, wie man es gerne liest!


Pro und Kontra

+ sprachlich angenehm
+ interessante Thematik
+ liebevoll gestaltete Charaktere
+ absolut authentisch

o angenehmer Stil

- kleine Logiklöcher und Längen

Bewertung


Handlung 5 / 5
Charaktere: 4,5 / 5
Lesespaß: 4,5 / 5
Preis/Leistung: 4 / 5