Genre: Dystopie
Klappentext
Hilflos musste Joy mit ansehen, wie Neél von ihren eigenen Leuten gefangen genommen und gefoltert wurde. Ihre große Liebe, all ihre Hoffnungen und Zukunftspläne zersplittern zu einem Scherbenhaufen, als sie schließlich von Neéls Tod erfährt. Trotz ihrer unendlichen Trauer fasst Joy einen folgenschweren Entschluss: Sie will nicht länger zu Matthials Clan gehören. Also macht sie sich allein und schlecht ausgerüstet auf den Weg durch Bomberland und von feindlichen Clans besetztes Gebiet. Es ist eine Suche nach Antworten: Wie starb Neél? Und warum? Doch es ist auch eine Suche, an deren Ende Hoffnung steht. Hoffnung auf eine zweite Chance.
Rezension
Seit Neél von der Sonne verbrannt wurde, ist es still geworden. Joy wird von ihrem eigenen Clan eingesperrt, ihre Fragen nach Neél werden nicht beantwortet. Matthial und die anderen glauben, sie sei traumatisiert durch ihre Gefangennahme und nicht sie selbst. Dass sie nur denkt, einen Percent zu lieben, dass sie nicht wirklich etwas empfindet. Dass sie wieder „normal“ wird, irgendwann. Doch als Joy mitansehen muss, wie Neél gefoltert wird, fühlt sie, dass sie nicht mehr zum Clan gehört. Und sie kann ihrem Geliebten nicht helfen, auch nicht, als Neél weggebracht wird, um verkauft zu werden. Kurz darauf sagt man ihr, er sei gestorben. Joys Welt liegt in Scherben, sie zieht sich in sich selbst zurück und die Kluft zwischen ihr und ihren Jugendfreunden wird unüberbrückbar. Schließlich bleibt ihr nur noch ein Weg: Sie muss den Clan verlassen und herausfinden, was mit Neél geschehen ist …
„Dark Canopy“ war ein finsteres Juwel unter den Dystopien: brutal, emotional und unglaublich spannend. Nach dem dramatischen Finale schlich sich schnell der Gedanke ein, dass man so einen Roman nicht zwei Mal schreiben kann. Und leider hat sich diese Befürchtung bestätigt: „Dark Destiny“ kann nicht ansatzweise mit dem schonungslosen und temporeichen ersten Band mithalten. Die Geschichte um Joy und Neél hatte ihren Höhepunkt bereits erreicht, sie hätte ein gelungenes Ende finden können – doch dann brach sie ab. Für einen zweiten Band, der sich liest, als hätte Jennifer Benkau ihre Charaktere noch nicht loslassen können, als wolle sie offene Fragen klären. Fragen, die sie nicht zwingend hätte beantworten müssen. Wer den Klappentext genau liest, wird feststellen, dass Joy nicht gesehen hat, wie Neél gestorben ist. Und dass sie eine zweite Chance bekommen soll. Doch wie soll man nach all den Geschehnissen weitermachen? Wie lange kann man einen aussichtslosen Kampf kämpfen? Und sollten nicht zumindest Romanfiguren nicht aufgeben?
Joy durchlebt zunächst eine Phase purer Verzweiflung und Hilflosigkeit. Sie wird von ihren eigenen Leuten gefangen gehalten, kann sich weder an Menschen, noch an Percents werden. Die Erlebnisse haben sie regelrecht ausgebrannt und so liest sich der Anfang von „Dark Destiny“ hoffnungslos und leer. Erst als Joy beschließt, nach Antworten zu suchen, kommt Schwung in die Geschichte – dieser verebbt allerdings wieder. Es reihen sich mehrere große Ereignisse aneinander, die auf die Geschehnisse aus „Dark Canopy“ aufbauen, aber sie sind seltsam gleichwertig und so verläuft die Spannung in flachen Wellen. Einzig der emotional aufgeladene Schreibstil der Autorin hält den Leser bei der Stande: Viele Formulierungen gehen unter die Haut und trösten ein wenig über die blasse Story hinweg. Ebenso wie das Wiedersehen mit liebgewonnenen Charakteren, die man das ganze Jahr zwischen Band 1 und 2 im Herzen getragen hat. Die Frage, was wohl aus ihnen wird, brannte den Lesern unter den Nägeln. Doch nach dem Lesen von „Dark Destiny“ bleibt ein flaues Gefühl – und ein Ende, dass Jennifer Benkau bereits für „Dark Canopy“ hätte schreiben können.
Was ist schiefgelaufen? Zunächst ist es verdammt schwer, an einen so atmosphärischen und gelungenen Roman wie „Dark Canopy“ anzuknüpfen. Die (emotionale) Spannung war im ersten Band konstant hoch und phasenweise kaum auszuhalten, die Geschichte um Joy und Neél dabei verstörend, originell und berührend. Und vor allem: sie war rund, bis auf den Cliffhanger am Ende. Dieser muss zunächst in „Dark Destiny“ aufgeklärt werden, der Leser kämpft sich durch eine langwierige Suche und als wieder Hoffnung aufkommt, ziehen sich die Kapitel schier endlos hin. Nach einem vorläufigen Höhepunkt widmet sich Jennifer Benkau schließlich Zukunftsfragen, verschiedenste Handlungsfäden werden aufgegriffen und ziellos weitergesponnen. Phasenweise fiebert man mit, spürt man einen Hauch des Gefühls, das „Dark Canopy“ unvergleichlich machte. Letztlich verliert sich die Geschichte jedoch in Belanglosigkeiten, im Bemühen, die Vergangenheit aufzuklären, einen Abschluss zu finden. Fast, als würde sich die Geschichte aufs Sterben vorbereiten. Am Ende erlischt das Feuer und der Leser bleibt ratlos zurück – auf einem Berg neuer Fragen.
Fazit
„Dark Destiny“ ist ein guter Roman, der nach dem starken Vorgänger jedoch blass und langatmig daherkommt. Viele Szenen aus „Dark Canopy“ haben sich ins Gedächtnis des Lesers eingebrannt und strahlen wie ein schwarzes Feuer, während „Dark Destiny“ nur gelegentliches Flackern bietet. Man kehrt gerne in diese finstere Welt zurück, genießt das Wiedersehen mit diesen eindrucksvollen Protagonisten, die einen festen Platz im Herzen haben. Doch letztlich wirkt diese Fortsetzung, als hätte Jennifer Benkau nicht loslassen können, als wolle sie die Brutalität von „Dark Canopy“ abmildern und Fragen klären, die gar nicht danach verlangt haben. Schließlich endet die Geschichte so, wie sie bereits im ersten Band hätte enden können, und beweist damit, dass ein Einzelroman oftmals mehr wert ist.
Pro & Contra
Wertung:
Interview mit Jennifer Benkau (April 2012)