Steam Noir - Das Kupferherz 3 (Felix Mertikat und Verena Klinke)

steam noir 3

Cross Cult (Mai 2013)
Hardcover, 64 Seiten, 16,80 EUR
ISBN: 978-3-86425-134-4

Genre: Steampunk


Klappentext

Ein zerbrochener Planet. Schollen, die im Äther treiben.
Maschinen mit Seelen und Menschen ohne Skrupel.
Dampfkraft, groteske Maschinentechnik und übernatürliche Phänomene.
Und über all dem eine geheimnisvolle Toteninsel, die die Welt der Lebenden heimsucht.

Wiederkehrende Seelen aus dem Totenreich und eine Organisation, die mit Gewalt dagegen vorgeht: Während in Januskoogen die Vernichtung von Seelen ungeahnte Ausmaße annimmt, sagt sich Bizarromant Heinrich Lerchenwald vom Leonardsbund los und verfolgt eine eigene Agenda. Um an die Geheimnisse der Seelen zu gelangen, verbündet er sich mit einem Wiederkehrer, dem er Hilfe für seine todkranke Schwester verspricht, und hintergeht seine Freunde, den Maschinenmensch Richard Hirschmann und die Tatortermittlerin Frau D. Als er auf das Geheimnis hinter dem mysteriösen Kupferherz stößt, trifft er eine folgenschwere Entscheidung, mit der er nicht nur sich selbst, sondern auch seine Familie in Gefahr bringt … Währenddessen droht das Auftauchen der Toteninsel Vineta, ganz Landsberg abermals in das Chaos der Blinden Tage zu stürzen.


Rezension

Die Geschichte um „Das Kupferherz” nimmt eine dramatische Wendung: Heinrich Lerchenwald hat endlich die Seele aufgespürt, die die eingemauerte Mädchenleiche gestohlen hat – und erkennt die persönliche Tragödie des Diebes. Bei dem Mädchen handelt es sich um seine Schwester, die von einer Krankheit zerfressen wurde. Eigentlich ist sie längst tot, doch das Kupferherz hält sie erbarmungslos am Leben. Heinrich bittet das Maschinenwesen Hirschmann und Ermittlerin Frau D. um Hilfe, die beide sofort herbeieilen, um ihrem Freund beizustehen. Nun, da Heinrich das Kupferherz gefunden hat, sieht er endlich eine Möglichkeit, seinem totkranken Sohn zu helfen. Doch der Arzt Presteau, der das Maschinenherz erschaffen hat, hat andere Pläne. Währenddessen arbeitet der Leonardsbund daran, aus Heinrichs Forschungsergebnissen eine Waffe gegen zurückgekehrte Seelen zu entwickeln …

Heinrich entgleitet zunehmend die Kontrolle über die Ereignisse: Eigentlich ist er Bizarromant geworden, weil ihn das Phänomen der Seelen faszinierte und er helfen wollte, ihre Verzerrungen zu heilen. Doch jetzt soll seine Forschung der Vernichtung der Seelen dienen, während seinem Sohn die Zeit davonläuft. Felix Mertikat und Verena Klinke haben ihren Protagonisten in eine scheinbar ausweglose Situation gebracht, die seine Freunde Hirschmann und Frau D. umso wichtiger macht. Auch sie wenden sich vom Leonardsbund ab, wobei zumindest Frau D. unerwartete Unterstützung bekommt. Abgesehen davon scheinen sich alle gegen das Trio verschworen zu haben, denn kaum ein Nebencharakter schreckt davor zurück, Heinrich für seine Zwecke zu missbrauchen. Aus dem einstigen Kriminalfall ist etwas Persönliches geworden, was der Handlung zusätzliche Dramatik verleiht. Am Ende folgt der obligatorische Cliffhanger, der dieses Mal besonders gemein ist, da die Geschichte kurz vor ihrem Höhepunkt steht. Spätestens jetzt ist sich der Leser sicher, dass Verena Klinke die perfekte Wahl für die Fortsetzung der Reihe war.

Die Ätherwelt mit der mysteriösen Toteninsel Vineta erhält auch im dritten Band neue Facetten, die sich zu einem stimmungsvollen Gesamtbild zusammenfügen. Ein Hauch des deutschen Kaiserreichs liegt über der finsteren Schollenwelt, die von bizarren Maschinen und mechanisch veränderten Menschen bevölkert wird. Die Technik ist keine Weiterentwicklung der Gegenwart, sondern an die großen Träume des 19. Jahrhunderts angelehnt. Gleichzeitig werden auch die Schattenseiten dargestellt, die Armut, die Ausbeutung der Arbeiter und das Zerstören der Natur. Grüne Pflanzen haben Seltenheitswert in „Steam Noir“, der Himmel ist meist bewölkt und scheint in den Rauch großer Fabriken gehüllt zu sein. Dadurch wird eine beinahe surreale Stimmung erzeugt, die dennoch greifbar ist. Die Geschichte um das Kupferherz rüttelt dabei nicht an den großen Zusammenhängen, sondern handelt von persönlichen Schicksalen, in denen sich die Höhen und Tiefen dieser Welt spiegeln. Heinrich ist kein Weltenretter, sondern jemand mit guten Absichten, die für seine Überzeugungen auch mal Grenzen überschreitet. Beinahe ein typischer Noir-Charakter.     

Zeichnerisch hält Felix Mertikat sein hohes Niveau – „Steam Noir“ ist optisch einfach eine runde Sache. Düster, kantig, ein wenig morbid und nostalgisch. Steampunk in künstlerischem Ambiente sozusagen. Der zweite Band überraschte mit vielen Lichtreflexen, die nicht jedem zusagten, doch im dritten Band harmonieren Farben und Effekte wieder perfekt. Die Comicreihe sah vom ersten Band an gut aus, dennoch meint man, eine Steigerung zu erkennen. Der dritte Band wirkt ausbalanciert, bietet sowohl opulente doppelseitige Zeichnungen, als auch gelungene kleine Panels, die oftmals Gesichtsausdrücke einfangen und die großen Bilder ergänzen. Der Aufbau ist recht verschachtelt – und dennoch kann man jedem Dialog gut folgen und die Sprechblasen problemlos den richtigen Personen zuordnen. Einzig die Menge des Dialogtextes erscheint ein wenig zu hoch, allerdings nicht so, dass der Comic dadurch zäh würde. Als hochwertiges Hardcover und mit Anhang, der zusätzliche Informationen und Zeichnungen befreundeter Künstler enthält, ist auch „Das Kupferherz 3“ ein Schmuckstück im Comicregal.


Fazit

Kaum hat man den dritten Band von „Das Kupferherz“ aufgeschlagen, ist man wieder tief in die düster-mechanische Welt von "Steam Noir" abgetaucht. Das Mysterium um das Kupferherz klärt sich allmählich auf, gleichzeitig wird aus dem Fall etwas sehr Persönliches. Mit seinem kantigen Zeichenstil kreiert Felix Mertikat aus der vielschichtigen Geschichte einen stimmungsvollen Comic, der vollkommen zu Recht mit dem Sondermann-Preis ausgezeichnet wurde. So muss Steampunk aussehen!


Pro & Contra

+ atmosphärische Steampunk-Welt
+ facettenreiche Protagonisten
+ bizarre Maschinenwesen
+ das Geheimnis um die zurückgekehrten Seelen
+ Farben und Effekte diesmal gut ausbalanciert
+ stimmungsvoller, kantiger Zeichenstil

Wertung:

Handlung: 4,5/5
Charaktere: 4/5
Zeichnungen: 5/5
Lesespaß: 5/5
Preis/Leistung: 4/5

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